Almaty gehört zu den Städten mit dem höchsten Grad an Luftverschmutzung. Das ist seit langem bekannt, kein Staatsgeheimnis, darüber wird geschrieben und manchmal auch diskutiert. Bekannt ist auch die Tatsache, dass die Berge rings um die Stadt eine Lösung des Problems durch die normale Luftzirkulation erschweren und dass der Autoverkehr zu über 80 Prozent Verursacher der Luftverschmutzung ist.

Jüngste Umfragen beweisen, dass die Almatyner dieses Problem kennen: etwa zwei Drittel gaben an, dass sie über die Luftverschmutzung Bescheid wissen. 82 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass zu wenig zur Lösung des Problems getan werde,
80 Prozent sind der Überzeugung, dass sich die Situation negativ auf ihre Gesundheit auswirke. Diese Zahlen verwundern nicht. Schließlich ist die schlechte Luft täglich um uns und von den Bergen aus für jeden eindrucksvoll als dunkle Dunstglocke zu sehen.
Leider ist die Befragung nicht hinsichtlich des Willens des Einzelnen, etwas gegen die Luftverschmutzung zu tun, weitergeführt worden. Es kann deshalb nur vermutet werden, dass die Mehrzahl der Befragten natürlich nicht vom Auto – egal ob als besonders umweltschädlicher Jeep oder als Taxi – lassen möchte und dafür die unterschiedlichsten Gründe anführen würde.

Die Verantwortung für den eigentlich unhaltbaren, aber dennoch teilweise lösbaren Zustand wird natürlich der Stadtverwaltung zugeordnet, was sicher auch richtig ist, jedoch nur teilweise. Nun kann ich nicht beurteilen, ob die Stadtväter wirklich alles tun, um die Luftqualität zu verbessern. Viele kleinere Beispiele deuten eher darauf hin, dass dies nicht mit ausreichender Konsequenz geschieht.

Große Hoffnungen auf Entlastung werden auf die Metro gerichtet, die schon vor zwei oder drei Jahren fertig sein sollte. Die Tatsache, dass sich die Fertigstellung des bereits zu Sowjetzeiten begonnenen Baus immer weiter hinausschiebt, ist nicht verwunderlich. Bei Projekten dieser Größenordnung ist eine Korrektur der Zeit- und Finanzpläne Richtung Verlängerung und Verteuerung auch in den westlichen Staaten eher die Norm. Im Moment ist der bisher im Bau befindliche erste Strang der Metro zu 64 Prozent fertiggestellt, 97 Prozent der vorbereitenden Erdarbeiten (Tunnelbohren) sind beendet. Es wird also noch einige Zeit ins Land gehen, bis die Metro wenigstens eine Teilentlastung bringt. Der Optimist schätzt mal fünf Jahre.

Die Frage stellt sich aber noch anders. War es eigentlich sinnvoll, auf die Metro als zentrales Objekt der Verkehrsentlastung der Stadt zu setzen, oder gab es andere Optionen?
Vor etwa zehn Jahren gab es dazu schon mal eine – wenn auch nur kleine – öffentliche Debatte. Damals waren Schnellstraßenbahnen und erdgasbetriebene Busse als bevorzugte Variante im Gespräch. Auch waren EU-Mittel zum Auffinden der optimalsten Lösungsvariante bereitgestellt, die dann aber zu einem Großteil verschwunden waren.

Sicher hat die Metro als unterirdische Transportvariante Vorteile, vor allem die Flächenersparniss in einer kompakt bebauten Stadt. Doch die Nachteile wiegen schwer: bereits die Plankosten sind etwa fünfmal höher als bei einer Oberflächenvariante. Die Entscheidung für die Metro ist wohl aus einem Gemisch aus Sowjetnostalgie, Grundstücksgeschäften in der beginnenden Bauboomphase, blindem Glauben an die Fortschrittlichkeit von PKW und allgemeinem Hang zur nichtausreichenden Rationalität entstanden.

Wie dem auch sei, beim heutigen Baustand kann man kaum noch zurück. Das Milliardengrab Metro muss wohl fertiggestellt werden. Nur: die Verkehrs- und Luftprobleme werden dadurch keinesfalls gelöst. Dazu wäre ein integrierter Verkehrsplan notwendig, der auch administrative Maßnahmen der Verringerung des PKW-Aufkommens, vor allem jedoch den abgestimmten Ausbau mehrerer öffentlicher Verkehrsmittel vorsähe. Darunter müssen auch solche sein, die die große Politik wohl eher nicht als sexy einstuft, also Schnelltrams und erdgasbetriebene Busse auf eigener Spur und mit eigener Ampelschaltung.

Bodo Lochmann

30/04/10

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