Eigen- und Fremdeinschätzung klaffen oft weit auseinander. Das scheint auch für Politiker zu gelten, wie den Hoffnungsträger des letzten Jahres Barack Obama. Die Durchschnittsamerikaner sehen ihn und seine Leistungen wesentlich kritischer als er selbst, wie die neusten Umfragen belegen. Diese Diskrepanz ist kaum verwunderlich, schließlich hat der Mann nicht nur die aktuelle Krise zu bewältigen, sondern auch noch massenhaft strukturelle Probleme, die seine Vorgänger über mehrere Jahrzehnte angehäuft haben.

An den Erfolgen im ersten Jahr der Präsidentschaft Obama, kommt niemand vorbei: die Wirtschaft ist wieder auf Wachstumskurs, in diesem Jahr soll ein Plus von über drei Prozent erreicht werden. Die schlimmste Panik an den Finanzmärkten seit Generationen ist unter Kontrolle. Die ursprünglich dafür eingeplanten staatlichen Finanzmittel wurden bei weitem nicht in Anspruch genommen. Die unterstützten Großbanken haben mittlerweile die Hilfe ganz oder teilweise zurückgezahlt.

Auch das Außenhandelsdefizit hat sich etwas verringert, was den Dollar wieder stärkt. Nicht zuletzt hat ein nennenswerter Teil der Amerikaner sich wieder einer Tugend zugewandt, die in den Boomjahren der Vorkrisenjahre eher verpönt war – dem Sparen. Zwar ist die Sparquote mit etwa sechs Prozent noch relativ gering, aber immerhin ist der Anfang getan.

Diesen Erfolgen steht eine ganze Reihe trüber Fakten entgegen. Zuallererst die mit zehn Prozent ziemlich hohe Arbeitslosigkeit. Das ist ein negativer Rekordwert für die USA in den letzten Jahrzehnten. Problematisch ist diese Zahl vor allem, weil es in den USA – anders als in Europa – keine flächendeckende Arbeitslosenversicherung gibt. Infolge der kaum vorhandenen Ersparnisse und des zusätzlich hohen Schuldenstandes der meisten Haushalte führt die Arbeitslosigkeit in den USA schnell zu einem Desaster, nämlich zur Zahlungsunfähigkeit und Verarmung.

Der zweite Schwachpunkt der Obama-Bilanz ist das enorme Loch im Staatshaushalt. Das Defizit für das Haushaltsjahr 2009 beträgt nicht weniger als 11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das ist ein Wert, wie ihn Griechenland aufweist. Allerdings ist der Gesamtschuldenstand der USA mit etwa 90 Prozent deutlich geringer als der mancher europäischer Staaten oder Japans mit ca. 200 Prozent des BIP.

Auch in den USA entwickelt sich nun eine Diskussion um die Frage, ob der Staat Pleite gehen könne bzw. welche Folgen eine Zahlungsunfähigkeit haben würde. Damit diese erst einmal nicht droht, wurde Anfang des Jahres die zulässige Schuldenobergrenze des Staates auf nunmehr 12,4 Billionen Dollar angehoben. Diskutiert werden nun auch Möglichkeiten der Erhöhung der Staatseinnahmen. So wird abgewogen, ob die Einführung einer Mehrwertsteuer, einer neuen Energiesteuer, einer höheren Einkommenssteuer oder höheren Börsenumsatzsteuer zur Lösung des Problems beitragen.

Alle Arten von Steuererhöhungen bergen sowohl sozialen als auch politischen Zündstoff. Hier rächt sich die offensichtlich allzu großzügige Steuersenkungspolitik von Obamas Vorgängern, die nicht zur erwarteten Entfesselung der Wirtschaft und damit zu einem höheren Steuerzufluss geführt hat.

Mittlerweile ist die auch für Kasachstan so wichtige Erkenntnis Allgemeingut, dass der öffentliche Sektor nicht unbegrenzt einspringen kann, um die Probleme des privaten Sektors zu lösen. Dafür sind nicht genügend öffentliche Mittel verfügbar. Auch der private Sektor muss seinen Beitrag zur Lösung der Arbeitsmarkt- und Strukturprobleme leisten. Davon ist bisher jedoch wenig zu spüren.

Von den Mitteln des staatlichen Konjunkturprogramms ist in den USA erst ein Drittel ausgegeben, unter anderem deswegen, weil Privatunternehmen diese Mittel nicht nutzen wollen oder marktbedingt nicht können. Als eine Folge breiten sich Armut und Not in der Bevölkerung aus. Die Zahl der Haushalte, die Schwierigkeiten haben, genug Essen auf den Tisch zu bringen, steigt dramatisch an. Rund 36,5 Millionen Amerikaner beziehen mittlerweile Lebensmittelmarken – das Zeichen persönlicher Armut.

Insgesamt also keine berauschende Wirtschaftsbilanz des Hoffnungsträgers. Es bleiben ihm nur noch höchstens zwei Jahre, um diese zu korrigieren. Dann beginnt wieder der Wahlkampf, und die politische Konkurrenz wird ihn vor allem mit den Wirtschaftsdaten jagen.

Bodo Lochmann

19/03/10

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