Eine Wanderung durch die schönste Natur Kirgisistans mit den Jungs von „Tuk“ hat es in sich. Was dort als „mittelschwer“ beschrieben wird, ist mit Vorsicht zu genießen.

Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen über Bischkek, da saßen wir schon im Bus Richtung Innenstadt. Treffpunkt für alle Berg-Verrückten war das Büro des Tracking-Sportclubs „Tuk“. Kaum angekommen, noch schnell ein Dokument unterschrieben, dann ging es auch schon mit dem Kleinbus in die Berge.

Das Ziel war der Nationalpark „Ala-Artscha“. Der Park ist von Bischkek aus leicht zu erreichen. Er ist ganzjährig geöffnet und die Eintrittsgebühr ist minimal. Wenn man die Tour mit den Guides von Tuk macht, dann zahlt man einen Komplettpreis, der den Eintritt für den Nationalpark schon beinhaltet. Auf eigene Faust kann man gemütlich durch das Tal schlendern. Sollte man jedoch keine erfahrene Bergsteigerin sein, dann ist von einem Solo-Anstieg in die Berge dringend abzuraten. Der Pfad hat es nämlich so richtig in sich. Ohne Spikes, richtiges Schuhwerk oder Tracking-Schuhe hat man keine Chance, den Berg zu erklimmen.

Ala-Artscha: Der Wacholder soll böse Geister vertreiben

Nach einer Stunde Fahrt mit einem wunderschönen Blick über die Szenerie des kirgisischen Alatau erreicht man die Bergstation, von der aus der Aufstieg beginnt. Hier beträgt die Höhe bereits 1.500 Meter. „Ala-Artscha“ bedeutet „Vielfarbiger Wacholder“, welcher dort zuhauf wächst. Wie sich später herausstellte, eignen sich diese Büsche auch hervorragend als Liegen. Man lässt sich hineinfallen und genießt einfach die beeindruckende Kulisse. In der kirgisischen Tradition erfreut er sich gleichzeitig einer besonderen Wertschätzung, denn der Rauch eines Wacholderfeuers soll böse Geister vertreiben. Aber der Baum soll nicht in der Nähe des Heims gepflanzt werden, da er sonst im Laufe der Zeit die Kraft aus den Menschen saugt, die in seiner Nähe leben – so die Überlieferung.

Nach einem strammen Aufstieg auf circa 2.500 Meter war eine kurze Verschnaufpause drin. Weit in der Ferne konnte man Rauch aufsteigen sehen. Hätte uns zu diesem Zeitpunkt jemand erzählt, dort würde unsere Mittagspause sein – wir hätten wahrscheinlich lachend den Kopf geschüttelt.

Ein 70-jähriger Koreaner als Antreiber

Die Möchtegern-Instagram-Influencerinnen hatten wir bereits weit hinter uns gelassen – genauso wie die poppigen Beats aus ihren Musikboxen. Das war dem straffen Zeitplan zu danken, mit dem Mr. Lee, ein Dauerteilnehmer von Tuk, unermüdlich die Truppe antrieb. Der 70 Jahre alte Koreaner hatte etwas Geheimnisvolles an sich: Obwohl er so etwas wie der Antreiber war, wissen wir bis heute keinen Vornamen von ihm. Nur das „Mr.“ durfte nie fehlen.

Der Weg wurde leichter, fast ebenerdig. Wir erreichten schließlich die Feuerstelle und stärkten uns mit geräucherten Sandwiches. Ins Staunen kamen wir, als mehrere Gruppen mit schwerer Campingausrüstung an uns vorbeizogen – mitten im Winter!

Mr. Lee gab das Zeichen zum Aufbruch, und die nächsten 200 Meter zeigten uns unsere körperlichen Grenzen auf. Wir waren zwar kurz vor dem Ziel, aber Spaß hatten wir mit unserer Amateur-Ausrüstung nicht mehr. Aus einer gemütlichen Wanderung durch die Berge war mittlerweile eine Klettertour geworden.

Doch dann, am Ziel, belohnte uns das Highlight unserer Tour: ein 25 Meter großer gefrorener Wasserfall. Einige Kerben verrieten, dass sich hier sogar schon Eiskletterer probiert hatten. Noch schöner als die Eiswand aber war der Blick auf das Gebirge des Ala-Artscha. Auch wenn es nicht möglich ist, alle 36 Berge des Nationalparks zu überblicken, die über 4.000 Meter messen – der Blick lud trotzdem zum Verweilen ein.

Zeltlager von Berg-Eroberern

Wieder am Feuer angekommen, mussten wir uns zuerst die Hände wärmen. Nicht weit von der Feuerstelle, am Ak-Sai-Gletscher, befindet sich auf rund 3.200 Metern Höhe ein Basislager für Alpinisten, das noch aus der Sowjetzeit stammt. Dort, in der „Ratsek-Hütte“, wurden Generationen junger Bergsteiger ausgebildet. Man kann darin übernachten, muss jedoch eigene Verpflegung mitbringen. Bei der Hütte entsteht immer noch jeden Sommer ein Zeltlager von Berg-Eroberern.

Wir hatten noch ungefähr ein Drittel des Rückweges vor uns, als Mr. Lee den Vorschlag machte, noch den Berg zu unserer Rechten zu besteigen und auf der anderen Seite abzusteigen. Wir nahmen die Herausforderung an, stellten aber schnell fest, dass es jetzt gar keinen ausgeschriebenen Wanderweg mehr gab, nur noch große Gesteinsbrocken, die aus dem Tiefschnee herausragten.

Eine gute weitere Stunde verstrich, bis wir unser letztes Etappenziel erreichten. Der Blick war atemberaubend. Wir machten es uns in den Wachholderbüschen bequem und teilten eine Packung Nüsse zur Stärkung. Es war so still, dass einzig der Wind zu hören war, wie er durch die Gräser pfiff. Um uns herum lag ein 360-Grad-Panoramabild.

Ala-Artscha fordert alle Kräfte

Beim Abstieg, nach nunmehr sechs Stunden in den Bergen, verließen uns dann die Kräfte vollends. Wir bewegten uns nur noch stolpernd vorwärts. Der letzte Kilometer war der steilste, der Boden eisig, und ohne Widerhaken unter den Füßen ging es streckenweise nur auf dem Hosenboden bergab.

In Bischkek wieder angekommen, gab es als erstes zwei Tassen warmen Kaffee. Der Lärm der Stadt hatte uns wieder eingeholt, saubere Luft war auch wieder rar. Was uns blieb, waren die wunderschönen Bilder, extreme Müdigkeit, und leichte Schürfwunden an den Händen. Wohingegen Mr. Lee morgen wieder auf dem Berg stehen und die nächste Truppe Amateure anfeuern wird.

Lukas Kunzmann

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Der Club Tuk plant seine Trips immer einen Monat im Voraus, alle Informationen gibt es auf (http://tuk.kg) und auf ihrer Facebook- und Instagram-Seite, alles auf Russisch und Englisch. Wenn man sich für ein Angebot entschieden hat, sollte man sich bis Donnerstag bei ihnen melden, denn sind es zu wenige Leute, müssen sie die Reise absagen. Für einen Tagestrip, wie wir ihn geplant hatten, zahlt man 450 Som (umgerechnet etwa 7 Euro). Wenn man öfter Trips machen möchte, lohnt sich eine monatliche Mitgliedschaft, denn für diese bekommt man Ermäßigungen auf jeden Ausflug.

Des Weiteren bietet der Öko-Tourismus-Club viele weitere Tages- und Mehrtagesausflüge rund um Bischkek an. Beispielsweise geht es mit Tuk auch mal zur Ratsek-Hütte, zu den Red Bridge Canyons (Konorchok), oder den Heißen Quellen.

Ob zu Fuß, mit Schneeschuhen, auf Skiern, dem Fahrrad, oder sogar auf Pferden – Tuk bietet eine umfassende Vielfalt an Touren mit nicht weniger als 50 verschiedenen Angeboten. Man muss einfach den aktuellen Monatsplan auf Facebook checken und die Jungs anschreiben.

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