Olaf Hoyer und Livia Stegemann aus Bonn haben sich ein Jahr Auszeit vom Arbeitsalltag genommen und fahren mit dem Fahrrad bis nach Südostasien. Michael Schöpf aus Koblenz ist auf dem Weg nach Ulan-Bator. In der kasachischen Steppe haben sich die drei Radreisenden aus Deutschland getroffen und radeln nun gemeinsam.

/Bild: Olaf Hoyer. ‚Abends sitzen die Radfahrer vor ihren Zelten, kochen, reden und schöpfen Kraft für die nächste Etappe.’/

Kasachische Steppe. 40 Grad im Schatten. Theoretisch. Denn Schatten gibt es nicht. Dafür Wind, frontal von vorne. Und am Horizont verschmilzt der blaue Himmel mit dem trockenen Gestein zu einer flimmernden Linie. Das einzige, was hier einen dunklen Abdruck auf dem heißen Asphalt hinterlässt, sind drei Fahrräder. Und darauf mühsam strampelnde Beine. Treten, treten, treten. Obwohl die Oberschenkel schmerzen, obwohl der Wind bremst und die Landschaft scheinbar auf der Stelle steht.

Es gibt Tage wie diese, sagt Livia Stegemann aus Bonn. Tage an denen sie sich fragt: „Warum tue ich mir das an? Da habe ich ein Sabbatjahr und kämpfe mich seit Wochen durch die Steppe, warum liege ich nicht irgendwo am Strand?“ Anfang April dieses Jahres ist die 30-Jährige zusammen mit ihrem Freund Olaf Hoyer aufs Fahrrad gestiegen und losgefahren. Festgelegt haben sich die beiden im Prinzip zunächst nur auf ihre Reisedauer, ein Jahr, und die Himmelrichtung – immer gen Osten. Anvisiert als erstes großes Etappenziel hatten die beiden Almaty. Und ab da sollte neu geplant werden. Anfang August sind die beiden nach vier Monaten Reise in Almaty eingerollt. Unterwegs hatten Livia und Olaf überlegt von hier durch China nach Südostasien zu reisen – aber dann kam Michael.

Nadelöhr Kasachstan – nur eine Straße führt nach Osten

Michael Schöpf kommt aus Koblenz. Der gebürtige Schweizer ist Anfang April in Deutschland aufgebrochen, auch er hat Kilometer um Kilometer Rumänien, die Ukraine, Russland und ganz Kasachstan „erfahren“. Große Teile der 8.300 Kilometer von Koblenz bis Almaty ist der 32-Jährige alleine gereist. Erst in der kasachischen Steppe ist er dann auf andere Radreisende getroffen. Zwei davon waren Olaf und Livia. Dabei waren die zwei für Michael keine Unbekannten. Schon vor seiner Abreise war der Schweizer im Internet auf den Blog der beiden gestoßen und hatte im Gästebuch eine Nachricht hinterlassen, dass er zur selben Zeit auf der gleichen Strecke unterwegs sein würde. „Aber eine Antwort habe ich nicht bekommen“, beschwert sich Michael mit einem Augenzwinkern bei Olaf und Livia.

„Ab der kasachischen Grenze wussten wir eigentlich immer, wie viele andere Radfahrer unterwegs sind und welchen Vorsprung sie haben“, erklärt Olaf. Wenn sie nachmittags in der Steppe in den Tschaichanas verharrten, bis die größte Hitze vorüber war, wurden sie von den Steppenbewohnern stets gewissenhaft über die anderen verrückten Ausländer informiert, die kürzlich auf Fahrrädern dort vorbeigekommen waren. „Das liegt daran, dass es nur eine richtige Straße gibt, die durch die Steppe führt“, sagt Livia. Und auf der war auch Michael unterwegs. In Turkistan checkten Livia und Olaf ausnahmsweise im Hotel ein. „Auf dem schwarzen Steinboden im Foyer konnte ich staubige Reifenabdrücke sehen, da wusste ich, die anderen sind schon da!“, erinnert sich Olaf. Nach einigem Wortwechsel über den Verlauf der Reise war dann klar, dass Livia und Olaf „die beiden Bonner“ sind, sagt Michael. Ab Taras waren die drei dann gemeinsam unterwegs.

Michael träumt schon seit langem davon, durch die Mongolei zu reisen. So begeistert ist der Schweizer von der Idee, die ursprünglichen Weiten der Mongolei zu entdecken, dass er Livia und Olaf mit seinen Reiseplänen angesteckt hat. Zusammen fahren die drei jetzt nach Ulan-Bator. Von dort wird Michael sein Rad in die Transsibirische Eisenbahn laden und gen Heimat ruckeln. Livia und Olaf fahren weiter. Vorausgesetzt, sie bekommen ihre Visa.

Visa. Eines der leidigen Themen auf der Reise. Seit gut zwei Wochen sind die drei Abenteurer jetzt schon in Almaty, um ihre Visa für Russland und die Mongolei zu beantragen. „Bald bekommen wir einen „Stadtkoller“, scherzen die drei. Nach Monaten auf der Straße und Übernachtungen im Zelt werden Olaf, Michael und Livia in der Stadt langsam unruhig. Es zieht sie zurück auf die Räder. „Auch wenn ich mir dann bestimmt mal wieder einen Milchkaffee oder eine warme Dusche wünsche“, prognostiziert Livia, die sich selbstironisch als die „Prinzessin“ des Trios bezeichnet.

Der Strom kommt aus dem Solarladegerät

Für Schminkkasten und Absatzschuhe ist in den Radtaschen kein Platz, dafür bedarf es zu viel anderer nützlicher Dinge, wie Kocher, Zelt, Schlafsack, Regenkleidung, Mini-Laptop, Solarladegerät oder elektrische Zahnbürsten. Letztere seien „unser ganz persönlicher Luxus“, sagt Olaf schmunzelnd. Bei der Ausrüstung haben die drei nichts dem Zufall überlassen. Monate, teilweise schon Jahre im Voraus wurden Ausrüstungsgegenstände gekauft und auf kürzeren Reisen getestet. Trotzdem: „Ich glaube, ich habe schon 15 Mal einen Platten geflickt“, sagt Michael, der in Deutschland in einem Trekkinggeschäft arbeitet. Aber auch wenn das Rad mal kollabiert oder der Portier im russischen Saratow das ersehnte Hotelzimmer wegen einer angeblich fehlenden Registrierung verwehrt, „irgendwie kommt man immer durch“, resümiert Livia. Nicht zuletzt mit der Hilfe der einheimischen Bevölkerung.

In Russland wurden die drei oft von der Straße weg nach Hause eingeladen. Und als Livia und Olaf sich bei peitschendem Regen durch die kasachische Steppe kämpften, lud ein türkischer LKW-Fahrer ihre Räder kurzerhand auf die Ladefläche, beherbergte sie in der komfortablen Fahrerkabine und weckte die beiden am nächsten Morgen mit einem opulenten Frühstück.
„Es ist großartig, immer wieder zu erleben, dass besonders die Menschen, die am wenigsten haben, uns mit Begeisterung weiterhelfen“, sagt Olaf. Für diese Momente lohnt sich der Kampf gegen Wind und Berge und das Anstehen für Visa, sagt Michael und fügt hinzu: „Dass du es immer wieder schaffst, diese Herausforderungen zu überwinden, das ist das eigentliche Abenteuer.“

Von Jennifer Brandt

21/08/09

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