Robert Denhof – das Schicksal hat diesen Mann mit unerschöpflicher Energie und Talenten beschenkt. Er ist Komponist, Pianist, Dirigent, Sänger und Verleger. Das Leben stellte ihn vor scheinbar unüberwindliche Hindernisse. Sein herausragendes Talent, seine bemerkenswerte Ausdauer sowie die Fähigkeit selbstlos zu arbeiten, ließen ihn diese jedoch überwinden. Heute ist er ein berühmter deutsch-russischer Komponist, dessen Werke in verschiedenen Ländern aufgeführt werden.

/Bild: www.verlag-denhof.de. ‚„Er träumt davon, ein Komponist zu werden”, stand in seinem Zeugnis der zweiten Klasse.’/

 

Vom ersten Tag seines Lebens an musste Robert Denhof – wie tausende andere Russlanddeutsche – die Tragödie seines Volkes mit erleiden, die darin bestand, dass viele Russlanddeutsche in die Wälder Sibiriens und Steppen Kirgisistans und Kasachstans verbannt wurden. Geboren wurde er nach Ende des Zweiten Weltkrieges in einer kleinen kasachischen Steppensiedlung am Fuße des Alatau-Gebirges. Die Familie lebte in einer Jurte, die Mutter war ohne Beschäftigung, Geld und Essen waren immer knapp.
Denhof fiel als Kleinkind aus der Krippe. Ohne angemessene medizinische Versorgung und Ernährung wurde er schwach, hörte auf zu wachsen. Obwohl er bereits älter als zwei Jahre war, konnte er nicht laufen, nicht spielen, lag bewegungslos in der Krippe und schaute die Welt teilnahmslos an. Seine Mutter wusste: ohne Hilfe würde der Junge sterben. Eines Nachts packte sie das Kind und flog mit einem kleinen Flugzeug nach Alma-Ata. Ärzte, die während des Krieges verschiedene Notsituationen gewohnt waren, wollten nicht glauben, dass das Kind zweieinhalb Jahre alt war. Die Krankheit war zu weit fortgeschritten, keiner konnte garantieren, dass das Kind überleben würde. Die alte Ärztin des Krankenhauses nahm Robert bei sich auf.

Er träumt davon, Komponist zu werden

Ein Moment während seines siebenjährigen Krankenhausaufenthalts wurde zum Wendepunkt in seinem Leben. Auf die Krankenstation, auf der Robert lag, wurde ein Grammophon gebracht und auf den Tisch in der Mitte des Raumes gestellt. Es erklang die Melodie: „Auf Deck, ihr Genossen! Zum Kampf all’ bereit…”. So kam die Musik in sein Leben. Sie fesselte ihn. Nicht zufällig schrieb man in seinem Zeugnis nach der zweiten Schulklasse: „Er träumt davon, ein Komponist zu werden”.
Die Krankheit verließ ihn nur allmählich. Erst im Alter von zehn Jahren ging er zum ersten Mal zur Schule. Als die Familie die Möglichkeit bekam sich frei zu bewegen, lebte sie in Karagaily, Dzhezkazgan und Pawlodar. In der Jugendmusikschule der Stadt Pawlodar machte Denhof die ersten Schritte zur Verwirklichung seines Traumes. Es folgte ein Studium an der Musikfachschule der Stadt Pawlodar. Je tiefer er in die Welt der Musik eindrang, desto mehr wurde Robert bewusst: der Mangel an Wissen und Kultur, verursacht durch die verlorenen Jahre, musste aufgeholt werden. Und das so schnell wie möglich! Voll und ganz widmete er sich dem Studium: dem Lesen von Büchern sowie der Zusammenarbeit mit erfahrenen Musikern.

Hochschulzugang verweigert

Er spürte das dringende Bedürfnis, weiterhin an einer Hochschule zu studieren. Aber wie, wenn man ihm kein Diplom aushändigte. Er schickte seine Bewerbung an mehrere Musikhochschulen. Vergebens: ohne Unterlagen gab es keine Zulassung zu Aufnahmeprüfungen. Ausnahmsweise ließ man ihn dennoch vorspielen und vorsingen, aufgenommen wurde er aber nicht. Er nahm einen Job als Direktor der Filiale einer Jugendmusikschule an. Mit Hilfe von bekannten Professoren wurde ihm erlaubt, zumindest inoffiziell an den Lehrveranstaltungen der Hochschule teilzunehmen. Gerade in dieser Zeit begann er seine Musikkompositionen zu Papier zu bringen. Viele prominente Musiker, denen die Werke des jungen Komponisten gezeigt wurden, erkannten seine zweifellose Begabung und die Notwendigkeit seiner Weiterbildung als Komponist.
Viele Jahre lang arbeitete und studierte er gleichzeitig. Er gab sich nie mit dem Wissen zufrieden, das man ihm an der Hochschule vermittelte, suchte ältere Musiker auf, die eine gute Schule hatten und schon lange im Ruhestand waren und bezahlte sie von dem Geld seines Stipendiums und aus dem Nebeneinkommen. Wenn er nicht über die Runden kam, schickte seine Mutter ihm Geld.

Das Selbststudium ist die beste Schule

„Der beste Lehrer“, sagte Denhof aus eigener Lehrerfahrung, „kann im besten Fall die Hälfte seines Wissens und Könnens an den Schüler vermitteln. Den Rest muss man sich selbst durch das Hören anderer Interpreten, durch das Lesen und natürlich durch ständiges Üben beibringen.“ Deshalb nutzte Denhof jede freie Minute, spielte Klavier, besuchte Bibliotheken und Museen, Ausstellungen und Konzerte.
Robert traf viele talentierte Menschen, die eines gemeinsam hatten: die uneingeschränkte Bereitschaft, einem Menschen zu helfen. Denhof empfindet noch heute Dankbarkeit für diese Menschen, besonders gegenüber seinen beiden Professoren – Valentin Fedorovitsch Utkin von der Lettischen Musikakademie und Genrich Iljitsch Litinsky vom Gnessin-Instituts zu Moskau. V. F. Utkin war eine einzigartige und unverwechselbare Persönlichkeit. Bei diesem vielseitig gebildeten Musiker erlernte Denhof die Geheimnisse des Komponierens und der Harmonielehre. Vor allem aber brachte V. F. Utkin Denhof bei, in Musik zu denken. Ein echtes Musikstück ist jedes Mal eine Meditation über die Welt, über Gott, über den Menschen und seinen Platz in dieser Welt. Und das muss man mit den Ausdrucksmitteln der Musik vermitteln. G. I. Litinsky hat ebenfalls eine entscheidende Rolle im Leben von Denhof gespielt. Nach seiner Arbeit in Tschetschenien bekam Denhof die Zuweisung in das Konservatorium in Rostow am Don. Er hat in dieser Zeit viel mit musikalischen Formen experimentiert. Seine Ideen sowie seine Kompositionen passten nicht in den üblichen Rahmen und wurden von den Lehrern nicht akzeptiert.

Unterstützung großer Professoren

In der Tat wurde er von der Universität verwiesen. Die Lage war hoffnungslos, und er wandte sich an G. I. Litinsky. Dieser rief ihn nach Moskau. Dort zeigte Denhof dem Professor seine Kompositionen. Dieser sah sich die Partituren aufmerksam an und sagte: „Du musst unbedingt ein Diplom machen. Ich verspreche: So lange ich lebe, wirst du lernen“. Dank des Ansehens und den Bemühungen von F. I. Litinsky wurde Denhof an das Konservatorium in Alma-Ata versetzt, welches er hervorragend absolvierte. Denhof wurde in den Komponistenverband der UdSSR aufgenommen. Das Ziel, das er angestrebt hatte, hatte er erreicht.

Melodisches Talent und raffinierter Geschmack

Nach seiner Auswanderung nach Deutschland entstanden die meisten seiner Kompositionen, die stark mit der neuen Heimat verbunden waren. Denhof kann auf über 30 Jahren als Komponist zurückblicken. Während dieser Zeit schuf er über 200 große und kleine Musikstücke verschiedener Genres und Formen. Aufgewachsen in einem Land mit einer multinationalen Musikkultur nutzt er den Melodiereichtum verschiedener Völker für seine eigenen Werke. „Der Komponist kann und darf nicht nur im Rahmen einer nationalen Kultur schöpferisch aktiv sein. In diesem Sinne ist die ganze Welt meine Heimat“, sagt Denhof. Reiches melodisches Talent, raffinierter Geschmack und Klarheit der musikalischen Sprache bestimmen den Stil seiner Werke.
„Über Musik mit Worten zu sprechen ist unmöglich und es ist sehr anmaßend dies zu versuchen. Ich kann nur meine Gefühle vermitteln“, sagt Denhof. Das sinfonische Poem „Russland” /Opus 67/ widmete der Komponist dem dramatischen Schicksal Russlands im 20. Jahrhundert. Durch alle vier Teile dieses Werkes klingt als Hauptthema die Melodie des russischen Volksliedes „Kalinka Malinka”. An einer Stelle scheint die Melodie grenzenlos breit und sehr lyrisch, wie die unendlichen Weiten Russlands; an anderer Stelle ist sie gespickt mit ungezügelter Energie hemmungsloser Zerstörung; dann klingt sie wie bitterer Hohn in Momenten voller Kraft; und später etwa wie ein Fluss im Frühjahr, der sich seinen Weg durch die Eisschollen bahnt. Die Musik Denhofs ist gekennzeichnet durch die feinste Lyrik der Melodien und durch die Polytonalität des Klanges, durch die Vieldeutigkeit der musikalischen Bilder, die eine breite Palette an Assoziationen hervorrufen.

Musikalische Verantwortung

In der Kunst wird die Geschicklichkeit oft als Staffel vom Lehrer an den Schüler von einer Generation zur anderen weitergegeben. In Malerei und Musik gibt es ganze Dynastien. Verfolgt man Denhofs „musikalischen Stammbaum“ zurück, trifft man auf Professoren, bei denen auch Prokofjew und Schostakowitsch Unterricht nahmen. „Wir entstammen derselben Blutgruppe“, – sagt Denhof. In diesen Worten klingen nicht nur der Stolz über seine Lehrer und die Treue der Traditionen zur russischen musikalischen Kultur mit, man fühlt auch das Maß an Verantwortung, das er auf sich nimmt.
Die Musik von Denhof ist in der Welt bekannt. Es genügt zu sagen, dass die Premieren vieler seiner Werke in Russland, Weißrussland, Kasachstan, Kanada, Großbritannien, USA und China stattfanden. Seine Orchesterkompositionen erklingen im Radio, seine Werke werden von den Fachleuten hoch geschätzt und vom Publikum herzlich empfangen. Dennoch kann man sagen, dass seine Werke in den großen deutschen Konzertsälen noch nicht angekommen sind. Mehr noch, deutsche Musikkritiker behaupten: Das Interesse an Denhofs Musik wächst im Ausland schneller als in Deutschland.

Ins Deutsche übersetzt von Dr. Johann Windholz.

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