Innovationen sind längst nicht mehr notwendig, um Supergewinne einzufahren, sondern immer mehr, um die Existenz der Unternehmen zu sichern. Die Globalisierung hat in den letzten Jahrzehnten zu einer radikalen Veränderung der Geschäftsmodelle geführt, weil einerseits die Verbraucher wesentlich höhere Ansprüche an die Erzeugnisse stellen und weil andererseits Länder und Unternehmen auf die Weltmärkte drängen, die noch vor kurzer Zeit niemand kannte. Die Absatzkanäle sind weltweit überfüllt, und folglich wartet niemand auf neue Anbieter.

Diese Dinge sollten auch der nüchterne Ausgangspunkt für die Anstrengungen Kasachstans zur Aktivierung seiner Industrie- und Innovationspolitik sein. Ziemlich ratlos fragen sich Politiker, teilweise heimische Geschäftsleute und ausländische Berater, warum die gutgemeinten staatlichen Innovationsprogramme kaum wirken, obwohl sie doch völlig ausreichend finanziell untersetzt sind und eine ganze Armee von Organisationen geschaffen wurde, um Kasachstan aus dem Loch der Ölabhängigkeit herauszuholen. Die Antwort auf diese Frage enthält einige weniger schwere und einige ziemlich schwere Antworten, wenn man sie aus der Sicht praktischer Realisierbarkeit der staatlichen Innovationspolitik sieht.
Zu den relativ leichteren Antworten gehört z. B. die Aussage, dass es für Investoren letztlich darum geht, ihr angelegtes Kapital zu erhalten und zu vermehren. Das ist eben bis auf weiteres im Rohstoffsektor nicht nur relativ einfacher, sondern auch wesentlich sicherer, als im risikobelasteten Innovationsbereich.

Zu den mittelschweren Antworten gehört die Aussage, dass Kasachstan in den Innovationsbereichen, von denen die staatlichen Stellen einen Innovationsdurchbruch erwarten, kaum Traditionen und die notwenige Wissensbasis haben. Dazu gehören solche Bereiche, wie die Biotechnologie, die Nanotechnologie, die Robotertechnik, die Wasserstofftechnologie und andere. Sicher kann man versuchen, die Grundlagen für diese Bereiche zu schaffen, doch das dauert, und die Konkurrenz marschiert in der Zwischenzeit kräftig weiter.

Hinzu kommt, dass die wenigen errichteten Projekte, die den Hochtechnologiebereichen zugeordnet werden können, meist auch nur ineffizient sind oder manchmal gar nicht wirken. Ein bekanntes Beispiel ist die Medizintechnik, die teuer importiert wurde, aber mangels ausreichend qualifizierten Personals nicht genutzt werden kann. Erschwerend kommt hinzu, dass das Bildungsniveau hiesiger Absolventen in vielen Bereichen völlig unzureichend ist, was auch wieder nicht allein, aber doch nicht unwesentlich durch die fast als normal zu bezeichnende Korruption im Bildungsbereich bedingt ist.

Ein anderes Beispiel schlecht funktionierender Innovation ist das neue Werk für die Produktion von Silizium, einem für die Produktion von Sonnenkollektoren weltweit stark nachgefragtem Ausgangsmaterial. Immerhin hat der Staat in dieses Projekt 60 Millionen Dollar investiert, und es wurde mit ziemlichem Pomp in Betrieb gesetzt. Die Bilder davon waren durchaus eindrucksvoll, das Projekt ist vielversprechend, das Werk aber steht schon wieder still. Die einfache Ursache ist fehlende Stromversorgung und die Installation falscher Induktionsöfen, die die große Kälte in Nordkasachstan nur schwer verkraften. Wenn wegen solcher doch ziemlich profaner Dinge das große Innovationsprogramm scheitern muss, ist dass schon mehr als bedenklich.

Denn die wirklich schweren Antworten liegen im Bereich der wirtschaftlichen Verwertung von Innovationen. Da sich ein normaler Innovationszyklus über etwa acht Jahre hinzieht, muss beim Start von Innovationsprojekten schon kräftig an das Marketing gedacht werden und an den Kunden, der in acht Jahren das Produkt kaufen soll. Marketing und Innovation werden in Kasachstan aber meist noch als verschiedene Dinge behandelt. Erschwerend kommt hierzulande die dominierende Mentalität des schnellen Geldes. Innovationen brauchen aber einen langen Atem und eine sehr hohe Risikobereitschaft.

Vielleicht ist die Methode Peter des Ersten noch die erfolgsversprechendere: Ausländer ins Land holen und die heimische Elite zwingen, bei denen zu lernen?

Bodo Lochmann

23/04/10

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