Seit Anfang September fördert die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) den politischen Nachwuchs in Kasachstan mit ihrem Stipendiatenprogramm. Sie sucht dabei vor allem junge, engagierte Menschen, die später selbst die Politik in ihrem Land mitgestalten wollen. Über die Förderarbeit und den Demokratisierungsprozess in Kasachstan sprach DAZ-Autor Friedemann Schreiter mit Dr. Gregor Ryssel. Der 39-Jährige koordiniert von Taschkent aus die Aktivitäten der KAS in Zentralasien.

Welche Rolle spielt der politische Nachwuchs in Kasachstan?

Ich finde, diese Frage kann man weltweit beantworten: Mit dem politischen Nachwuchs ist es immer schwer. Mir ist eigentlich kein Land bekannt, wo das anders ist. Gerade deswegen macht die Konrad-Adenauer-Stiftung viele verschiedene Programme, um den Nachwuchs zu finden und zu motivieren. Unverbrauchte Nachwuchspolitiker sind immer wichtig. Veränderungen kommen nun mal meistens von den jungen und Frischen und nicht von denen, die schon Jahre an der Macht sind. Das ist überall so. Auch in Kasachstan.

Fehlt dem Nachwuchs in Kasachstan die Motivation, weil sehr viel von persönlichen Beziehungen abhängt und es für politische Neulinge schwer ist, etwas zu bewirken?

Das hieße ja, dass Politik vor allem von Seilschaften abhängt. Das verurteile ich sehr. Aber solche Dinge kann man nicht von heute auf morgen ändern. So etwas muss von innen heraus aus dem System wachsen. Ich glaube, vor allem die jungen Menschen müssen verstehen, dass es neben starken Leuten im Staat auch wichtig ist, starke Institutionen zu haben. Und das nicht, weil eine Persönlichkeit an der Spitze steht. Sondern weil das Organ als solches ein starkes ist und Sicherheit bringt. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass der politische Nachwuchs hier weniger motiviert ist als zum Beispiel in Deutschland.

Was wollen Sie den jungen Menschen in Kasachstan vermitteln?

Unsere Aufgabe kann es nicht sein, die Politik in Kasachstan verändern zu wollen. Wir können lediglich jungen Menschen eine westliche Sicht auf Politik und unser Demokratieverständnis zeigen. Was diese Menschen damit machen, liegt in ihren Händen.

Sind Ihnen aus anderen Ländern Beispiele bekannt, die eine erfolgreiche Förderarbeit zeigen?

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass der jetzige serbische Präsident Boris Tadić zwar kein Stipendiat war, aber mit uns und der Stiftung sehr eng zusammengearbeitet hat – noch bevor seine politische Karriere begann. Er war als junger Mann zu Zeiten Milosevics in der Opposition, und wir haben ihn sehr gefördert. Jetzt ist er Präsident.

Was sind die größten Probleme in der Förderarbeit in Zentralasien?

In Europa sieht man Zentralasien immer als eine Region. Man denkt immer, ach, dass sind ja diese fünf ehemaligen Sowjetrepubliken. In Wirklichkeit gibt es hier unheimlich große Unterschiede. Man muss sich auf jedes Land immer wieder vollkommen neu einstellen und vergessen, aus welchem Land man gerade kommt. Eigentlich bräuchte man für jedes Land einen Entsandten der Stiftung, um überall gleich gute Arbeit leisten zu können. Das ist im Moment nicht der Fall.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Unterschiede zwischen Kasachstan und den anderen zentralasiatischen Staaten?

Kasachstan hebt sich von den anderen Staaten positiv ab. Das hängt auch damit zusammen, dass es so groß und reich an Rohstoffen ist. Ich denke auch, dass Kasachstan einen Weg eingeschlagen hat, der nicht vorschnell zu verurteilen ist. Ich nenne diesen Weg mal „Demokratisierung über Wirtschaft“. So weit ich das einschätzen kann, geht es den meisten Menschen hier mittlerweile besser als in den anderen Ländern Zentralasiens. Offensichtlich betreibt man hier eine Wirtschaftspolitik, von der allmählich auch die breite Masse der Bevölkerung profitiert. Das ist sicherlich der größte Unterschied zu den anderen Staaten.

Wie beurteilen Sie generell die politische Lage in Kasachstan?

Kasachstan hat sich für den OSZE-Vorsitz 2009 beworben. Das zeigt, dass dieses Land westliche Werte nicht völlig ignorieren kann. Durch welches System diese Werte hier letztendlich umgesetzt werden ist Sache Kasachstans. Man muss jetzt abwarten, was sich nach den letzten Wahlen tut. Sicher scheint mir aber, dass in Kasachstan Veränderungen über bestimmte politische Prozesse möglich sind, die in den restlichen zentralasiatischen Staaten so nicht denkbar sind.

Abschließend, was hat bisher in der Förderarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Zentralasien funktioniert und was nicht?

Wir haben die Schwierigkeiten der Demokratisierung in Zentralasien deutlich unterschätzt. Die sowjetische Vergangenheit der fünf zentralasiatischen Staaten sitzt doch tiefer als wir gedacht haben. Wir in Europa haben gedacht, Zentralasien ist so ein Fall wie die baltischen Staaten – ist es aber nicht. Ich habe gelernt, dass Demokratie in jedem Land anders aussehen muss. Es gibt nicht die eine richtige Demokratie, die man einfach im- und exportieren kann. Hier gibt es andere Traditionen, Nomadentum, Clandenken, Rivalitäten – das sind hier die Parameter, in denen Demokratie stattfinden muss. Überrascht waren wir, dass es hier so viele motivierte Menschen gibt, die mit uns zusammenarbeiten. Diese Menschen sind oft sehr gut ausgebildet und haben meist im Ausland studiert. Das hat uns gefreut, und das sehe ich als das Positive unserer Arbeit. Auch finde ich, dass die zentralasiatischen Länder immer wieder Fortschritte machen. Und wenn wir dazu auch nur einen winzigen Teil beitragen können, dann ist das toll.

Herr Ryssel, vielen Dank für das Interview.

21/09/07

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