Meine Erfahrung zeigt: „Wenn man etwas wirklich will, muss man es auch wirklich wollen“. In der praktischen Umsetzung heißt das: Hartnäckig alle Wege gehen, die sich einem bieten und es möglichst vielen Leuten erzählen, bis einer einen kennt, der jemanden kennt, der einem den Weg weisen kann. So habe ich es auch mit der Falknerei betrieben.

Nachdem ich meinen Vermieter eine Weile mit meinem „Ach, ich wär so gerne Falknerin!“-Geschwätz genervt habe, legte er mir eines Abends einen Zettel auf den Tisch. Er sagte nur „Date!“ und verschwand wieder. Ich wusste sofort: Es handelt sich um einen Falkner. Weil Vorfreude die schönste Freude ist, kostete ich die süße Erwartung aus, kurz vor der Erfüllung eines Traumes zu stehen. Trieb noch wenige Tage Spannung und Adrenalin hoch und rief an.

Ab da ging alles ganz schnell. Noch am selben Tag ging es leider nicht, da der Habicht am Vortag schon ein Karnickel verspeist hatte, das würde seinen Jagdtrieb und Gehorsam schmälern. Für mein erstes Date mit einem Greifvogel wünsche ich mir eine stolze Persönlichkeit, die elegant und angriffslustig durch die Lüfte schwebt und nicht einen gesättigten dicken Vogel, der lustlos durch die Gegend flattert, immer mal wieder einen Rülpser ausstoßend.

Nach noch mehr Vorfreude stand er wenige Tage später dann vor mir, ein richtiger Falkner. Groß, stark, wetterbeständig und mit natürlicher Autorität. Wenn ich ein Falke oder Habicht wäre, würde ich ihm auch gehorchen und immer wieder auf seinem Handschuh landen. Ich hatte mir fest vorgenommen, den Falkner nicht mit meinen 1.000 Fragen zu nerven, um die Jagd möglichst wenig zu stören. Ein Jäger ist am liebsten allein mit sich und der Natur und redet ungern. So stellte ich mir das vor. Wie auf historischen Stichen und in meinen Tagträumen.

Natürlich war alles anders. Mein Falkner stellte sich als mitteilsam heraus, der mir unaufgefordert die Falknerei erklärte. So wie andere Menschen mit ihrem Hund Gassi gehen, zieht der jeden Tag mit seinem Habicht los. Er packt den Vogel auf den Arm, stopft zwei Frettchen in die eine Umhängetasche, ein paar blutige Taubenkeulen in die andere, und los geht’s, zwei Hunde im Gefolge. Und diesmal auch mit mir.

Statt durch tiefe Wälder stapften wir durch eine Motocross-Anlage. Einmal telefonierte der Falkner nebenher, den Habicht auf der einen Hand, das Handy in der anderen. Die Modernisierung hat auch die Falknerei ereilt. So tauchte ich in eine neue und faszinierende Welt ein. Was ich auf Anhieb begriffen habe, ist, dass hier Teamarbeit gefragt ist. Der Teamleiter ist in diesem Falle der Habicht. Alle anderen arbeiten ihm zu. Die Hunde spüren den Bau auf und wedeln wild mit dem Schwanz, wenn es nach frischem Häschen riecht. Die Frettchen kriechen in den Bau und spüren das Häschen auf. Alle spitzen die Ohren und halten Ausschau.

Das Häschen flitzt los, der Vogel fliegt hinterher und greift es. Die Frettchen haben dann erst mal Pause, die sie in ihrer engen Tasche verbringen, während die Hunde dem Habicht zu Hilfe eilen, die er eigentlich gar nicht wirklich braucht. Gefragt ist jetzt der Falkner, der dem Häschen das Genick bricht, damit es keine langen Todesqualen erleiden muss. Dann geht’s weiter. Häschen um Häschen. So viele verschiedene Tiere gleichzeitig zu koordinieren – ich bin beeindruckt!

Während der strammen Märsche bergauf und bergab, durchs Gestrüpp und Gewässer lerne ich noch allerhand über die Jagd mit Greifvögeln. Als eifrige Schülerin, rücke ich meinem eigentlichen Traum, womöglich selbst einmal einen Greifvogel auf meinem Handschuh landen zu lassen, ein ganzes Stück näher.

Als Beweis, dass die Jagd kein Traum war, hängt im Gartenhäuschen das erlegte und geschenkte Kaninchen. Ich habe es noch vor dem Kaffee gekniffen und ja, wirklich, es ist echt. Damit ich bis zur nächsten Jagd nicht auf der faulen Haut liege, lerne ich morgen, wie ich das Kaninchen köpfe, entfelle, zerlege und zubereite. Und habe mich diensteifrig für die nächste Jagd angemeldet. Wenn die Traumerfüllung einmal angefangen hat, muss man am Ball bleiben.

Julia Siebert

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