Die meisten makroökonomischen Kennziffern Kasachstans sehen für die ersten neun Monate dieses Jahres nicht schlecht aus. Das BIP wächst fast wieder in Raten, die man vor der Finanzkrise gewohnt war, im Moment mit etwa 7%. Das ist zwar auf das deutliche Ansteigen der Weltmarktpreise für Rohstoffe zurückzuführen, doch das Geld klingelt erst einmal in der Kasse. Auch den sonstigen, also nicht rohstofforientierten Segmenten der Wirtschaft geht es normal bis gut. In der Landwirtschaft gibt es allerdings das Problem, dass man nicht weiß, wie man die gute Ernte sicher lagern soll. Die Frage der Lagerkapazitäten steht schon seit einiger Zeit und ist bisher nicht befriedigend gelöst worden, was sich bei guten Ernten dann negativ bemerkbar macht.

Das große Sorgenkind der Volkswirtschaft bleibt der Bankensektor, der infolge seiner Querschnittfunktionen eine besondere Rolle einnimmt. Zur Erinnerung: in den Jahren seit etwa 2000 bis zum Ausbruch der kasachstanischen Hypothekenkrise in 2007 hatte sich die Qualität des Kreditportfolios „zielstrebig“ verschlechtert. Die Ursache dafür war die leichtfertige Vergabe von Krediten in alle Himmelsrichtungen durch die meisten kasachstanischen Banken. Die internationale Finanzkrise 2008 – 2009 hat die damit verbundenen Liquiditätsprobleme natürlich verstärkt, aber in Kasachstan ursächlich nicht ausgelöst. Zwei „systembildende“ Banken mussten vom Staat mit viel Geld gerettet werden, die Kreditvergabe des Bankensektors insgesamt kam fast zum Erliegen.

Große Hoffnungen hinsichtlich der Gesundung des Bankensektors wurden mit der vor etwa einem Jahr abgeschlossenen Restrukturierung der Verbindlichkeiten der wichtigsten Problembanken verknüpft. Restrukturierung bedeutet das Erreichen von Absprachen mit den Gläubigern der Banken hinsichtlich der Streckung, Aussetzung, Annullierung oder Zinsreduzierung der vereinbarten, aber infolge Geldmangels nicht realisierbaren Rückzahlung erhaltener Finanzmittel. Die Restrukturierung soll den Banken die Möglichkeit geben, nicht Bankrott zu gehen, sondern wirtschaftlich über einen längeren Zeitraum wieder auf die Beine zu kommen und dann die ausstehenden Schulden zu begleichen.

Ein Jahr nach der erfolgten Restrukturierung der Schulden der wichtigsten Problembanken ist einzuschätzen, dass bisher noch keine spürbare Verbesserung eingetreten ist. Zwar hat sich eine Reihe finanzieller Kennziffern durchaus verbessert, eine durchgehende Gesundung steht aber noch aus. 11 von 39 Banken schreiben nach wie vor Verluste, sind in ihrer Existenz also gefährdet. Unverändert problemtisch ist die Situation in der Problembank Nr. 1, also der BTA-Bank. Der Anteil von Krediten, deren Rückzahlung in unterschiedlichem Maße in den Sternen steht, beträgt hier etwa drei Viertel aller ausgegebenen Kredite. Die Rückzahlung ausgegebener Kredite ist aber eine zentrale Quelle der Refinanzierung der laufenden Kreditoperationen. Für den Bankensektor insgesamt hat sich die Qualität des Kreditportfolios, also die Relationen zwischen gesunden und problematischen Krediten, im letzten Jahr nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert. Die günstige gesamtwirtschaftliche Lage hat also keinesfalls automatisch zu einer Verbesserung der Situation auch im Bankensektor geführt. Das war aber die Hoffnung vieler politisch Verantwortlicher. Im Falle BTA-Bank kommt noch hinzu, dass gegenwärtig drei der nach der Verstaatlichung der Bank eingesetzten Topmanager der Veruntreuung von 100 Mio. Dollar beschuldigt werden. Das ist natürlich für die gebeutelte Bank wohl mehr als nur ein Schlag ins Gesicht. Die Hoffnung, dass sich unter solchen Umständen ein ausländischer Investor für diese oder andere Problembanken finden wird, dürfte vorerst Illusion bleiben.

Die Gesundung des hiesigen Bankensektors wird wohl kaum über den normalen Weg der Wiederbelebung der wirtschaftlichen Aktivitäten gelingen. Ohne eine radikale Lösung des Problems der vielen faulen Kredite dürfte der Bankensektor auf absehbare Zeit Problembereich Nr. 1 bleiben.

Bodo Lochmann

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