Ich versuche, tiefer, aktiver und konstruktiver in die politische Gestaltung und Meinungsbildung einzusteigen, berichtete ich in der letzten Ausgabe. Seither habe ich ein bisschen geübt. Bislang ohne Erfolg!

Das „ZEIT Magazin“ hat uns Leser aufgefordert, über den Inhalt einer der nächsten Ausgaben mitzubestimmen. „Adhocracy“ nennt sich das. Au ja, die Idee finde ich super. Ich finde das Wort „Adhocracy“ todschick, dann bin ich sowieso grad auf dem Partizipations-Demokratie-Trip, und zudem schleppe ich noch so viele ungelöste Fragen zum Leben und zur Welt mit mir herum, dass ich gerne eine davon an das „ZEIT Magazin“ delegiere. Jetzt heißt es, gründlich zu überlegen, welche Frage es sein darf, denn man hat schließlich nicht alle Tage die Gelegenheit, eine Frage von schlauen Journalisten beleuchten zu lassen, so mit kritischen Hintergrundrecherchen, frechen Fragen und tiefen Einblicken hinter die Kulissen. Es darf keine Frage sein, die ich mit ein bisschen Eifer durchs Selbernachdenken, über Internetrecherche oder durch Gespräche mit schlauen Menschen aus meinem Umfeld beantworten könnte.
Sogleich fiel mir eine passende Frage ein, die ich mit meinen Schweizer Freunden schon mal angerissen hatte. Es geht um die Wege der Entscheidungsfindung, wer wann wie welche Idee entwickelt und einbringt, wem sie von wem wie und wann vorgelegt wird, ob als Power- Point-Präsentation, als einzelne Grafik oder als dickes Dokument, ob sie in großer offener Runde fachlich diskutiert oder als Flüsterbotschaft zwischen Tür und Angel ausgehaucht wird, wie damit weiter umgegangen wird, bis dann irgendwann mal jemand am Ende der Fahnenstange, der im Sekundentakt den entscheidungskompetenten Daumen wortlos hebt oder senkt, die Idee abnickt oder vom Tisch wischt.

Höchst interessant, spannend wie ein Krimi, aufregend wie eine Abenteuerfahrt. Finde ich. Und habe dieses Thema umgehend ins Netz gestellt, denn ganz sicher fragen sich dies schon viele andere Menschen und werden erleichtert sein, dass es endlich mal einer offen ausspricht. Damit habe ich meinen Beitrag geleistet, den Rest muss die Zeit richten. Inzwischen ist einige Zeit verstrichen, und ich schaue nach, auf welchem der oberen Plätze im Ranking mein Thema steht. Sicher gibt es ein nervenaufreibendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen meinem tollen Thema und anderen, die womöglich auch nicht so ganz uninteressant sind. Malte ich mir aus. Jedoch – bloß zwei (!) müde Stimmen konnte ich einkassieren. Wie, bitte?!

Doch da hilft es nicht, beleidigt zu sein – eine kritische Analyse wäre angebracht. Ich vermute folgende Fehlerquellen: 1. Ich bin wider besseren Wissens zu egozentrisch an die Sache herangegangen und dem Irrtum erlegen, dass für alle interessant ist, was ich interessant finde. Da habe ich die Rechnung ohne das Volk gemacht. 2. Ich habe mein Thema zu sachlich und nüchtern geschildert. Falsch. Ein Thema braucht einen Slogan, der peppt und provoziert, das weiß doch jedes Kind. 3.

Ich brauche eine Lobbygemeinde. Eine satte Zahl an Stimmen zieht weitere Stimmen fast wie von selbst nach sich. Die Einzelkämpfertour hat sich noch nie bewährt, und dass man nur schwer von 0 auf 100 kommt, ist allseits bekannt. Da heißt es: Nicht aufgeben, sondern üben, üben, üben. Das gilt für alles, auch für die politische Teilhabe.

Julia Siebert

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