Reden auf Plattdeutsch und Sorbisch: in einer Bundestagsdebatte zum Schutz von Regional- und Minderheitensprachen sind ungewohnte Töne zu hören. Sprachliche Vielfalt finden alle Parlamentarier schützenswert, doch sollen Minderheitenrechte nur für alteingesessene oder auch für neu zugewanderte Gruppen gelten?

Den kulturellen Reichtum Europas zu bewahren ist eines der Ziele, die sich die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen setzt. Am 5. November 1992 wurde sie von Deutschland als einem der ersten Mitgliedsstaaten des Europarats unterzeichnet. Zwanzig Jahre später verabschiedete der Deutsche Bundestag nun mit großer Mehrheit einen Antrag, in dem er sich abermals für den besseren Schutz der vier in Deutschland anerkannten Minderheitensprachen Dänische, das Nord- und Saterfriesisch, das Romanes sowie Ober- und Niedersorbisch sowie der Regionalsprache Niederdeutsch (Plattdeutsch) ausspricht.

In der Debatte zum Antrag von 80 Abgeordneten geriet allerdings das Hochdeutsche zur Minderheitssprache. Die Mehrzahl der Redebeiträge von Abgeordneten aller Parteien war ganz oder teilweise auf Plattdeutsch gehalten, daneben war auch das in der sächsischen Lausitz gesprochene Obersorbisch zu hören. Die Linken-Abgeordnete Petra Sitte forderte in einem Zwischenruf, wohl halb im Scherz, gar Untertitel für die Reden.

Der erste Redebeitrag kam vom Flensburger CDU-Abgeordneten Wolfgang Börnsen, der 2001 bereits das Buch „Plattdeutsch im Deutschen Bundestag“ veröffentlicht hatte. Zur Wahl zum Bundespräsidenten hatte er dem aus Mecklenburg stammenden Joachim Gauck mit einem Brief in niederdeutscher Sprache gratuliert – und zu seiner großen Freude eine Antwort des Staatsoberhauptes erhalten, aus der er nun zitiert: „Disse Breif hett ja een ‚Alleinstellungsmerkmal‘, denn ward ik mi upphangen.“

Börnsen („De Spraak, dat is de Mensch sien Heimat“) erinnert daran, dass das heute noch von rund drei Millionen Menschen gesprochene Plattdeutsch in Zeiten der Hanse einst „Weltsprache“ gewesen sei. Sein aus Bremen stammender FDP-Kollege Torsten Staffeldt führt aus, dass auch schriftliche Verträge im ganzen Norden Europas seinerzeit in der niederdeutschen Sprache verfasst worden seien: „Twüschen London, Bergen, Danzig, Riga und Nowgorod spreken de Kooplüüd un Kaptaine Platt; ok de Verdrääg hett man op Platt maakt.“

Staffeldt zitiert den Philosophen Johann Gottlieb Fichte: „Die Sprache eines Volkes ist seine Seele.“ Das Hochdeutsche vergleicht er mit einem Anzug, der zwar schön, aber etwas steif sei: „De düütsche Standardsprook is as en Antog, scheun ober en lütt beten stief.“ Auch hebt er den Nutzen einer bilingualen Erziehung beim Lernen von Fremdsprachen hervor: „Kinner, de neven Düütsch noch een anner Spraak as Modderspraak lehren, hebbt dat lichter, en Frömdspraak to lehren.“ Der FDP-Parlamentarier erinnert auch an die deutschen Sprachminderheiten in aller Welt, „ob in Slowenien, Moldawien, Lettland oder Kasachstan – immerhin 1,4 Millionen Deutsche leben in Sprachminderheiten außerhalb unseres Landes. Dazu gehören auch 20.000 Plattsnacker in den Vereinigten Staaten und 60.000 Plattsnacker allein in Paraguay.“

Doch welche Sprachen genau sind in Deutschland schützenswert? „Sprachen mit einer mehrtausendjährigen Geschichte, die in unserem Land gewachsen sind: Sorbisch und Friesisch, Niederdeutsch, Dänisch und das Romani gehören bei uns dazu“, findet Staffeldt. An der Einschränkung auf alteingesessene Minderheiten entzündet sich die Kritik der Fraktion der Linken, die sich als einzige bei der Abstimmung über den Antrag der Stimme enthält.

Ihr Abgeordneter Raju Sharma fordert eine Ausweitung des Minderheitenbegriffs: „Derzeit bezieht die Sprachencharta sich nur auf nationale und autochthone Minderheiten. Es gibt in Deutschland aber noch weitere Minderheiten, deren Sprache gefährdet ist, die aber noch keinen Schutz genießen.“ Konkret nennt er das Beispiel von 800.000 in Deutschland lebenden Kurden. Dass deren Schutz als Minderheit keine absurde Idee sei, versucht Sharma mit einem Beispiel aus dem Nachbarland Tschechien zu belegen: dort seien rund 60.000 aus Vietnam eingewanderte Gastarbeiter als nationale Minderheit geschützt.

Von Robert Kalimullin

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