Besonders in Almaty und Astana sieht man zahlreiche begonnene Bauprojekte, auf denen schon seit Monaten kein Bauarbeiter mehr tätig ist. Das Geld zum Weiterbauen fehlt. Nach Jahren des ungebremsten Wachstums steckt die kasachstanische Baubranche derzeit in der Krise.

/Foto: David Weisenborn/

Seit Sommer 2007 erschüttert die „Subprime-Krise“, mit immer noch nicht genau abschätzbaren Auswirkungen, die globale Bankenwirtschaft. Die gesteigerte Sensibilität und Aufmerksamkeit der Kreditinstitute konzentrierte sich besonders auf boomende Märkte. Der jungen kasachstanischen Bankenwirtschaft wurde teilweise das Vertrauen und damit auch die ausländischen Kredite entzogen, weil in einigen Fällen grobe Fehler bei der Kreditvergabe begangen worden sind.

Vetternwirtschaft und Korruption

Die Kreditinstitute akzeptierten riskante Verhältnisse zwischen Eigen-und Fremdkapital (25 Prozent zu 75 Prozent), Bonitätsprüfungen erfolgten nur oberflächlich und unregelmäßig, Kredite wurden ohne reale Sicherheiten vergeben und Investitionsportfolios waren nicht adäquat diversifiziert. Vetternwirtschaft und Korruption taten ein Übriges, um diese Probleme zu verschärfen.

Hinzu kommt, dass der kasachstanische Bankensektor nur auf relativ geringe inländische Einlagen zurückgreifen kann und damit in hohem Maße von ausländischen Krediten abhängt. Die Zurückhaltung der ausländischen Investoren führte zu einem enormen Liquiditätseinbruch. Durch Kreditrückzahlungen in Höhe von circa 11 Milliarden US-Dollar für 2007 und 2008 steigt der Druck auf die kasachstanischen Banken zusätzlich.

Ausgehend von diesem Liquiditätsengpass bei den Banken befindet sich die kasachstanische Bau- und Immobilienwirtschaft in einer substantiellen Phase der Reorganisation. Es ist bereits jetzt erkennbar, dass sich aufgrund der enormen Abhängigkeit von ausländischem Investitionskapital, auch die Methoden und Geschäftspraktiken durchsetzen, die in der westlichen Welt üblich sind. Eine „Professionalisierung und Spezialisierung“ nach modernen Standards von der Investitionsphase über die Planungsphase bis hin zur Ausführungsphase ist damit unumgänglich und notwendig.

Das Schicksal vieler Projekte ist ungewiss

Viele Bauprojekte sind für unbestimmte Zeit „auf Eis gelegt“ – man nimmt eine eher abwartende Haltung ein. Neue Kredite werden nur selten und erst nach umfangreicher Prüfung im Rahmen verschärfter Kreditvergaberichtlinien vergeben. Einige Bauprojekte, die kurz vor ihrer Fertigstellung stehen, werden bevorzugt vorangebracht. Das Schicksal vieler anderer Projekte ist jedoch ungewiss. Die Regierung hat mit einem Sofortmaßnahmenprogramm circa 70 Projekte in Astana und circa 50 Projekte in Almaty mit Hilfe von Krediten unterstützt, damit die Bauwirtschaft nicht zum Erliegen kommt. Präsident Nursultan Nasarbajew spricht offiziell nicht von einer Krise, sondern nur von einer „Anpassung der Wachstumsraten an westliche Standards…“ Tatsächlich konsolidiert die Bau- und Immobilienbranche gerade auf ein angemessenes Niveau mit positiven Auswirkungen auf die Kosten für Planungsleistungen, Ausführungsleistungen, Baustoffpreise sowie die Miet- und Verkaufspreise für Immobilien.

Es wurde an der falschen Stelle gespart

Die kasachstanische Bau- und Immobilienwirtschaft war bis zum Sommer 2007 eine recht sichere Investitionsplattform, die enorme Gewinne und Wachstumsraten bei niedrigen Eintrittsbeschränkungen versprach. Dieser Umstand führte dazu, dass besonders „unprofessionelle“ und branchenfremde Investoren, Planer und Bauausführungs-unternehmen angezogen wurden, die allein auf die Erzielung schneller Profite und weniger auf die Erstellung guter und nachhaltiger Bauwerke fokussiert waren. Grundregeln der Investitionslehre, des Projektmanagements und der Bauausführung wurden verletzt, um möglichst schnell Profite abzuschöpfen. Es wurde an der falschen Stelle gespart!

Zusätzlich wurden durch die künstliche Verknappung von Grundstücken die Preise für Immobilien in unverhältnismäßige Sphären katapultiert. Diese Blase, die besonders viel Fantasie enthielt, generiert ein denkbar schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis für Immobilien. Eine derartige Entwicklung ist alles andere als nachhaltig wertschöpfend und führt volkswirtschaftlich in eine Sackgasse.

Weiterhin interessant für ausländische Investitionen

Tatsächlich besteht während der derzeit abgeschwächten und ruhigen Konjunktur eine gute Chance, über zweckmäßige Reformansätze nachzudenken, um eine nachhaltige, international wettbewerbsfähige Bau- und Immobilienbranche zu entwickeln. Der derzeitige Gesundschrumpfungsprozess der überhitzten Immobilienwirtschaft erscheint notwendig.

Wenn sich die kasachstanische Bankenbranche in ihren Geschäftspraktiken und -prozessen an westlichen Standards orientiert und damit mehr Sicherheit und Vertrauen generieren kann, bleibt Kasachstan ein außerordentlich interessanter Anwärter für ausländische Investitionen. Aus diesem Grund ist es für ausländische Unternehmen, die neben dem Wissenstransfer auch an fairen und zukunftsorientierten Investitionen interessiert sind, sinnvoll, ihre Leistungen in Kasachstan anzubieten.

Die Autoren arbeiten für die KVL Bauconsult GmbH in Kasachstan, www.kvl-bauconsult.com

Von Dr.-Ing. Markus Viering und David Weisenborn

13/06/08

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