Anna German war in der ganzen Sowjetunion als Konzertsängerin bekannt. Die Deutschstämmige wäre in der vergangenen Woche 70 Jahre alt geworden. Für die DAZ schreibt ihr in Gütersloh lebender Onkel über die Ausnahmekünstlerin.

Die meiste Zeit ihres Lebens hatte man geglaubt, Anna German sei eine polnische Sängerin, allen bekannt und nahe. Und viele waren überzeugt, alles über sie zu wissen. Doch eigentlich war die Ausnahmekünstlerin Deutschstämmige, ihr ganzes Leben lang gezwungen, ihre Herkunft und ihre Identität zu verbergen, ja zu verleugnen. So sollte es sein. Anderenfalls hätten wir eine Anna German nie erlebt. Erst mit der Zeit erfuhr die Öffentlichkeit von der eigentlichen Identität der Frau, dessen Vater Hörmann mit Familiennamen hieß.

In Polen ist sie schon fast vergessen, aber ganz und gar nicht in der ehemaligen Sowjetunion, wo man ihren Liedern heute noch mit Hingabe lauscht und sie mitsingt. Denn sie hat den Menschen mit ihren Liedern und ihrem besonderen Charme direkt ins Herz gesungen.
Anna German, am 14. Februar 1936 in Urgentsch, Usbekistan, geboren, zählte zu den bekanntesten und beliebtesten Konzertsängern ihrer Zeit.
Bis 1946 lebte sie mit ihrer Mutter Irma Martens und ihrer Oma in der Sowjetunion. Ihr Vater, Eugen Hörmann, von dem sie ihren Nachnamen (Hörmann – German) geerbt hat, wurde 1938 als „deutscher Spion” und „für langjährige Schädlingsarbeit” zum Tode verurteilt und erschossen. Dass beide Anschuldigungen unbegründete Verleumdungen waren, ist heute einem jeden klar.

Durch eine Scheinehe mit dem polnischen Offizier German Berner, der mit anderen Polen nach Usbekistan verbannt war, gelang es der Mutter, 1946 nach Polen auszusiedeln und somit sich selbst und ihre Tochter Anna außer Gefahr zu bringen. In der Sowjetunion hatte Anna eigentlich nur ein Jahr die Schule besuchen können, sprach aber die Sprache ihrer Eltern – Deutsch, aber auch Russisch, Usbekisch und den Dialekt Plattdeutsch, der in einigen Quellen, die sich auf Anna German beziehen, irrtümlich (oder absichtlich?) Holländisch genannt wird.
In Wroclaw, ganz unlängst noch Breslau, wohin sie mit der Mutter und der geliebten Oma kam, ging sie zur Schule und lernte sehr schnell Polnisch, dann Englisch und Italienisch – die Mutter scheute keine Mühe und Arbeit, um Annas Privatunterricht bezahlen zu können.
Annas Karriere als Sängerin begann schlagartig. In den Festivals von Opole, Olsztyn und Sopot gewann sie sieben erste Preise (1964-65). Ihre erste UdSSR-Tournee verwandelte sich in einen Triumph – 60 Konzerte und die erste Schallplatte mit großer Auflage. Anschließend folgten Tourneen nach England, in die USA, nach Westberlin und wieder nach Moskau und dann nach Paris.

1966 versuchte Anna sich erfolgreich in der klassischen Musik: Sie besang eine Schallplatte mit Arien aus der Oper „Themis auf der Insel Skyros“ von Domenico Scarlatti. In der polnischen Musikwelt war das eine wahre Sensation.

Im selben Jahr unterzeichnete Anna einen dreijährigen Vertrag mit der italienischen Schallplattenfirma CDI. Es folgten neue Triumphe, und auf Annas Plan standen 20 Konzerte allein in Italien.

Bis zu den Ohren in Gips

Doch dann begann die Tragik im Leben der Anna German: Ihr sollte der „Oscar della sympatia” überreicht werden. Doch wegen der Übermüdung des Chauffeurs verunglückte die Künstlerin. „Mit zahlreichen Knochenbrüchen, von den Zehen bis zu den Ohren in Gips”, schrieb sie später, lag sie lange Wochen und Monate in Krankenhäusern und Sanatorien. Während ihrer erzwungenen Untätigkeit auf der Estrade schrieb sie ihr Buch „Zurück nach Sorrento?”, baute ihr Italienisch aus und komponierte Lieder. Vier Jahre später, 1971, konnte sie ihre Konzerttätigkeit wieder aufnehmen. Ihr erster Auftritt im Kongresssaal des Hauses der Kultur in Warschau gestaltete sich zu einer gewaltigen Manifestation der Sympathie für diese talentierte und tapfere Frau.

Das Konzert wurde in der Sowjetunion wiederholt.

Am 27. Dezember 1979 betrat sie die Bühne, streng, feierlich, in einem schwarzen, goldpaspelierten Kleid und sang ohne Musikbegleitung das ‚Ave Maria’ von Schubert. Der Saal erzitterte unter lang anhaltenden Ovationen. Jedoch war alles, was sie gegeben hatte, nur ein Bruchteil dessen, was sie mit sich nahm. Anna German starb am 25. August 1982 schwer krank mit nur 46 Jahren. Mit 39 war sie noch Mutter geworden.

Konzertsänger werden nach ihrem Tode gewöhnlich sehr schnell vergessen, und die Erinnerung an sie von anderen, neuen Idolen verdrängt. Seit Anna Germans Tod sind mehr als zwanzig Jahre vergangen. Aber immer noch spielt und singt man ihre Lieder und veranstaltet Erinnerungsabende.

Artur Hörmann ist Anfang der 90er aus Kasachstan ausgereist und lebt heute in Deutschland. Er ist der Onkel der Künstlerin.

Von Artur Hörmann

17/02/06

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