Einmal einen Einblick in das Herz der deutschen Demokratie erhalten? Das ist dank des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) möglich. Das Programm ermöglicht jährlich 120 jungen Hochschulabsolventen aus der ganzen Welt einen fünfmonatigen Aufenthalt in Berlin. Dort arbeiten die Stipendiaten in einem Abgeordnetenbüro mit, erleben den Alltag im deutschen Parlament hautnah und haben die Möglichkeit, Lehrveranstaltungen an den Berliner Universitäten zu besuchen. In den kommenden Ausgaben werden wir vier ehemalige und aktuelle Stipendiaten vorstellen.

Aliya Zhussupova (33) war 2012 Stipendiatin des Programms und arbeitete im Abgeordnetenbüro von Kathrin Vogler aus der Fraktion DIE LINKE mit. Zuvor war sie als Deutschlehrerin unter anderem am Deutschen Gymnasium und im Sprachlernzentrum des Goethe-Instituts in Astana sowie in verschiedenen deutsch-kasachischen und kasachisch-österreichischen Organisationen tätig. Heute arbeitet sie als Assistentin und Dolmetscherin bei der Repräsentanz der Commerzbank in Almaty.

Warum hast du dich für das Programm beworben?

Ich dachte, dass das eine gute Möglichkeit sei, das politische System des anderen Landes kennenzulernen und mit dem eigenen System vergleichen zu können. Ich habe mich gefragt, wie funktioniert die Politik hier in Kasachstan, welche Parteien haben wir und wie ist das in Deutschland? Außerdem war die Bewerbung als solche eine Herausforderung für mich, der ich mich stellen wollte. Und ich wollte schon seit langer Zeit nach Berlin.

Was hat dich am stärksten beeindruckt?

Wie freundlich ich im Büro aufgenommen und unterstützt wurde. Im Büro, mit der Büroleitung und den wissenschaftlichen Mitarbeitern haben wir sehr gut untereinander kommuniziert. In Erinnerung bleibt mir außerdem, dass wir, ganz einfache Stipendiaten aus verschiedenen Ländern, frei an Arbeitsgruppen teilnehmen konnten. Da gab es auch manchmal Insiderinformationen, aber trotzdem durften wir dabei sein. Auch die Bundestagsdebatten haben wir im Plenarsaal mitverfolgt. Wir haben Politik hautnah erlebt.

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Welche politischen Themen waren damals aktuell?

Meine Abgeordnete war im Gesundheitsausschuss tätig. Für diesen war 2012 der Skandal in Frankreich um fehlerhafte Brustimplantate wichtig. Für das Thema war meine Abgeordnete zuständig. Sie hat erarbeitet, welche Medizinprodukte man dafür verkaufen darf und welche Richtlinien dafür erarbeitet werden. Das war schon interessant.

Wie sah deine Tätigkeit im Abgeordnetenbüro aus?

Einerseits musste ich natürlich auch eintönige Büroarbeit machen, zum Beispiel Briefe schreiben oder Telefonate führen. Andererseits machte ich auch Recherchen, zum Beispiel wie mit Medizinprodukten bei uns in Kasachstan umgegangen wird. Manchmal gab es auch inhaltliche Aufgaben. Auch bei den Gesprächen meiner Abgeordneten mit Besuchergruppen war ich in der Organisation und Begleitung involviert.

Hat dir das IPS etwas für deinen weiteren beruflichen Werdegang gebracht?

Es hat eher für mich selbst etwas gebracht als für meine Karriere. Nach dem IPS-Programm habe ich nicht bei NGOs oder politischen Stiftungen gearbeitet, sondern war bei einer Consultingfirma im Baubereich tätig. Jetzt arbeite ich bei der deutschen Commerzbank in Almaty. Ich habe aber ein umfangreiches Bild bekommen, wie das politische System in Deutschland funktioniert, und kann das jetzt mit Kasachstan oder anderen Ländern vergleichen.

Wie fällt dein persönliches Fazit aus?

Für mich war es eine positive Erfahrung. Wir hatten freien Zugang zu verschiedenen Zonen im Bundestag, konnten bei Arbeitsgruppen teilnehmen und durften auch verschiedene Veranstaltungen besuchen. Ein anderer Punkt ist, dass man verschiedene Leute aus anderen Ländern kennenlernen konnte. In meinem Jahrgang waren IPS-Stipendiaten aus 25 Ländern. Wir waren insgesamt um die 120 Leute. Aus Kasachstan waren wir drei Mädels, die ich erst in Berlin kennen gelernt habe. Heute verbindet uns eine enge Freundschaft.

Das Interview führte Sabine Hoscislawski.

Das Internationale Parlaments-Stipendium (IPS) ist ein jährliches Stipendienprogramm des Deutschen Bundestages für bis zu 120 junge Leute aus Mittel-, Ost– und Südosteuropa, Ländern des arabischen Raums, Frankreich, Israel, Kanada sowie den USA. Das IPS gibt es seit 1986. Seitdem haben mehr als 2.500 Stipendiaten das Internationale Parlaments-Stipendium absolviert. Bewerber müssen Staatsbürger eines beteiligten Landes sein, ein Studium erfolgreich absolviert haben, über sehr gute deutsche Sprachkenntnisse verfügen (min. B2) und dürfen das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für den nächsten IPS-Jahrgang kann man sich noch bis zum 30. Juni 2018 bewerben. Mehr Infos unter: http://www.bundestag.de/ips

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