„Was wird das neue Jahr wohl so bringen?“ – das haben sich zum Jahreswechsel Leute aller Schattierungen gefragt. Besonders für 2009 hat sich gar eine de-facto-Industrie von Vorhersagen, Prognosen und Einschätzungen etabliert, die so ziemlich die einzige sein dürfte, die im Moment Hochkonjunktur hat.

Zweifelsohne ist es notwendig, den Versuch zu unternehmen, die möglichen Entwicklungen für einen bestimmten Zukunftszeitraum vorherzusehen. Das ist ganz einfach die Voraussetzung für ein gerichtetes Verhalten von Unternehmen, Organisationen und uns einfachen Leuten. Gleichwohl handelt es sich um eine praktisch nicht erfüllbare Aufgabe. Im Moment werden nun fast ausschließlich Negativprognosen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung abgegeben. Es ist auf jeden Fall sehr wahrscheinlich, dass dieses Jahr tatsächlich ein schwieriges wird. Im Moment ist es aber eben nur „wahrscheinlich“, und mit zu viel Negativprognosen kann man die Stimmung auch erst in die negative Richtung bewegen. Im Moment allerdings weist eine Vielzahl von Indikatoren – das sind vereinfacht gesagt unscharfe Kenngrößen – aber eher auf „problematisch“ hin. So gehen beispielsweise die Aufträge für die Industrie deutlich zurück, was bei längerem Anhalten früher oder später zu größeren Entlassungen von Mitarbeitern und damit zu sozialen Aufgaben führen wird. Die Probleme werden jedenfalls nach Land und Branche sehr differenziert ausfallen. Auf jeden Fall wird der Bankensektor in den meisten Ländern an Bedeutung verlieren und sich wieder stärker als in den letzten etwa 15 Jahren auf seine ureigenste Aufgabe, also die Kreditversorgung der Realwirtschaft, konzentrieren. Damit ist zugleich gesagt, dass vor allem überzogene Renditeerwartungen von nicht weniger als 25 % der Vergangenheit angehören werden. Hier wird demnach eine spürbare Schrumpfung mit Entlassungen im Schlepptau eintreten. Dieser Vorgang hat ja bereits begonnen.

Im Realsektor, also dort, wo physisch Waren und Dienstleistungen erzeugt werden, wird sich die Lage differenziert entwickeln. Weniger stark werden wohl die Dienstleistungsbereiche – vor allem die für die Bevölkerung – leiden, dafür um so mehr die sogenannten zyklischen Branchen. Das sind jene Produktionen, deren Erzeugnisse die Verbraucher jetzt gar nicht oder erst nach mehr oder weniger langem Hinausschieben kaufen.

Klassisches Beispiel dafür ist die Autobranche: Hier wird der vorhandene Wagen eben noch ein oder zwei Jahre länger gefahren, man verzichtet also vorerst auf den Kauf eines neuen. Deshalb wird insbesondere dieser Wirtschaftszweig mit besonders vielen Problemen konfrontiert werden. Die Branche wird am Ende des neuen Jahres wohl anders aussehen als heute. Zum einen ist keinesfalls sicher, dass die drei großen amerikanischen Produzenten Chrysler, Ford und General Motors mit Opel trotz Finanzhilfen des Staates noch weiterbestehen werden. Zum anderen vermelden auch die in der jüngeren Vergangenheit wesentlich erfolgreicheren Autokonzerne enorme Absatzprobleme. Der Branchenprimus Toyota vermeldet erstmals in seiner Firmengeschichte die Wahrscheinlichkeit von Verlusten. Die großen deutschen Autobauer verzeichnen einen deutlichen Nachfragerückgang, der allerdings zu einem großen Teil hausgemacht ist. Mit zu großen, verbrauchsintensiven Modellen hat man zwar in den letzten Jahrzehnten Markterfolge erzielen können, für die energiesparende und umweltfreundliche Zukunft ist man aber nur schlecht gerüstet. Andere Unternehmen, insbesondere französische, stehen wesentlich besser da.

Spannend ist die Frage, ob die gewaltigen finanziellen Mittel, die die Regierungen rund um den Erdball nun in die Wirtschaft pumpen, auch wirklich den erwarteten Belebungseffekt erzielen. Berechtigte Zweifel betreffen vor allem den verunsicherten Verbraucher. Der ist beileibe kein rationales Wesen, sondern unterliegt Stimmungen und Gerüchten, wahren und falschen Informationen. Er wird durch seine Haltung zum Konsum das Schicksal nicht nur des aktuellen Konjunkturzyklusses, sondern in bestimmtem Maße auch das der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung beeinflussen. Zumindest für einige Zeit könnte eine kritische Haltung breiterer Schichten der Bevölkerung gegenüber dem Kapitalismus bestimmte Fehlentwicklungen desselben verhindern, ohne ihn deshalb grundsätzlich in Frage zu stellen. Daneben wartet alles auf den „Erlöser“ Obama. Auch wenn der real und in kurzer Zeit nicht allzu viel ändern kann, dürfte seine pure Anwesenheit für einen nicht zu unterschätzenden Optimismus sorgen.

Für Kasachstan wird das neue Jahr ebenfalls ein schwieriges. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass die Ölpreise auf Dauer so niedrig bleiben, aber größere Schwankungen sind wahrscheinlich. Jedenfalls liefert die aktuelle Krise den Nachweis dafür, dass das kasachische Modell der Wirtschaftsentwicklung gründlich überholt werden muss. Auf den Mechanismus des kleinen Wirtschaftswunders der vergangenen Jahre sollte man keinesfalls auch in der Zukunft setzen. Schließlich sind Krisen nicht zufällige, sondern durchaus gesetzmäßige und regelmäßig wiederkehrende Begleiterscheinungen unserer modernen Lebensart. Diese Krise wird Kasachstan allerdings wohl eher nicht gestärkt überstehen. Dazu sind die Sünden der Vergangenheit doch zu groß und kurzfristig nicht reparierbar.
Dennoch: auf ein Neues!

Bodo Lochmann

09/01/09

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