Asiaten essen scharf. So sind sie nämlich, die Asiaten. Und so müssen alle, die welche sind oder so aussehen, konsequent scharf essen, um unser Vorurteil zu bedienen. Befand die italienische Bedienung unseres Lokals und servierte einer Kollegin ohne Nachfrage und Vorankündigung ein viel zu scharfes italienisches Gericht. Unverschämtheit! fand ich. Peinlich! fand die Kollegin!

Wie immer im Leben: Die gut gemeinten Dinge tun anderen meist nicht gut. Da fragt sich, wozu die Migranten Deutsch lernen sollen, wenn sie sowieso nicht gefragt werden, was sie wollen und man sich stattdessen lieber ihren Kopf zerbricht.

Da haben die Pädagogen und Didakten die Rechnung ohne den Wirt gemacht, dem es reicht, dass die Migranten auf das Gericht tippen oder nur die Nummer nennen. Den Kursteil „Restaurantbesuch“ können wir also getrost wieder aus den Lehrbüchern rausstreichen.
Wir kamen just aus einer Fachtagung, in der wir uns an der Frage hungrig reflektiert haben, wie man die Migranten in den Arbeitsmarkt integriert bekommt. Dazu gehört auch Sensibilisierung. Jetzt hatten wir leibhaftig einen Adressaten vor der Nase, an dem wir hätten üben können. Was stellt man also mit einem Kellner an, in dem der Reflex „Asiatin = Gericht über die Grenzen des Erträglichen nachwürzen“, missverstanden als interkulturelle Kompetenz, verankert ist? Wie erklärt man ihm in aller Kürze zwischen Tür und Angel, denn wir hatten Hunger, und Kellner sind immer im Stress, die hochkomplexe Wirklichkeit?

Die sich nämlich wie folgt darstellt: Erstens ist die Kollegin gar keine Asiatin, zumindest nicht im engeren Sinne, sondern Russin. Zweitens ist sie nämlich gar keine Russin, zumindest nicht im engeren Sinne, sondern Burjatin. Da soll man mal als Kellner gut überlegen, wie man einer Burjatin entgegenkommt. Unter einigen Stunden Internetrecherche geht da nichts.
Was einem aber auch nicht weiterhelfen würde, da drittens die meisten Migranten wie auch meine Kollegin nämlich gar keine Sonderbedienung wünschen, weil sie viertens sowieso nicht auffallen wollen, fünftens schon lange in Deutschland leben und bestens integriert sind und sich gern auf andere Kulturen und auch Esskulturen einlassen und sie zudem oft ihrer heimatlichen Essgewohnheiten entwöhnt sind. Außerdem soll man sich sechstens nicht selbst was zusammenreimen, sondern die Leute fragen, was man aber siebtens wegen drittens unterlassen sollte.

Da saß nun meine Kollegin, nachdem sie ihre Extrawurst wieder abtransportieren lassen musste, um ein normales Essen zu bekommen, ohne Gericht da, blickte verlegen ins Leere und aß schließlich allein, da ihr neues Gericht erst kam, als wir schon fertig waren. Ihre Verlegenheit wuchs, weil wir nun auf sie warten mussten. Dabei wollte sie doch nur ganz normal und ohne Umstände mit uns zu Abend essen. Da hat ihr der Kellner einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Die Moral von der Geschicht: Das ist nämlich gar nicht so einfach mit der interkulturellen Kompetenz. Und wenn man nicht genau Bescheid weiß, lässt man es lieber bleiben, bevor man sich daran die Finger oder anderen den Mund verbrennt. Womit man aber nie was falsch machen kann: Nachfragen, einfach nachfragen!

Julia Siebert

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