In Europa gibt es unzählige Clubs, Internetforen und Veranstaltungen für Homosexuelle. Jährlich werden in Großstädten wie Köln Christopher-Street-Days (CSD) durchgeführt, TV-Sendungen wie „AndersTrend“ sind speziell auf diese Zielgruppe zugeschnitten. Die gleichgeschlechtliche Liebe wird in Europa weitgehend akzeptiert. In Kasachstan ist es dagegen noch ein weiter Weg bis zur Akzeptanz von Homosexualität.

Folgende Zeilen stammen aus einer Zeitung in Kasachstan im April 2006: Eine besorgte Mutter wendet sich an die Zeitung „Komsomolskaja Prawda, Kasachstan“ und fragt in der Ratgeberecke, wie sie ihren jungen Sohn gegen den „neuen Trend zum Schwulsein“ schützen kann. Die „Expertin“ antwortet, ganz im Ernst, die Mutter solle doch jeden Tag betonen, dass er der Mann im Haus ist und ihn zu Reparaturarbeiten ermahnen. Weiterhin solle sie ihn täglich daran erinnern, dass „er später als Erwachsener eine junge Frau nach Hause bringen und Kinder mit ihr zeugen wird“. Die Betonung liegt natürlich auf dem Wort Frau. Am Ende erklärt die „Expertin“ der besorgten Mutter auch noch den Ursprung des Schwulseins: Eine leichte Gehirnerschütterung bei der Geburt sei daran schuld, wenn Kinder sich später homosexuell orientieren.

Abgesehen von der „Expertin“, die lieber nicht als Ratgeberin arbeiten sollte, und der Mutter, die ihren Sohn vor allen „Gefahren“ dieser Welt, inklusive Schwulsein, schützen will, schockiert doch am meisten, dass in Kasachstan Derartiges gedruckt wird. Die Zeitung gehört mit einer Auflage von fast 10.000 Exemplaren zu den meistgelesenen im Land.

Doch dieser Artikel ist kein Einzelfall. Gleichgeschlechtliche Liebe ist im größtenteils muslimischen Kasachstan  verpönt. Sie ist kein Thema in den Zeitungen oder im Fernsehen. Der Christopher-Street-Day (CSD), eine Demonstration für die Rechte der Lesben und Schwulen, würde wahrscheinlich verboten werden. Auf der Internetseite www.gayz.kz, dem Sprachrohr der Szene, werden in ganz Kasachstan lediglich drei Schwulenclubs aufgelistet, einer davon in Almaty. Aber selbst dieser Club, „Real“, ist nur Insidern bekannt und versteckt sich hinter einer Bushaltestelle. Dafür herrscht innen immer eine ausgelassene Stimmung. Homosexuelle feiern und tanzen neben Heteros, jeder kann hier seine Neigungen frei ausleben.

Von Akzeptanz weit entfernt

Kasachstan ist dennoch weit davon entfernt, die gleichgeschlechtliche Liebe zu akzeptieren, geschweige denn, sie in die Gesellschaft zu integrieren. Die Homosexuellen zeigen ihre Liebe nicht öffentlich, im Gegensatz zu vielen heterosexuellen Paaren, die in den Parks und auf den Straßen ihre Zuneigung bekunden. Durch ein „Coming-Out“, das Bekenntnis zur Homosexualität, riskiert man, von seinen Verwandten, Freunden und der Gesellschaft verstoßen und auch verfolgt zu werden. Vor kurzem hat sich ein kasachischer Junge erhängt, nachdem er sich vor seiner Familie geoutet hatte.

Natürlich gibt es auch in Deutschland Menschen und Organisationen, die Homosexuelle nicht gleich behandeln. So beklagt Robert Kastl, Veranstalter des CSD Berlin, gegenüber der Süddeutschen Zeitung, die Kirchen „suggerieren, dass Lesben und Schwule Menschen zweiter Klasse sind.“ Aber in Kasachstan haben die Gays keine Lobby wie in Deutschland.
Zudem beschreibt ein Journalist im Internet die Gesellschaft Kasach-stans als „homophob“, also ängstlich vor Kontakten mit Homosexuellen.

Der Web-Designer Danila, der mit seinem Freund sogar in einer Wohnung lebt, sagt: „Die Gesellschaft ist homophob, das ist sicher. Aber warum genau, das kann ich nicht sagen.“ Seinen vollen Namen möchte er lieber nicht nennen. Trotzdem meint der 25-Jährige, dass das Leben als Schwuler in Almaty durchaus möglich sei. Er würde jedoch niemals seinen Freund in der Öffentlichkeit küssen oder Händchen mit ihm halten, „aber wer braucht schon so etwas? Intimes muss intim bleiben“, erklärt Danila.

In Kasachstan gibt es keine Printmedien oder TV-Sendungen für Homosexuelle. Den Mangel erklärt Danila folgendermaßen: „Niemand, vor allem nicht ein Mensch mit viel Geld, will sein Vermögen in Verbindung mit Homosexualität investieren, das Thema ist stigmatisiert.“
Zumindest aber laut Gesetz sind homosexuelle Beziehungen nicht verboten. Auch gibt es Vorstöße in Sachen Integration: So wurde Anfang des Jahres das erste Gay-Reisebüro in Almaty, „Rainbow Tours“, eröffnet. Dort werden unter anderem Touren für Homosexuelle nach Thailand, Bali oder nach Europa angeboten.

Von Oxana Bytschenko

19/05/06

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