In den letzten Jahren wird in Kasachstan mehr in das Bildungswesen investiert als früher und das sowohl von Seiten des Staates als auch von Privaten. Die offizielle Statistik weist aus, dass 3,4 Prozent des BIP in die Bildung fließen – davon 0,3 Prozent in das Hochschulwesen.

International gesehen ist das noch ziemlich wenig. In den meisten entwickelten Staaten werden 5 bis 6 Prozent des BIP für Bildung ausgegeben, Tendenz steigend. Es gibt allerdings in Kasachstan ein durchaus ehrgeiziges Programm, das die Erhöhung der Bildungsausgaben in den nächsten drei Jahren auf bis zu 5 Prozent des BIP vorsieht. Das ist nicht schlecht, allerdings steht immer die Frage nach der Effizienz dieser nicht eben geringen Mittel. Zum einen frisst die Inflation einen Teil des zusätzlichen Geldes auf, zum anderen gibt es nach wie vor zu viele Kanäle, wohin das Geld uneffizient versickern kann.

Bildung – das ist nicht nur Wissen. Möglicherweise wirkt zuviel Wissen sogar eher kreativitätsbremsend. Zumindest ist das kasachische Bildungswesen – einschließlich der Hochschulen – immer noch viel zu stark auf Wissensvermittlung, statt auf das Training von Selbständigkeit, Kritik- und Lernfähigkeit ausgerichtet. Viel zu wenig bilden Kreativität, das Erarbeiten eigener, begründeter Meinungen, das Erlernen von Widerspruch und schöpferischer Streit den Mittelpunkt der Lernstrategien. Nimmt man letztere Kriterien als Maßstab, sinkt die Ausbildungsqualität nach meiner Beobachtung im Lande in letzter Zeit eher weiter. Aber auch beim Beherrschen des normalen Handwerkszeugs, also Wissen in Mathematik, Sprachkompetenz, Beherrschen von Kategorien und ähnlichem, muss man zunehmend Defizite feststellen. Ursachen dafür gibt es viele, eine ganz wesentliche ist das eher nicht ausreichende Qualitätsniveau der Ausbildung von Lehrern einschließlich derer schlechten Bezahlung.

In diesem Jahr wurde der Hochschulsektor durch die sogenannte „Optimierung“ in Atem gehalten. Das wurde als wesentlicher Reformschritt seitens der Regierung propagiert. Verstanden und praktiziert wurde darunter die Verringerung der Anzahl der Hochschulen im Land von fast 200 um etwa 30. Es mag sein, dass das für die notwendige drastische Erhöhung der Ausbildungsqualität notwendig ist. Kritisch zu bemerken ist jedoch, dass für diesen Prozess keinerlei qualitative Kriterien vorhanden waren. Sicher, quantitative Vorgaben gab und gibt es zur Genüge. Das betrifft die Anzahl der notwendigen Fakultäten, die Studentenzahl, die Anzahl von Büchern und Computern und vielem anderen mehr. Auffällig ist, dass vor allem private Hochschulen ins Visier genommen wurden. Man hat den Eindruck, dass diese nun nicht mehr erwünscht sind, nachdem sie Mitte der 1990er Jahre in großer Zahl die notwendige staatliche Lizenz bekommen und eigentlich das Bildungssystem gerettet hatten. Damals wollte der Staat den Bildungssektor zu großen Teilen möglichst schnell loswerden, heute scheinen die privaten Hochschulen eher unerwünscht. Doch die Eigentumsform ist keinesfalls ein Beurteilungskriterium für Qualität oder Nichtqualität – hier wird es munter quer durch den Gemüsegarten gehen. Auch das Argument, dass private Hochschulen nur auf den Profit schielen und deshalb die Ausbildungsqualität vernachlässigen, greift zu kurz. Viele private Einrichtungen, darunter auch die Deutsch-Kasachische Universität, sind gemeinnützig organisiert, das heißt sie verfolgen laut Satzung überhaupt kein Gewinnziel.
Bei den Reformen im Bildungssektor geht es leider wie auch in vielen anderen Bereichen viel zu stark administrativ zu. So ziemlich alles wird von oben vorgegeben und dann sehr kleinlich überprüft. Dahinter steht die Philosophie, dass der Staat mit seinen Beamten schlauer sei als das gemeine Volk. Da es an wirklich öffentlich erarbeiteten und diskutierten Qualitätskriterien fehlt, werden vorwiegend quantitative Kriterien für die Beurteilung von Hochschulen herangezogen. Die aber kann man jederzeit so gestalten beziehungsweise interpretieren, wie man es gerade braucht. Sprich, wenn man Mängel finden will, lässt sich das problemlos organisieren.

Will man das Bildungswesen Kasachstans wirklich in Richtung höchster Ausbildungsqualität reformieren, muss auch der Bewertungsmechanismus reformiert werden. Dabei müssen unabhängige, nicht staatliche Einrichtungen, in starkem Maße Unternehmerverbände, die Ausbildungsqualität beurteilen. Kleine Hochschulen, die jetzt nach den eher formalen Kriterien schnell durch das grobmaschige staatliche Raster fallen, werden  bei Dominanz wirklich qualitativer Kriterien wohl eher besser abschneiden, als die großen und anonymen  Massenuniversitäten.

Bodo Lochmann

21/12/07

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