Das kasachstanische Bankenwesen ist stark auslandsfinanziert und damit von den Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten besonders betroffen. In Folge der Krise leidet vor allem die Bau- und Immobilienbranche in Kasachstan. Finanz- und Bausektor zusammen haben bislang etwa 30 Prozent des kasachstanischen Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet.

/Foto: Bodo Thöns/

Das Bankensystem Kasachstans hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Das spiegelte sich in den entsprechenden Einschätzungen der internationalen Rating-Agenturen nieder und stärkte bei vielen Banken weltweit die Bereitschaft, sich auf diesem interessanten Zukunftsmarkt in Zentralasien zu engagieren. So konnten die großen Banken des Landes problemlos Kredite zu sehr attraktiven Konditionen aufnehmen. Der Anteil ausländischer Kredite an der Bankenrefinanzierung wuchs und wuchs. Alle Optionen, parallel dazu auch im Inland neue Einlagenkunden zu gewinnen, wurden vernachlässigt, was sich seit Sommer vergangenen Jahres rächt.

„Ungeplanter Stresstest“

Im Jahr 2007 wurde bekanntlich weltweit die Liquidität bei Banken knapper. Allerorts kamen Kreditstrategien auf den Prüfstein und viele Risiken wurden neu bewertet. Das traf nur wenige Länder so hart wie den in den letzten Jahr so stark umworbenen größten zentralasiatischen „Tigerstaat“. Im zweiten Halbjahr ging man in Kasachstan zunächst, wie auch anderswo, nur von einem kurzfristigen Gewitter auf den internationalen Finanzmärkten aus. Eine schnelle Rückkehr zum „business (and credits) as usual“ blieb aber aus. Erst zum Jahresende setzte sich die Einsicht durch, dass die „Sturmwarnung“ für die Kapitalmärkte länger als gedacht bestehen bleiben wird. Der ungeplante „Stresstest“ für Kasachstans Banken fällt somit nachhaltiger aus. Neuausrichtung der Strategien, deutlich reduzierte Wachstumspläne, Restrukturierungen und auch massiver Personalabbau sind heute die Stichwörter der Neuorientierung. Seitens der Zentralbank und Bankenaufsicht gab es mit temporären Lockerungen bezüglich der Mindestreserven und erweiterten Refinanzierungsmöglichkeiten, verbunden mit Auflagen für Obergrenzen künftiger Auslandsverschuldung, sinnvolle Rückendeckung. Man geht heute davon aus, dass 2008 für die Banken in Almaty kein einfaches Jahr wird, dass aber alles darauf hinweist, dass sie diesen „ungeplanten Stresstest“ meistern und die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen haben.

Im laufenden Jahr werden für die Banken Kasachstans an den internationalen Kapitalmärkten insgesamt 12 Milliarden US-Dollar fällig, die zwar sicherlich teilweise, aber eben nur teilweise prolongiert werden. Voraussichtlich 4 bis 6 Mrd. US-Dollar werden aber zurückgezahlt, was natürlich die Möglichkeiten für Neukredite deutlich einschränkt. Während zum Beispiel noch im vorigen Sommer in der Reklame der Banken nur Kredite in allen Variationen beworben wurden, lächelt heute der die neuen „Sonderkonditionen“ nutzende, erfolgreiche Sparer auf allen Leinwänden in Almaty.

Auswirkungen auf die Realwirtschaft

Für Kasachstans Firmen ist es schwieriger und teuerer geworden, Finanzierungen zu bekommen. Die Banken vergeben Kredite heute deutlich restriktiver. Das Volumen der Neukredite hat sich in den ersten Monaten 2008 im Vergleich zum Vorjahr mehr als halbiert. Sowohl die Zinssätze als auch die Anforderungen hinsichtlich beizubringender Kreditsicherheiten haben angezogen. In einigen Branchen sind die Konsequenzen dramatisch. Man hält nach wie vor an anspruchsvollen Wachstumsraten beim Wirtschaftwachstum fest und hat auch mehrere Förderprogramme ins Leben gerufen. Diese betreffen vor allem die Mittelstandsförderung und das Bauwesen.

Nachdem in der Bauwirtschaft mit Ausbruch der Krise viele Projekte unverzüglich auf Eis gelegt wurden und auf dem schon 2006/2007 überhitzten Immobilienmarkt vor allem in Almaty und Astana nach wie vor große Verunsicherung herrscht, wurde eine Liste mit circa 130 Großprojekten definiert, deren Finanzierung nun unter Einschaltung der Staatsholding Kazyna sichergestellt wird. Die Strukturprobleme der in den letzten Jahren sehr stark gewachsenen Bauwirtschaft Kasachstans sind damit jedoch noch nicht gelöst, Kapazitäten und Finanzierungen wurden in der Vorstellung ausgebaut, dass der Baumboom und die steigenden Immobilienpreise bestenfalls in der Höhe der Zuwachsraten variieren. Hier markiert 2008 nun wirklich die Rückkehr zum „businness as usual“ in seinen klassischen Zyklen.

Von Bodo Thöns

04/04/08

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