Der Scharyn-Canyon, 270 Kilometer entfernt von Almaty, vergleichen viele Einheimische mit dem amerikanischen Grand Canyon. DAZ-Gastautorin Kristina Danneil berichtet über ihren Ausflug in die besondere Gebirgslandschaft.

An einem Samstag, noch vor Sonnenaufgang, klingelte mein Wecker. Heute sollte es raus zu den Scharyn-Canyons gehen. Treffpunkt war die Deutsche Botschaft, 7.30 Uhr. Da ich ein wenig außerhalb wohne, musste ich gegen 6.30 Uhr den Bus in die Stadt nehmen. Die ersten zwei Busse fuhren einfach an mir vorbei, weil sie mich nicht gesehen haben. Und das um 6.30 Uhr, bei der Kälte.

Endlich am Treffpunkt und zwar pünktlich, eben typisch deutsch, lernte ich die zehn anderen Mitstreiter kennen. Im Bus angekommen, stellte sich die Reiseleiterin vor. Leider sprach sie ausschließlich russisch und sah ihre Aufgabe darin, uns die ganze Fahrt über etwas zu Almaty und Kasachstan zu erzählen. Mein Russisch befindet sich jedoch erst im Anfangsstadium, so dass ich nicht wirklich etwas verstand. Nun gut, es war ja früh am Morgen, da kann man ja noch ein wenig im Bus schlafen, statt zuhören, so dachte ich. Mein Vorhaben wurde nur leider von der etwas aufdringlichen Stimme eben jener Reiseleiterin gestört. An Schlaf war gar nicht erst zu denken. Vier Stunden Busfahren, auf nicht wirklich gut geteerten Straßen und dann noch die erquickende Stimme der Leiterin, und das alles um 8 Uhr morgens. Dank meines zufälligen Sitznachbarn gab es trotzdem einiges zu lachen. Der „verstehst du, was die da auf Russisch erzählt“-Faktor schweißte uns zusammen. An Gesprächsstoff mangelte es uns nicht, und so verging die Zeit im Bus wie im Flug.

Dann, kurz vor dem Ziel, mussten wir die letzten Kilometer durch die kasachische Steppe fahren, was bedeutete, keine Straße, kein Weg, nur Schnee, Matsch, Gras und Schlaglöcher. Nach circa drei Minuten durften wir alle das erste Mal den Bus anschieben. Dies wiederholten wir dann noch so einige Male. Endlich am Ziel angekommen, dachte man sich wohl, den Touris ein erstes Highlight zu präsentieren: eine Busfahrt entlang der Klippe. Welch tolle Idee! Ich sah mich schon mit dem Bus unten in Trümmern liegen.

Doch als wir dann aus dem Bus ausstiegen, wurde mir erstmals die unglaublich faszinierende Landschaft um mich herum bewusst. So etwas Atemberaubendes hatte ich selten gesehen. Und dazu noch das traumhafte Wetter, strahlender Sonnenschein, klarer blauer Himmel, und es war nicht einmal kalt. Vergessen war die durchdringende Stimme der Reiseleiterin, vergessen war die Busfahrt entlang der Schlucht. Allein wegen des Panoramas hat sich all das gelohnt. Nachdem ich die ersten 100 Bilder verschossen habe, machten wir uns auf, den Canyon hinabzusteigen. Einen richtigen Weg gab es nicht. Aber diese Tatsache störte niemanden. Unten heil angekommen, war das Panorama wieder so fantastisch, dass ich wohl die nächsten 100 Bilder verschossen habe.

Die Reiseleiterin, deren Stimme nun auch noch durch den Canyon schallte, erklärte uns, welche Gebilde sich in den hervorstehenden Steinen darboten: „Rechts sehen Sie eine Eule“. „Bitte was? Wo? Erkennst du da eine Eule?“, so dachte die Gruppe. Mit ein wenig Fantasie konnte man wirklich so einiges in den Steinen erkennen. Aber nicht immer das, was uns die Reiseleiterin erzählte. Und von der Eule fehlt bis heute noch jegliche Spur.

Felsklettern in Kasachstan

Nach circa einer guten Stunde kamen wir an einem Fluss an, wo wir 30 Minuten Pause machten. Es war einfach nur herrlich, am Flussufer zu sitzen, die Sonne zu genießen und sich diese wunderschöne Landschaft zu Gemüte zu führen. Einfach nur dasitzen und das Panorama wirken lassen.

Nach 30-minütiger totaler Entspannung machten wir uns auf den Rückweg. Wir konnten nun wählen, ob wir den gleichen Weg zurücknehmen wollen, oder aber einen anderen, jedoch etwas schwierigeren Weg bevorzugen würden. Wir entschieden uns für die zweite Variante. ´So schwierig wird es ja schon nicht werden´, so dachte wohl nicht nur ich. Nachdem wir die ersten, mehr oder weniger leichten Hürden genommen hatten, kamen wir an einer Felswand an. Diese sollten wir hinaufklettern. Die ersten begaben sich direkt an die Felswand, der Großteil jedoch blieb stehen und weigerte sich, dort hinaufzusteigen. Auch ich war in der Verweigerer-Gruppe. Es gehört definitiv nicht zu meinen Stärken, eine Felswand in Kasachstan zu besteigen. Also wurde beschlossen, dass wir uns aufteilen: Die einen gingen den Anfangsweg einfach wieder zurück, die anderen kletterten die Felswand hoch. Nach circa einer Stunde kamen beide Gruppen unversehrt am Treffpunkt an. Dort erwartete uns auch schon der Bus. Wir schossen noch ein paar Bilder und dann ging es wieder zurück Richtung Almaty.

Turbulente Rückfahrt

Wieder standen uns vier Stunden Busfahrt bevor. Aber dieses Mal ohne eine vierstündige Reportage der Reiseleiterin über Almaty und Kasachstan in Russisch. Auch mussten wir den Bus nur einmal anschieben. Womöglich könnte man ja jetzt einmal im Bus schlafen? Da alle ein wenig erschöpft waren, war es zudem auch angenehm ruhig. Doch kaum auf der regulären Straße angekommen, hatte ich das Gefühl, dass der Busfahrer es auf einmal ziemlich eilig hatte. Statt Schlaf regte sich jetzt Unruhe in mir. Jede Pause, die wir machten, genoss ich richtig und konnte mich etwas entspannen. Gegen acht Uhr abends kamen wir in Almaty heil wieder an. Die Erschöpfung war wohl jedem anzusehen. Wir tauschten noch ein paar Eindrücke und Telefonnummern aus, verabschiedeten uns und fuhren dann nach Hause.

Als der Wecker gegen sechs Uhr morgens klingelte, dachte ich, ob sich das frühe Aufstehen wohl lohnen wird? Doch wenn ich den ganzen Tag Revue passieren lasse, muss ich sagen, dass es ein unglaubliches Erlebnis war, das ich jedem nur empfehlen kann. Gerade die Tatsache, dass dieser Ausflug nicht so typisch deutsch war, verlieh ihm seinen besonderen Charme. Und natürlich der Blick entlang des Canyons, im Hintergrund die Berge von China, einfach einmalig. Einfach unvergesslich!

Von Kristina Danneil

23/02/07

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