Vor wenigen Tagen wurde ich 40 Jahre alt. Seit einigen Jahren habe ich diesem Tag entgegengefiebert. 40 – ein besonderer Geburtstag, das Durchbrechen einer Schallmauer.

 

Mit 40 ist man zu alt für Sperenzchen, da kann man nicht mehr einfach so hopplahopp dies und das nach Lust und Laune anfangen, um es dann wieder abzubrechen, um dann wieder was anderes zu beginnen. Da studiert man sich nicht mehr munter durch verschiedene Fächer oder hüpft übermütig mit diversen Kerlen in die Kiste. Mit 40 muss man wissen, was man will, und das dann zielsicher ansteuern und planvoll umsetzen. Mit 40 geht man in die Weiterbildung, ins Coaching und zum Yoga, um die persönlichen und beruflichen Erfahrungen, Kenntnisse, Kompetenzen und Ziele zu verfeinern. Da räumt man in Therapien vergrabene Probleme aus dem Weg und stöbert verlernte Stärken auf. Mit 40 sind die Perspektiven überschaubar. Da hat man überflüssige Abonnements, Versicherungen, Mitgliedschaften und Bekanntschaften aussortiert und sein Vertrauensverhältnis zum Steuer- und Bankberater gefestigt. So kann man wohlstrukturiert in die zweite Lebenshälfte starten. Keine schönen Aussichten.
Um sich gebührend vom jugendlichen Leichtsinn zu verabschieden, muss man es so richtig krachen lassen. Dachte ich mir. Und ließ meiner Fantasie freien Lauf. Ich sah mich im chicen Kleid von vielen Freunden umringt, legte mit meinem Prinzen eine spektakuläre Nummer aufs Parkett, eröffnete ein üppiges Büffet und tanzte bis zum Morgengrauen ohne Pause ausgelassen zu den alten Hits. Tja! Jedoch …
Wenige Wochen vor dem 40. musste ich meine Lebensumstände wie folgt kennzeichnen: pleite, verschuldet, krank, erschöpft, Single und in Folge all dessen depressiv. Ja, wo soll denn da die wilde Party herkommen? Gott sei Dank haben sich einige dieser Umstände verflüchtigt, so dass zumindest die Stimmung wieder stimmte, um mich auf ein Feiern im kleinen aber feinen Freundeskreis zu freuen. Trotzdem. Die Fantasie stirbt zuallerletzt und eilte mal wieder in großen Schritten eifrig voraus. Ich stellte mir vor, wie mir ein Feuerwerk gezündet, ein riesengroßes Geschenk und ein großer bunter Blumenstrauß überreicht würden, wie ein knackiger Hausmasseur aus der selbstgebackenen Torte spränge, wir ohne Unterlass Champagner tränken, die ganze Nacht zu meinen Lieblingshits tanzten, an einem reich gedeckten Frühstückstisch mit Lachs säßen und einen Ausflug in die sonnige Natur unternähmen. Um Mitternacht hätte sich meine spektakuläre Wandlung zur Cinderella vollzogen, während der Prinz zum Fenster hereingeklettert wäre. Aber es war alles ganz anders.
Wir saßen nett beisammen, hatten Spaß, um Mitternacht wurde mir herzlich gratuliert und ich bekam ein Klebe-Tattoo verpasst. Am nächsten Morgen war ich allein, weil meine Freunde arbeiten mussten. Was mir ganz recht war, weil ich höllisch verkatert war und eh nichts essen konnte. Später zwang ich mir eine Dose Fisch runter. Nach dem schweigsamen Mittagessen zog es uns aufs Sofa, wo ich döste und las, während meine Freundin die Wäsche zusammenlegte. Dann nippten wir zurückhaltend am Sekt, gingen lecker essen und tranken daheim noch viel zu viel Wein, was mir die folgenden Tage versaut hat. Und genauso, wie es war, war es schön und richtig. Ich habe mich wohl gefühlt, mir hat nichts gefehlt. Und somit hatte ich beides: Zuvor dank meiner Fantasie ein rauschendes, spektakuläres Fest und dank der Realität alles so, wie ich es brauchte.

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