Klingelnde Telefone, surrende Faxe und eine Masse von zu beantwortenden E-Mails – wen es neben kopflastiger Büroarbeit mal nach etwas Ruhe und Einsamkeit in der Natur verlangt, dem kann man sofort ohne groß zu überlegen den Zweitagesausflug von Almaty in den Nationalpark „Altyn Emel’“ als Heilmittel empfehlen.

/Die Reisegruppe vor den Roten Bergen./

Altyn Emel‘ heißt soviel wie „Goldener Sattel“ und erhielt seinen Namen nach einer alten Legende: Im Jahre 1219 soll Dschinghis Khan mit seinen Truppen auf einem Gebirgszug vor der Ili-Ebene gestanden und gesagt haben, er fühle sich wie auf einem goldenen Sattel. Inmitten der weiten Steppenlandschaft erstreckt sich der 1996 gegründete Nationalpark vom Nordufer des Stausees Kapschagai und entlang des Ili-Flusses oberhalb der Mündung in den See.

Eine Fahrtzeit von drei bis vier Stunden von Almaty über den Archarly-Paß muss man allerdings einberechnen, je nach Gefährt und Fahrer. Was die Grundvoraussetzungen angeht, hatte unsere Reisegruppe Glück: Unser erfahrener Kraftfahrer Marat von der Reiseagentur „Eco-Tourism“ manövrierte uns mit seinem kampferprobten allradbetriebenen Mitsubishi Delica sicher durch alle Steppen- und Wüstenwege.

Wie wenig es doch braucht, um von einer pulsierenden hektischen Großstadt wie Almaty in die absolute Stille und Weite der Steppe zu gelangen, ist beeindruckend. Mit einem kleinen Rucksack für die Übernachtung gerüstet, und etwas Proviant ging es ins Unbekannte….

Die Roten und Weissen Berge

Mit den am Fenster vorbeisausenden Märkten, hupenden Autos und röhrenden Bussen fiel auch die Unruhe des Alltags ab. Als wir nach einer Pause am malerischen Stausee Kapschagai die scheinbar endlose Steppe erreicht hatten, schien es, als hätten wir auch einen Teil der Zivilisation hinter uns gelassen. Kilometerweit nichts als Sand, Steppe und trockenes Buschwerk. Unser erster Halt war ein kasachisches Dorf namens „Basschi“, von hier starten die Touren mit den Geländewagen in den Nationalpark „Altyn Emel“. Zur Stärkung wurde uns in der gleichnamigen Unterkunft ein köstliches, viel zu reichhaltiges Mittagessen aufgetischt. Ohne unseren eifrigen Fahrer Marat, der uns zur Eile antrieb, hätten wohl einige lieber eine Siesta vorgezogen. Aber Marat und der gestrenge Wildhüter hoben mahnend den Finger: „Schnell! Der Tag ist kurz! Wir dürfen nicht in die Dunkelheit kommen!“ Unsere nächste Station waren die Weißen, „Aktau“, und Roten Berge, „Katutau“ genannt. Der Mitsubishi Delica war tapfer und hielt so manchem Schlagloch stand, bis wir in der Ferne von der Sonne weiß glitzernde, wie von Schnee bedeckte Berge erblickten. Eine einmalig schöne, karge und ein wenig bizarre Steppenlandschaft inmitten von Nichts. Die weiße Farbe der Berge stammt von den weißen Gipskristallen, ein wenig erinnern die Berge daher auch an Kreidefelsen. Unweit der Weißen Berge befinden sich auch die sogenannten Roten Berge, die wir von weitem an den markanten Rotverfärbungen in den Schichten des Felsgesteins und der Erde erkannten. Ursache der Rotfärbung wiederum soll der hohe Eisengehalt der Ablagerungen sein. Zusammen mit der herbstlichen Vegetation war diese natürliche Gesteinsfärbung wie ein buntes Naturschauspiel. Vor dieser gewaltigen Kulisse wurde uns erst richtig bewusst, dass es diese urtümliche menschenleere Landschaft schon Jahrtausende und Jahrmillionen gibt.

Beeindruckende Flora und Fauna

Die trockene karge Felslandschaft ist Heimat vieler Tiere, die sich an die rauen Lebensbedingungen in der Steppe angepasst haben und streng geschützt sind. So kann man hier neben Raubvögeln in der Luft (Lämmergeier, Schlangenadler), auch Eidechsen im Sand oder seltene Kulane aufspüren, bei etwas Glück.

Trotzdem scheint die Ausgedörrtheit der Erde hier kein Dauerzustand zu sein: Spuren von Wasserläufen, die an manchen Stellen zu reißenden Schmelzflüssen wurden, waren tief in das feste Sandgestein eingegraben. Für einen Augenblick hätte man vergessen können, dass es inmitten dieser unglaublichen Stille noch andere Menschen auf der Welt gibt.

Ein Tier allerdings fühlte sich auf unserem Rückweg nach Basschi von unserem heranbrausenden Geländewagen in seiner selig widerkäuenden Nachmittagsruhe gestört: ein sichtlich überrascht und empört dreinschauendes Dromedar tauchte unerwartet am Straßenrand auf und machte keine Anstalten zu fliehen.

Der Gesang der Sanddüne

Eine besondere Attraktion und geradezu eine „Wüstenschönheit“ erwartete uns am Folgetag: Wir wollten schließlich die berühmte „Singende Düne“ sehen, von der berichtet wird, dass bei Zusammentreffen verschiedener Winde aus mehreren Himmelsrichtungen tiefe dröhnende Laute aus ihrem Innern zu hören sind. Der guten Ausschilderung zu den „Pojustschije Barchany“ folgend, leuchtete die 150 m hohe und 3 km breite Sanddüne inmitten der Steppe von Altyn Emel schon von weitem.

Sie befindet sich unweit der östlichen Ausläufer des Kapschagai-Stausees, der hier wieder in das natürliche Flussbett des Ili-Flusses übergeht. Voller Begeisterung stürzten wir uns in den feinen gelben Wüstensand und erklommen nach einer halben Stunde den schmalen Kamm und höchsten Punkt der Sanddüne. Von dort bot sich ein atemberaubender Blick auf die umliegenden Berge, die Steppe und das Wasser des schimmernden Ili. In der Höhe kreisten Adler und Geier auf der Suche nach Nahrung. Der feine Wüstensand lagert sich unerklärlicherweise durch die Winde aus weit entfernten Wüstengebieten ab. Ganz oben war es so still, als wenn sämtliche Geräusche plötzlich verstummt wären. Die Düne „sang“ jedoch nicht. Also traten wir den Rückweg an. Doch unten am Fuße der Düne hielten wir alle nacheinander inne: Was war das denn für ein Geräusch? Ein tiefes Brummen kam von der Düne, obwohl nur ein leichter Wind ging. Also hatte sie es sich doch noch überlegt und den „Touristen“ ein Abschiedsgeschenk gemacht. Nach diesem ergreifenden Erlebnis fiel uns die Rückkehr in die Zivilisation nun doch etwas schwer…Bis zum nächsten Mal, Altyn Emel’!

Mit freundlicher Unterstützung von Ecotourism. Vielen Dank an Dagmar Schreiber! (www.eco-tourism.kz)

Von Malina Weindl

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