Der deutsche Botschafter Gebhardt Weiss zieht ein Jahr nach seinem Amtsantritt Bilanz. Im Gespräch mit der DAZ spricht er über den Umzug der Botschaft, die Chancen und Risiken für deutsche Unternehmer in Kasachstan und das besondere Interesse des Auswärtigen Amtes an Stabilität in Kasachstan und der Region.

Herr Weiss, wie haben Sie sich eingelebt, welches Fazit ziehen Sie nach einem Jahr hier vor Ort?

Der Anfang in einem neuen Land ist natürlich immer sehr von der vorherigen Station geprägt. Ich war Botschafter in Kroatien und habe bei meiner Arbeit mit den Auswirkungen des Balkankrieges zu tun gehabt und auch schon Erfahrungen in einem Transitionsland. Kasachstan bietet für mich Woche für Woche neue Facetten. Nach längerem Aufenthalt hier merkt man sehr schnell, dass die Zentren Almaty und Astana ein ganz anderer Maßstab sind als der restliche Teil des Landes, da besteht ein erheblicher Kontrast.

Wie steht es um den Umzug der Deutschen Botschaft nach Astana?

Ich arbeite seit Juli diesen Jahres bereits in Astana, die deutsche Botschaft hat dort eine Außenstelle. Persönlich hätte ich mich gefreut, wenn die gesamte deutsche Botschaft schon diesen Herbst umgezogen wäre. Aber ich hoffe, dass wir im Mai oder Juni 2006 in das neue Gebäude einziehen und dann unsere Arbeit mit der ganzen Mannschaft aufnehmen können. Mir gefällt Astana etwas besser als Almaty, und ich finde es gut, mit welchem Selbstbewusstsein man von kasachischer Seite zeigt, dass noch viel getan werden muss, bevor die neue Hauptstadt eine richtige Hauptstadt ist.

Stichwort Wirtschaftskooperationen zwischen Deutschland und Kasachstan. Wie schätzen Sie die Investitionsbedingungen für deutsche Firmen hier vor Ort im Moment ein?

Es besteht immer noch Verbesserungsbedarf. Mit 500 Millionen Dollar steht Deutschland nur an zwölften Stelle bei ausländischen Direktinvestititionen, denn deutsche Firmen sind sehr risikobewusst. Die Rahmenbedingungen für ausländisches Engagement müssen in Kasachstan weiter verbessert werden. Es lohnt sich, hier zu investieren, doch es scheint immer noch nicht leicht genug, eine Firma zu gründen. Zu einer guten Partnerschaft gehört auch, über die Probleme offen zu sprechen. So müssen die administrativen Prozeduren vereinfacht werden. Für das Sicherheitsbedürfnis der Investoren im Streitfall sind außerdem Justizreformen, etwa bei den Wirtschaftsgerichten, dringend nötig. Ein anderes Problem sind die sogenannten „unkalkulierbaren Nebenkosten“, die Korruption. Kasachstan belegt in dieser Beziehung einen der Spitzenplätze in der Welt. Auch müssen die Wettbewerbsregeln strenger beachtet werden und gleiche Bedingungen für alle Wettbewerber auf dem Markt entstehen. Ich denke aber, dass gerade im Bereich Umweltschutz und alternative Energien Deutschland einen guten Beitrag in Kasachstan leisten kann.

Sind aus Ihrer Sicht der Fall des bis vor kurzem inhaftierten deutschen Geschäftsmannes Juri Wegelin und der Druck, der auf Lufthansa ausgeübt wird, Rückschritte der kasachischen Öffnung, die deutsche Investoren vorsichtiger machen sollten?

Ich finde, man sollte der kasachischen Seite klar sagen, dass solche Ereignisse Rückwirkungen auf das deutsche Risikobewusstsein und die Investitionsbereitschaft haben können. Von deutscher Seite wird da maximale Fairness erwartet, ohne dass das Gefühl aufkommt, staatliche Organe handelten hier willkürlich. Ähnlich gelagert ist es mit der Strategie der kasachischen Regierung, ausländische Luftlinien nach Astana zu verlagern. Zum derzeitigen Zeitpunkt ist es beispielsweise für Lufthansa einfach noch nicht ökonomisch sinnvoll, Astana öfter als zweimal pro Woche anzufliegen.

Welche Rolle spielt Kasachstan in der deutschen Außenpolitik?

Auf den ersten Blick scheinen Zentralasien und auch Kasachstan natürlich weit weg, was die deutschen außenpolitischen Interessen betrifft. Doch Deutschland hat ein besonderes Interesse an der Stabilität in Kasachstan und der Region. Man geht davon aus, dass ein Drittel der noch hier lebenden 250.000 Deutschstämmigen im Krisenfalle nach Deutschland ausreisen würden. Und das ist für Deutschland ein weit konkreterer Aspekt als beispielsweise der Drogenhandel, der Terrorismus und Fragen des Energiesektors.

Welche Pläne haben Sie für Ihr zweites Jahr als deutscher Botschafter in Kasachstan?

Im kommenden Jahr wollen wir eine mehr europäisch ausgerichtete Politik praktizieren. Dazu gehört auch, Unterstützung beim Vorantreiben der zentralasiatischen Integration zu leisten und den Fachdialog anzuregen. Die in der EU gemachten Erfahrungen der Integration können in Zentralasien hilfreich sein. Weiter wird die Botschaft die Kulturarbeit vor Ort stärker unterstützen. Pro Jahr vergeben wir zudem 80.000 Visa, die sehr geringe Bearbeitungszeit von drei Tagen wollen wir unbedingt beibehalten!

Herr Weiss, gestatten Sie uns eine letzte Frage: Was gefällt Ihnen persönlich ganz besonders an Zentralasien?

Als jüngerer Mann habe ich mit Begeisterung die Romane von Fritz Mühlenweg gelesen, der in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts über Zentralasien, die Karawanen, die Atmosphäre auf den Basaren schrieb. Heute finde ich es ganz besonders schön, wenn ich hier und da diese Relikte des alten Orients wiederentdecke.

Herr Weiss, wir danken für das Gespräch.

Interview: Cornelia Riedel

07/10/05

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