Rankings, also das Feststellen des Platzes, den man (ein Land, ein Unternehmen, ein Produkt u.ä.) in einem Vergleich einnimmt, sind ein verbreitetes Instrument zum Bewerten der eigenen Leistungsfähigkeit oder andersherum, des Rückstandes, den man zu vergleichbaren Subjekten hat.

Zu allgemein interessierenden Fragen, wie z. B. die Qualität der Schulbildung, werden in den meisten westlichen Ländern solche vergleichende nBewertungen in der Presse abgedruckt und in der Öffentlichkeit meist intensiv diskutiert.

Das ist in Kasachstan prinzipiell nicht anders. Zwar treibt im Moment das Aufstellen von Rankings einige übertriebene Blüten, aber das ist dann nicht weiter problematisch, wenn das Instrument insgesamt Nutzen bringt. Nach einem solchen Ranking liegt Kasachstan mit seinen makroökonomischen Kennziffern gegenwärtig etwa auf Platz 60 von etwa 190 bewerteten Ländern. Formal erst einmal nicht schlecht, und dieser Fakt wird ja in entsprechenden Kreisen von Politikern und Wissenschaftlern doch regelmäßig als gute Ausgangsbasis für die weitere Entwicklung interpretiert. Das ist auch nicht falsch, obwohl doch bei genauerem Hinschauen die Rückstände zu den Positionen bis 50 doch recht erheblich sind.

Andere Ist-Positionen werden hierzulande weit weniger gerne gezeigt und diskutiert, was auch wieder verständlich ist, gibt es doch da eine ganze Reihe von sehr erheblichen Rückständen.

So nimmt Kasachstan beim Lebensniveau, das mit einer Vielzahl materiell-finanzieller und nichtmaterieller Kennziffern gemessen wird, im Moment Position 107 ein. Ursachen dafür sind u.a. das nach wie vor niedrige Niveau des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf der Bevölkerung, die geringe durchschnittliche Lebensdauer der Bevölkerung, die hohe Kindersterblichkeit und die geringen Ausgaben für das Gesundheitswesen. Die im Moment richtigerweise vielzitierte Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und das Aufrücken in die 50 am meisten entwickelten Länder müssten sich aber vor allem in Fortschritten in diesem Parameter ausdrücken.

Die Messung des Entwicklungsstandes des Staatswesens, der sich u.a. auch in der Qualität der Bedienung der Bevölkerung als Kunden des Staates und nicht als eine Art „Opfer“ der Beamten manifestiert, zeigt Kasachstan auf Position 111. In dieser Frage sind Russland und Belorussland, aber auch Usbekistan und gar Turkmenistan von den GUS-Staaten höher eingestuft.

Trübe sieht es insbesondere beim Aufbau der institutionellen Grundlagen für eine Demokratisierung der Gesellschaft Kasachstans aus. Hier ist Platz 152 zu verzeichnen, was davon zeugt, dass es hier noch viele Baustellen geben muss und in der Zukunft hoffentlich auch geben wird.

Diese und eine Vielzahl weiterer hochinteressanter Fragen und Bewertungern sind nachzulesen im „Politischen Atlas der Gegenwart“, der vor kurzem in Almaty vom russischen Experten Prof. Melvilja vorgestellt wurde. Die Einordnung Kasachstans, wie auch jedes anderen bewerteten Landes, erfolgt auf der Grundlage offizieller statistischer Angaben der UNO, der WTO, der UNESCO, der Weltbank und anderer neutraler internationaler Organisationen.

Die Bewertung der Länder wird in diesem „Atlas“ sehr komplex vorgenommen, der Blick wird nicht nur auf die Wirtschaftsdaten verengt.

Die fünf Bewertungskomplexe sind

–    die Qualität und Effektivität des Staatsdienstes
–    die Fähigkeit des Staates, auf innere und äußere Herausforderungen zu reagieren
–    das Herangehen an die Umweltproblematik
–    die Sicherung eines hohen Lebensniveaus der Bevölkerung
–    das institutionelle Potenzial einer demokratischen Entwicklung.

Sicher, die Wirtschaft und deren Entwicklung schaffen für eine ganze Reihe von aktuellen Problemen erst die Möglichkeit ihrer Lösung. Doch Wirtschaft ist eben im Leben eines Volkes bei weitem nicht alles. An diese Betrachtungsweise wird man sich in Kasachstan mindestens gewöhnen müssen. Besser wäre es aber, sich die umfassenderen Betrachtungsweisen aktiv selbst anzueignen und das System der Bewertungen von Fortschritten und Erreichtem breiter zu fassen, als das bisher geschieht.

Bodo Lochmann

25/05/07

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