Eine Lobby älterer Menschen vertritt ihre Interessen gegenüber Politik und Wirtschaft. Bei einer Fachkommission haben die Verbände von ihnen gemeinsam vertretene Positionen erarbeitet.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft von 113 Senioren-Organisationen in Deutschland (BAGSO) vertritt ca. 13 Millionen Ältere in Deutschland mit ihren Interessen und Belangen gegenüber Politik und Wirtschaft sowie in der Gesellschaft. Sie ist die Lobby der älteren Menschen. Die nachfolgenden Generationen möchte sie immer im Blick behalten. Die BAGSO gibt Positionspapiere, Ratgeber, Checklisten, eine Verbandszeitschrift und andere Dokumentationen heraus.

Gemeinsame Positionen werden in den verbandsübergreifend besetzten Fachkommissionen der BAGSO entwickelt. Dies gilt vor allem für grundlegende Positionierungen zu ausgewählten politischen Themen, zu denen Positionspapiere erarbeitet werden. Umso wichtiger sind die abgestimmten Positionspapiere, die eine Basis für Stellungnahmen zu (tages-)aktuellen Fragen bieten. Da die Fachkommissionen lediglich beratende Funktion haben, müssen die Positionspapiere und Stellungnahmen vom Vorstand der BAGSO verabschiedet werden. Die ehrenamtliche Vorsitzende Prof. Dr. Ursula Lehr (86 Jahre), Gerontologin, amtierte von 2009 bis zur Mitgliedervollversammlung im November 2015 mit Neuwahl des Vorstandes. Mit großer Mehrheit wurde Franz Müntefering, ehemaliger SPD-Vorsitzender und Bundesarbeitsminister, als Nachfolger gewählt.

Die Fachkommission „Aktuelle Fragen der Seniorenpolitik“ kam 2015 zweimal zusammen. Es wurde ein von der Geschäftsstelle vorbereiteter Entwurf für ein Positionspapier zu den „Anforderungen an eine flexible Gestaltung des Renteneintritts“ diskutiert und überarbeitet. Das 2015 veröffentlichte Papier benennt sowohl arbeitsmarktpolitische Maßnahmen als auch notwendige Anpassungen im Rentensystem: Vorrangiges Ziel muss sein, den Anteil derjenigen zu erhöhen, die bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen; zurzeit liegt dieser Anteil bei nur 25%. Die Möglichkeiten eines gleitenden Übergangs müssen, auch über das Regeleintrittsalter hinaus, verbessert werden. Die Verbände fordern aber auch einen sozialen Ausgleich zwischen denen, die länger arbeiten können und wollen, und denen, die dazu nicht in der Lage sind. Sie sind daher auch für eine Beibehaltung des halben Beitrags, den Arbeitgeber bei der (Weiter-) Beschäftigung von Vollrentnern in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen müssen (sog. isolierter Arbeitgeberbeitrag), sowie für weitere Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente.

Der Vorstand konnte das Papier am 6. Mai 2015 im Rahmen eines persönlichen Treffens der Bundeskanzlerin übergeben (s.u.). Es wurde zudem den Mitgliedern einer Ende 2014 von der Bundesregierung eingesetzten Arbeitsgruppe übermittelt. Vor allem aufgrund seiner sozialen Ausgewogenheit kann es ein wichtiger Maßstab für die weitere Diskussion sein – und tatsächlich scheint sich noch ein Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern abzuzeichnen. In der zweiten Oktoberhälfte 2015 meldete das Magazin „Focus“, dass sich die Arbeitsgruppe zu einigen Punkten verständigen könnte. Kernpunkte: Arbeitgeber sollen, wenn sie Menschen im Rentenalter beschäftigen, keinen Beitrag mehr für die Arbeitslosenversicherung leisten müssen. Bei den Rentenbeiträgen ist an folgende Regelung gedacht: Beschäftigte Senioren sollen davon profitieren, wenn sie freiwillig Arbeitnehmerbeiträge einzahlen. Bisher müssen Arbeitgeber zahlen, ohne dass den Beschäftigten dafür Ansprüche entstehen. Der SPD geht es vorrangig darum, Menschen überhaupt in die Nähe des regulären Rentenalters zu bringen. Deshalb will sie Prävention und Reha stärken. So sollen Beschäftigte mit Mitte 40 auf Kosten der Rentenversicherung einen Gesundheits-Check-up bekommen, um früh von Risiken zu erfahren und notfalls die beruflichen Weichen umzustellen. Sowohl SPD– als auch Unionsmitglieder der Arbeitsgruppe bestätigten dem Magazin offenbar, dass die Chance auf eine Einigung hoch sei.

Schwerpunkt der Fachkommission war weiter die Rolle der Kommunen in der Seniorenarbeit und das von der Diakonie entwickelte Konzept eines kommunalen Basisbudgets zur nachhaltigen Finanzierung dieser Arbeit. Das Problem ist vielen bekannt: Die am Gemeinwesen orientierte Seniorenarbeit steht als freiwillige Aufgabe in den Kommunen immer unter Finanzierungsvorbehalt. Das Konzept der Diakonie sieht eine Sockelfinanzierung vor mit der Auflage, dass die Mittel auch für die Seniorenarbeit eingesetzt werden müssen. Als Betrag werden 23 Euro pro Jahr und Bürgerin bzw. Bürger ab 60 Jahren vorgeschlagen. – Anschließend ließen sich die Mitglieder der Fachkommission einen Überblick über den aktuellen Stand und die Perspektiven für die Rentenangleichung Ost-West (die ostdeutschen Rentner sind noch immer benachteiligt!) geben. Deutlich wurde, dass mehr noch als bei der Rente die Durchschnittsentgelte dem Westwert hinterherhinken, so dass die Gefahr besteht, dass sich Ungleichheiten dauerhaft verfestigen.

Freiwilliges Engagement und Partizipation

Schwerpunkt dieser Fachkommission war zunächst die Erarbeitung und Diskussion eines Positionspapiers zur Anerkennung und Förderung des freiwilligen Engagements älterer Menschen mit Zuwanderungsgeschichte; an dem Prozess waren auch Vertreterinnen verschiedener Migrantenselbstorganisationen beteiligt. Das Papier wurde Anfang April 2015, anlässlich des Tags der älteren Generation, veröffentlicht. Die BAGSO
spricht sich darin für eine interkulturelle Öffnung der Seniorenarbeit aus. Es bedürfe des Wechsels von einer „Komm-Kultur“ zu einer Kultur des Aufeinander-Zugehens. Migrantenselbstorganisationen sollten dabei als entscheidende Schnittstelle anerkannt werden.

Weitere Themen, mit denen sich die Fachkommission im Berichtszeitraum befasste, waren: Wert des bürgerschaftlichen Engagements und Monetisierung sowie Engagement und Bildung. Darüber hinaus waren die Mitglieder der Fachkommission beim 11. Deutschen Seniorentag in Frankfurt am Main für die Veranstaltungsreihe „Wohin gehen Engagement und Bildung?“ verantwortlich. Bei der Veranstaltung sowie bei den Diskussionen innerhalb der Fachkommission wurde bemängelt, dass das Lernen in nonformalen oder informellen Kontexten, wie es z.B. in den BAGSO-Verbänden mit nachhaltigem Erfolg praktiziert wird, im öffentlichen Bereich weitgehend unbeachtet ist. Das Lernen im zivilgesellschaftlichen Bereich werde daher auch von der Bildungspolitik nicht aufgegriffen. Die Mitglieder der Fachkommission plädierten dafür, dass auch für diese Bildungsprozesse von Bund und Ländern Strukturen entwickelt werden müssen. Daher wurde in der Sitzung vom 30. September 2015 ein Thesenpapier zur gesellschaftlichen Relevanz von Engagement und Bildung im Alter erarbeitet. Der Vorstand wird sich bei seiner nächsten Sitzung mit dem Papier befassen.

Gesundheit und Pflege

Der Schwerpunkt der politischen Lobbyarbeit lag im Berichtszeitraum unzweifelhaft im Bereich der Gesundheits– und Pflegepolitik. Die Fachkommission „Gesundheit und Pflege“ begleitete in ihren drei Sitzungen im Berichtszeitraum die aktuellen Gesetzgebungsverfahren zu den Pflegestärkungsgesetzen I und II, zu einem Präventionsgesetz, zu einem Gesetz zur Verbesserung der Hospiz– und Palliativversorgung sowie zum Krankenhausstrukturgesetz und zum Pflegeberufsgesetz.

Den beiden Vorsitzenden der Fachkommission „Gesundheit und Pflege“ ist es zu verdanken, dass trotz der meist kurzen Fristen profunde Stellungnahmen zu Referenten– und Gesetzesentwürfen eingereicht werden konnten und die BAGSO bei wichtigen Anhörungen vertreten war. Zu nennen sind insbesondere

– das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention: Stellungnahme zum Gesetzesentwurf (März 2015) und öffentliche Anhörung im Bundestagsausschuss für Gesundheit (April 2015),

– das Gesetz zur Verbesserung der Hospiz– und Palliativversorgung in Deutschland: Stellungnahme zum Referentenentwurf (März 2015) und Verbändeanhörung (April 2015), Stellungnahme zum Gesetzesentwurf (September 2015)

– das Zweite Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften: Stellungnahme zum Referentenentwurf (Juli 2015) und zum Gesetzesentwurf sowie öffentliche Anhörung (September 2015).

Weitere Themen, mit denen sich die Fachkommission im Berichtszeitraum befasste, waren u.a. die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege, Konzepte zur Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen Begutachtungsverfahrens, Verbraucherschutzanliegen im Bereich Gesundheit, Pflege und haushaltsbezogene Dienstleistungen, die Weiterentwicklung der Pflegetransparenz-Vereinbarungen und die Menschenrechtsperspektive in der Pflege.

Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, dass es auch sichtbare Erfolge bei der Interessenvertretung für ältere Menschen gibt: Zentrale Forderungen der BAGSO, auch solche aus früheren Positionspapieren und Stellungnahmen, sind in die aktuellen Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. Beispielhaft sollen genannt werden: die Einführung und Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes (PSG II), den die BAGSO als Mitwirkende im „Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ und im „Expertenbeirat zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ miterarbeitet und vertreten hat; die Einführung von Strukturen in der Selbstverwaltung der Pflege und klare Vorgaben zur Weiterentwicklung der Qualitätsmessung und –darstellung in der Pflege (PSG II); die Stärkung von Rehabilitationsempfehlungen und die Erleichterung der Beantragung von Hilfsmitteln im Rahmen der Pflege-Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (Grundsatz „Reha vor und bei Pflege“).

Die BAGSO setzt sich vor allem ein für
bagso.png. ein realistisches Altersbild in der Gesellschaft
. ein selbstbestimmtes Leben im Alter
. die gesellschaftliche Teilhabe und Partizipation älterer Menschen
. ein solidarisches Miteinander der Generationen
. ein gesundes Altern und gute gesundheitliche und pflegerische Versorgung
. die Interessen älterer Verbraucherinnen und Verbraucher.
Einen Newsletter mit aktuellen Informationen kann man kostenlos abonnieren. www.bagso.de

Die BAGSO und ihre Mitgliedsverbände richten alle drei Jahre den Deutschen Seniorentag mit einer Messe aus. Der 11. Deutsche Seniorentag fand im Juli 2015 in Frankfurt am Main unter dem Motto „Gemeinsam in die Zukunft“ statt mit 15.000 Besucherinnen und Besuchern. 

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