Richard Künzel war fünfeinhalb Jahre Leiter des Goethe-Instituts in Almaty. Nun wechselt er seinen Einsatzort und geht nach Manila auf die Philippinen  Künzel hat unter anderem Konzerte organisiert, mit seinen Mitarbeitern die Sprachlernzentren weiterentwickelt und die Suche eines neuen Gebäudes für die deutsche Kultur- und Sprachinstitution aufgenommen. Im Gespräch mit DAZ-Redakteurin Cornelia Riedel zieht er nun Bilanz.

Herr Künzel, fünfeinhalb Jahre waren Sie Leiter des Goethe-Intituts in Almaty, Zeit für ein kleines Fazit. Was war für Sie das Besondere an dieser Zeit in Zentralasien, verglichen mit anderen Ländern, in denen Sie schon gearbeitet haben?

Mir ist besonders eines hier aufgefallen: Im Transformationsland Kasachstan wird Religion nicht zur Schau gestellt; gleichwohl sind sich die Menschen ihrer Religiosität bewusst und prakizieren sie mit Gelassenheit. Anderenorts klappt das nicht mehr oder noch gar nicht, wird Andersartigkeit sogar als bedrohlich empfunden oder in nationalem Dünkel abgelehnt. Was das Persönliche betrifft, meine Frau und ich duften noch nie an einem Dienstort tätig sein, der uns so viel Gelegenheit zum Wandern im Hochgebirge gab, an dem die Wolken so nah sind, an dem es weder Tornados, Moskitos, Schlangen oder Tsunamis gibt. Von größeren Erdbeben blieben wir Gott sei Dank verschont. Hoffen wir, dass der Umweltfaktor infolge des Baubooms nicht vernachlässigt und die Berglandschaft eine Erholungslandschaft bleibt. Schon verunstalten kilometerlange Mauern entlang neu erworbener Grundstücke die Landstraßen, die in die Erholungsgebiete führen. Mauern entbehren jeder positiven Ästhetik; und als Deutsche wissen wir: Mauern setzen sich im Kopf fest.

Nun zu Ihrer Arbeit am Goethe-Institut, was haben Sie in den fünfeinhalb Jahren geschafft, auf welche Ergebnisse sind Sie besonders stolz?

Ich habe in dieser Zeit das Partnerumfeld der kulturellen Programmarbeit vergrößert und gezeigt, dass erstens, dialogische Kulturarbeit im Sinne einer Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Kunstformen in Kasachstan möglich ist, wenn man die Talente der Nachwuchsgeneration ernst nimmt und fördert, und zweitens, dass es in Almaty ein gutes Sponsorenumfeld gibt. Angesichts beider Faktoren konnte ich große, publikumswirksame Veranstaltungen realisieren. Dazu gehörte die Aufführung der Johannespassion von Johann Sebastian Bach auf Deutsch mit dem Chor der Schambyl-Philharmonie, die Produktion des Kurzfilms „Zwei kleine Würstchen” und das Drehen von 16 Musikvideoclips durch 60 Studenten der Schurgenow-Kunstakademie und Regisseuren aus Deutschland. Diese Produktionen haben internationale Preise erhalten und wurden von sieben internationalen Festivals angefordert. Außerdem bin ich stolz auf die Realisierung der ersten kasachisch-deutschen Nachdichtungen moderner Lyrik; dank guten Sponsorings konnten die Ergebnisse außer im Internet auch in Hamburg, München und Berlin präsentiert werden. Durch gezielten Einsatz von Stipendienmitteln konnten wir zudem die Zahl der Entsendungen junger Talente Kasachstans in den Bereichen Schauspiel, Choreografie und Film zu deutschen Festivals erhöhen. Und schließlich bin ich stolz darauf, dass wir es geschafft haben, das Netzwerk von Sprachlernzentren und Lesesälen in fünf Städten in Kasachstan auszubauen und zu stabilisieren.

Welche Probleme und Schwierigkeiten gab es?

Gerade im Hinblick auf die Zukunft der Sprachlernzentren stehen wir vor noch ungelösten Problemen. Einserseits sind es kleine Unternehmen, die durch qualitativ anspruchsvolle Leistungsangebote mittelfristig wirtschaftliche Unabhängigkeit erreichen müssen, um zu überleben. Andererseits erhalten sie abträgliche Konkurrenz durch kostenlose Angebote anderer, ebenfalls von Deutschland finanzierter Sprachkursanbieter. Das ist eine Schieflage und muss geändert werden. Leistung kann heute nicht mehr kostenlos erfolgen. Wir müssen auf deutscher Seite nach Lösungen suchen, die alle Sprachkursanbieter dazu zwingt, Kosten und Leistung in eine vernünftige Relation zu setzen. Politische Gründe können ja zur Ausarbeitung eines Stipendiensystems führen. Die andere Schwierigkeit ist chronisch: Die bereits drei Jahre anhaltende Suche nach einer Neuunterbringung des Goethe-Instuituts Almaty in einem Gebäude, das den euopäischen seismischen Standards entspricht, ist noch nicht zu Ende. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Was sind die Dinge, die im hiesigen Goethe-Institut in Sachen Kultur- und Spracharbeit in den nächsten Monaten und Jahren aus Ihrer Sicht am dringendsten sind und erledigt werden sollten?

Die Arbeit des ganzen Instituts wird in diesem Jahr auf das „Budgetierung” genannte System der Haushaltsführung umgestellt. Die budgetäre Gesamtverantwortung liegt künftig nicht mehr bei der Zentrale in München, sondern bei den einzelnen Instituten selbst und beim Regionalinstitut in Moskau. Stärker als früher muss das Goethe-Institut sein Aufgabenprofil schärfen, und die Tätigkeiten aller Arbeitsbereiche sollten gewichtet und auf die wirkungsvollsten und sinnvollsten von ihnen beschränkt werden. In der Spracharbeit des Goethe-Instituts Almaty muss mittelfristig Kostendeckung erreicht werden. Die Arbeitsbereiche Sprache, Information, Bibliothek und Kulturprogramme werden enger zusammenarbeiten müssen, auch bei unseren Bemühungen, das durch uns begonnene Netzwerk der Sprachlernzentren (SLZ) und Lesesäle zu stärken.

Stichwort Land und Leute: Was werden sie von Kasachstan und Almaty besonders in Erinnerung behalten?

Im künstlerischen Bereich: Die spannende Suche einer jungen Generation von Kasachen nach eigenen Ausdruckformen jenseits von Stereotypen; „Identität” ist ein viel zu blasses Wort. Sie suchen nach eigenen Antworten auf Herausforderungen, denen sich nur ihre Generation stellen kann. In Almaty: Die allzuschnell zunehmende Bautätigkeit, die damit verbundene schlechter werdende Luft um Almaty, die in täglich länger werdenden Staus stehenden teuren Limousinen und die Tag und Nacht arbeitenden Baukräne in der neuen Hauptstadt Astana – alles das lässt die Dynamik der neuen urbanen Kasachen und die Trends ihrer Lebenswirklichkeit erahnen. Ich frage mich: Wann beginnt die Auseinandersetzung um die Gewichtung von Quantität und Qualität?

Was haben Sie persönlich für Pläne?

Ich fahre jetzt erst mal mit meiner Frau nach Deutschland auf Urlaub. Auf dem Lufthansa-Flug von Frankfurt nach Hamburg wird uns dabei unser Sohn als frisch gebackener Kopilot fliegen. Das ist ein wichtiger Grund, warum wir nach Deutschland reisen: Mindestens zweimal im Jahr wollen wir uns mit unseren Kindern treffen. Unsere Tochter arbeitet für den DAAD in Kairo als Projektmanagerin, unser Sohn begann soeben sein Berufsleben als Pilot, und irgendwie sind wir stolz darauf, dass wir es als Familie geschafft haben, zusammenzuhalten, obwohl wir auf drei Kontinenten leben. Das wird sich auch in nächster Zukunft nicht ändern, denn ab Februar 2007 ist mein neuer Arbeitsplatz das Goethe-Institut in Manila (Philippinen).

Wer wird Ihr Nachfolger am Goethe-Institut in Almaty sein?

Das wird Günther Hasenkamp sein, erarbeitete in den letzten fünf Jahren am Goethe-Institut in Moskau.

Herr Künzel, danke für das Gespräch!

14/07/06

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