Bereits seit neun Jahren arbeitet Akhat Alpysbayev in Frankfurt am Main. Seit einem Jahr ist er als Generalkonsul für etwa 350.000 Personen aus Kasachstan in den Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Saarland Ansprechpartner. Im Gespräch mit der DAZ berichtet er über Schwerpunkte seiner Arbeit, beurteilt das Modernisierungs- und Diversifizierungsprogramm der kasachischen Regierung und schätzt das Potenzial für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Hessen und Kasachstan ein.

/Bild: privat . ‚Akhat Alpysbayev, Generalkonsul der Republik Kasachstan in Frankfurt am Main.’/

2011 leitet Kasachstan sowohl die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) als auch die Organisation der Islamischen Konferenz. Welche Themen stehen auf den Agenden und welche Erwartungen verbinden Sie mit den Vorsitzen?

Kasachstan übernimmt den Vorsitz in der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) entsprechend dem Motto des Präsidenten Nursultan Nasarbajew „10 Jahre auf dem Weg der Sicherheit und Zusammenarbeit“ mit größter Verantwortung.

Er hat deshalb eine interbehördliche Arbeitsgruppe gegründet, die in diesem Zeitraum für die Bereiche Politik, regionale Sicherheit, wirtschaftliche und humanitäre Zusammenarbeit, internationale Kontakte sowie die Vorbereitung und Durchführung des Gipfeltreffens der SOZ am 15. Juni 2011 verantwortlich ist. Vor zehn Jahren – am 15. Juni 2001 – wurde die SOZ gegründet. Dies Jubiläum soll entsprechend begangen werden.

Im Rahmen des kasachischen Vorsitzes sind ungefähr 90 verschiedene Veranstaltungen und Programme geplant, die die Beziehungen, die Kooperation und Koordination zwischen den SOZ-Staaten festigen und intensivieren sollen. Wir hoffen damit, neue Akzente und Impulse zu setzen sowie praktische Ergebnisse hervorzubringen.

Bezüglich der Organisation der Islamischen Konferenz möchten wir für eine Annäherung der Positionen der Teilnehmerstaaten werben, den Dialog zwischen Ost und West vertiefen sowie ein Klima des Vertrauens und Verständnisses schaffen. Kasachstan möchte seine positiven Erfahrungen aus dem OSZE-Vorsitz des letzten Jahres einbringen und mit seinen Partnern in der Organisation der Islamischen Konferenz zusammenarbeiten.

Kasachstan richtete vom 30. Januar bis 06. Februar 2011 in Astana und Almaty die 7. Asiatischen Winterspiele aus. Welche Infrastrukturprogramme wurden dafür aufgelegt und mit welchen Folgen für die Entwicklung des Tourismus rechnen Sie für die kommenden Jahre?

Für die Entwicklung der Infrastruktur wurden mehr als eine Milliarde US-Dollar veranschlagt. Es wurden ein neuer Sportpalast mit Plätzen für bis zu 15.000 Zuschauer, Sprungschanzen, ein Biathlon-Stadion sowie ein Olympisches Dorf gebaut. Ebenfalls wurden die Eissportbahn Medeo, das Skizentrum Tschimbulak und der Sportpalast Baluan Sholak renoviert. Insgesamt kämpften 2.500 Sportler aus 45 Ländern in 11 Disziplinen um 163 Medaillen. Diese 7.

Asiatischen Winterspiele sind neben Werbung und Marketing für Kasachstan eine interessante und wichtige Erfahrung, da wir uns damit auch als Ausrichter für die 24. Olympischen Winterspiele im Jahr 2022 empfehlen möchten. Natürlich hoffen wir auch auf positive Effekte für die Entwicklung der Tourismusbranche.

Wie beurteilen Sie das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der 56 Mitgliedsländer der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vom Dezember 2010 in Astana?

Dieses Gipfeltreffen, an dem auf Initiative des Präsidenten der Republik Kasachstan 56 Staats- und Regierungschefs der OSZE-Staaten teilgenommen haben, hat mehr Ergebnisse gezeitigt, als wir erwartet haben. Der letzte Gipfel fand vor elf Jahren statt. In dieser Zeit hat sich die Welt verändert. Die politische Landkarte Europas und Asiens ist eine andere geworden. Die Wirtschaft einiger Länder hat sich sehr dynamisch entwickelt. Auf der anderen Seite haben wir alle mit Herausforderungen wie der Weltwirtschaftskrise, dem Terrorismus und dem Drogenhandel zu kämpfen. Diese Erscheinungen erfordern, dass die Sicherheitspolitik neu durchdacht, formuliert und definiert werden muss. Es handelt sich dabei um die Schaffung eines einheitlichen Sicherheitsraumes, der jeweils von Ozean zu Ozean reicht. In den 35 Jahren, die seit der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki verstrichen sind, ist klar geworden, dass wir heute vom euroasiatischen Sicherheitsraum sprechen müssen, der das alte Europa, Zentralasien und den Kaukasus beinhaltet.

Astana hat auch die Konturen einer organisatorisch-inhaltlichen Evolution der OSZE klar aufgezeigt, die auf eine sich wandelnde Welt mit ihren neuen Herausforderungen schnell und effektiv reagieren muss. Ebenfalls haben sich die Staats- und Regierungschefs mit der strategischen Sicherheitsperspektive der euroatlantischen und euroasiatischen Gemeinschaften auseinandergesetzt. Einige Dokumente – wie möglicherweise auch die Deklaration von Astana – können unter Umständen nur aus der Retrospektive mit einer gewissen zeitlichen Distanz entsprechend bewertet werden.

Sie sind seit 2010 Generalkonsul in Frankfurt. Wo werden Sie bei Ihrer Arbeit Schwerpunkte setzen?

Ich arbeite schon seit neun Jahren in Frankfurt am Main und bin für den konsularischen Schutz unserer Mitbürger verantwortlich. Für etwa 350.000 Personen aus Kasachstan in den Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Saarland sind wir Ansprechpartner.

Die Hauptaufgaben des Frankfurter Generalkonsulats sind der rechtliche Schutz und der Schutz der Interessen der Bürger der Republik Kasachstan. Neben Dienstleistungen wie der konsularischen Anmeldung der Bürger, der Reisepassausgabe und notariellen Handlungen besteht unsere Tätigkeit in analytischer Arbeit und Investitionsbeschaffungen.

Neben dieser Tätigkeit sehen wir eine noch intensivere und breitere Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie Kultur und Tourismus als unsere Aufgabe an. Aus diesen Gründen werde ich in Kürze meinen Antrittsbesuch bei den Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland antreten.

Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Ernst Pfister hat Kasachstan als das ökonomische Kraftzentrum Zentralasiens bezeichnet. Welche Erfolge hat das für den Zeitraum 2010 bis 2014 mit 50 Milliarden US-Dollar ausgestattete Modernisierungs- und Diversifizierungsprogramm der kasachischen Regierung bereits gezeitigt?

Im Rahmen der Realisierung dieses Programms muss Kasachstan seine Arbeitsproduktivität steigern und das Bruttoinlandprodukt von 2008 als Referenzjahr um 50 Prozent erhöhen. Kasachstan muss zu 100 Prozent seine Produkte im Inland verarbeiten und den Export von Fertigprodukten um bis zu 40 Prozent steigern. Die Energieeffizienz soll ebenfalls erhöht werden. Der Anteil der innovativen Unternehmen an der Gesamtwirtschaft muss um zehn Prozent gesteigert werden.

Für die Realisierung des Staatsprogramms 2010 bis 2014 ist das Zusammenspiel von Staat und freiem Unternehmertum bei Investitionsentscheidungen und Infrastrukturprojekten wichtig, die Erschließung von Industriegebieten und Sonderwirtschaftszonen haben Priorität. Neben den wirtschaftlichen Perspektiven ist es auch die politische Stabilität in Zentralasien, die das Land für ausländische Investoren attraktiv macht.

Wie schätzen Sie die Situation der kasachischen Geldinstitute ein? Liegt der ehemalige GUS-Musterschüler im Bankensektor wieder auf Wachstumskurs?

Ja, mit der langsamen Erholung der Weltwirtschaft hat sich auch die Situation auf dem kasachischen Bankenmarkt verbessert. Im Allgemeinen geht man von einem Wachstum von zehn bis zwölf Prozent aus. Insgesamt gibt es über 30 Banken in Kasachstan. Neben den zwei größten, der Kazkommertzbank und der Bank Tural Alem, ist eine deutliche Aufwertung der staatlichen Development Bank of Kazakhstan zu verzeichnen.

Sie ist vorrangig bei der Umsetzung von Großprojekten in den Bereichen Energie, Infrastruktur, Metallurgie, Chemie und Pharmazie, Petrolchemie, dem Maschinenbau sowie in der Baubranche tätig. Nach Angaben des Vorsitzenden der Nationalbank Kasachstans Herrn Martschenko war das vergangene Jahr eines der stabilsten für den kasachischen Devisenmarkt. Auch die übrigen Banken liegen wieder auf Wachstumskurs.

Die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern sind in Kasachstan sehr aktiv, Sachsen ebenfalls. Hessen dagegen könnte stärker mit Kasachstan zusammenarbeiten. Wo sehen Sie Potenzial für ein stärkeres Engagement Wiesbadens?

Baden-Württemberg und auch Bayern sind ja auch schon länger in Kasachstan tätig. Aber selbstverständlich sehen wir in dem Bundesland Hessen, das ja zu den wirtschaftlich führenden Industrie- und Dienstleistungsregionen in der Bundesrepublik Deutschland gehört, einen wichtigen Partner mit einem großen Potenzial. Frankfurt ist mit seinen 236 Banken und 43 Repräsentanzen von Geldinstituten sowie seinen zahlreichen Versicherungen, dem Sitz der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Börse das führende

Finanzdienstleistungszentrum Kontinentaleuropas. Der Frankfurter Flughafen ist eine ideale Drehscheibe für den Handel und Austausch zwischen den Ländern der Europäischen Union und Kasachstan. Und die hessische Industrie erwirtschaftet ja 50 Prozent ihres Umsatzes durch den Export. Auch die Frankfurter Messe ist mit einer Vielzahl von Ausstellungen und Veranstaltungen für uns sehr interessant.

Im Januar 2011 habe ich bei dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier meinen Antrittsbesuch absolviert. Dabei wurde auch der offizielle Besuch einer hessischen Wirtschaftsdelegation in Kasachstan unter Leitung des Ministerpräsidenten für 2011 oder 2012 diskutiert. Und in Kürze werde ich dieses Thema auch mit dem hessischen Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung Dieter Posch besprechen.

Und für dieses Jahr plant eine Wirtschaftsdelegation aus Kassel eine Reise nach Kasachstan. Die Gespräche mit dem Wiesbadener Parlament laufen, der Flughafen Hahn gewinnt für den Güterverkehr immer mehr an Bedeutung. Erst kürzlich hat eine Fuldaer Musikgruppe Kasachstan besucht.

Gibt es in Kasachstan Pläne für den Bau von modernen Forschungs- und Wissenschaftszentren?

Jeder Staat in der Welt strebt danach, seine Wirtschaft und Technologie zu modernisieren, um seine Konkurrenzfähigkeit in der Weltwirtschaft zu erhöhen. So auch Kasachstan. Das „Zentrum für Engineering und Technologietransfer“ in den Städten Astana, Almaty, Karaganda, Uralsk, Schimkent, Öskemen und Pawlodar hat sich auf die industriell-innovative Entwicklung spezialisiert. Diese Technoparks sind die größten in ganz Zentralasien. In diesem Zusammenhang lade ich deutsche Firmen zur Zusammenarbeit mit den Technoparks ein.

Wertschöpfungstiefe, Arbeitsplatzgenerierung, Technologietransfer und Zuliefertiefe sind auch für die kasachische Wirtschaft Themen. Hat man Kasachstan zu lange als Absatzmarkt und Energielieferant unterschätzt?

Nach traditioneller Auffassung ist Kasachstan der Rolle des Rohstofflieferanten schon lange entwachsen und hat sich als Industrieland und Produktionsstandort etabliert. Die staatlichen Programme dienen der weiteren Modernisierung und Industrialisierung des Landes. Der Transformationsprozess ist jedoch noch nicht angeschlossen. Ebenso wird der Übergang der Bevölkerung in eine moderne Industrie-, Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Doch insgesamt gesehen befindet sich Kasachstan auf einem guten Weg.

Interview: Konstantin Dallibor

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