Der skythische Krieger, der im Vier-Länder-Eck von Russland, Mongolei, Kasachstan und China gefunden wurde, erhitzt die wissenschaftlichen Gemüter. Neben Ötzi ist er der zweite spektakuläre Fund einer Eismumie. Aufgrund des guten Zustands der Mumie erhoffen sich nun Archäologen und Anthropologen neue Erkenntnisse über die Zivilisation der Skythen, deren Lebensbedingungen, Krankheiten und Ernährungsgewohnheiten.

Als 1991 der Tiroler „Ötzi“ aus dem Hauslabjoch-Gletscher an der italienisch-österreichischen Grenze geborgen wurde, machte sich eine Heerschar von Archäologen und Anthropologen an die Untersuchung der 5.300 Jahre alten Überreste des Mannes aus dem Eis. Der Fund galt damals als Sensation und gab Aufschluss über die Lebensweise und kulturelle Entwicklung der frühen Bewohner mitteleuropäischer Hochgebirgsregionen. An einer ganz anderen Stelle der Erde gelangte im Sommer 2006 ein noch spektakuläreres Fundstück ans Tageslicht. Im Altai-Gebirge, das sich im Vier-Länder-Eck von Russland, Mongolei, Kasachstan und China befindet, fanden Archäologen einen skythischen Krieger in voller Montur, samt Grabbeigaben und Opfertieren. Ähnlich wie bei „Ötzi“ hatte der Permafrostboden den Leichnam über Jahrtausende konserviert. Der Fund ermöglicht neue Erkenntnisse über die Zivilisation der Skythen, deren Lebensbedingungen und sogar Krankheiten und Ernährungsgewohnheiten. „Bei der Entdeckung von Ötzi vor 15 Jahren handelte es sich um den Zufallsfund der sterblichen Überreste eines Mannes, der sich vermutlich im Gebirge verlaufen hatte. Der skythische Krieger hingegen wurde nach einem Ritual begraben“, betont Professor Herrmann Parzinger, Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und Leiter der Ausgrabungen in der Mongolei. Dadurch seien zusammen mit der Mumie auch Schmuck, Waffen und das Reitpferd mit Sattel und Zaumzeug begraben worden.

Skythen in der Steppe von Sibirien bis zum Schwarzen Meer

Durch die Mumifizierung im Eis hätten sich sogar die blonden Haare des Mannes und sein Pelzmantel erhalten. Über das Alter und die Todesursache müssten Untersuchungen noch Aufschluss geben. „Doch offensichtlich haben nur die Eliten der skythischen Gesellschaft eine solche Beerdigung erhalten.“

Die Skythen, so beschreibt es ein ZDF-Dokumentarfilm von Gisela Graichen und Peter Prestel, der im Laufe der Ausgrabungen in der Mongolei entstand, waren ein nomadisch lebendes Volk, das in den vorchristlichen Jahrhunderten die Steppen von Sibirien bis zum Schwarzen Meer bevölkerte. Sie hatten dabei eine hoch entwickelte Kultur, die gleichzeitig an den Verhältnissen der kargen Landschaften, die sie bewohnten, orientiert blieb. Sie beschäftigten sich vorrangig mit Viehzucht und verfügten über die Kenntnis kunstvoller Metallverarbeitung. Schon der griechische Geschichtsschreiber Herodot nimmt in seinem Werk Bezug auf das Land der „goldhütenden Greifen“, die als unbesiegbar galten, im blitzschnellen Galopp zuschlagen konnten und sich und ihre Pferde mit Tiersymbolen schmückten. „Das Interesse an der untergegangenen Kultur der Skythen nimmt seit den 90er Jahren rasant zu“, erzählt Parzinger. Erst seit einigen Jahren hätten umfangreiche Grabungen wertvollste Funde zu Tage gebracht, darunter mehrere gut erhaltene Eismumien, die aus skythischen Grabhügeln geborgen werden konnten. „Neueste Techniken erlaubten heute die Restauration, Erhaltung und Auswertung der Funde“, so Parzinger. Bei der Erforschung der skythischen Kultur ist jedoch nicht nur der technische Fortschritt behilflich, sondern auch die wissenschaftliche Kooperation. Der jüngste Fund geht auf die trinationale Zusammenarbeit deutscher, russischer und mongolischer Forscher zurück. „Auch bei den weiteren Untersuchungsschritten arbeiten die drei Staaten eng zusammen“, erklärt Parzinger. Doch drohen auch Risiken für die zukünftige Erforschung der skythischen Kultur. So macht sich die globale Klimaerwärmung auch in Zentralasien bemerkbar. Die steigenden Temperaturen sorgen dafür, dass der Erdboden im Altai-Gebirge zunehmend auftaut, und damit die wertvollen Schätze, die in ihm schlummern, der Verwesung preisgibt. Mittlerweile haben auch die beteiligten Staaten die Gefahr erkannt. Die UNESCO drängt auf ein Rettungsprogramm.

ZDF-Film über die Mumie

In das Interesse der Öffentlichkeit sind die Mumien aus dem Eis und damit die skythische Kultur längst gerückt. Der ZDF-Film „Das Geheimnis der Eismumie“, der am 19. Dezember um 20.15 Uhr in der Reihe „Schliemanns Erben Spezial“ gezeigt wird, ist da nur der Auftakt. Der Film schildert den dramatischen Verlauf der Grabungsarbeiten als Wettlauf mit der Zeit, denn Sommer herrscht in den Höhen des nur dünn besiedelten Gebirges nur zwischen Juni und August. Es werden dabei auch Parallelen gezogen zwischen den vorchristlichen Nomaden und denen, die heute den Altai bewohnen: Kasachische Viehzüchter, die in Jurten leben und mit dem Adler auf die Jagd nach Füchsen und Wölfen gehen. Beeindruckende Aufnahmen, die teuer erkauft wurden. „Noch nie hatte ich so anstrengende Filmarbeiten“, gibt Peter Prestel, der Produzent des Dokumentarfilms, zu. „An den Tagen brannte die Sonne, nachts war es bitterkalt.“ Im kommenden Jahr sollen die grandiosen Funde dann hautnah erlebbar werden: Am 6. Juli 2007 öffnet in Berlin die Ausstellung „Im Zeichen des Goldenen Greifen – die Königsgräber der Skythen“, die später auch in München und Hamburg zu sehen sein wird. Die Schirmherrschaft haben neben Bundespräsident Köhler auch Russlands Präsident Putin sowie die Staatsoberhäupter der Ukraine, Kasachstans und der Mongolei übernommen. So vermag eine Mumie aus dem Eis die häufig zerstrittenen Politiker der Länder des ehemaligen Skythenreiches wenigstens für ein gemeinsames Projekt zu vereinen. (n-ost)

Von Henryk Alff

08/12/06

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