Von der Opposition erntet die kasachische Regierung dieser Tage scharfe Kritik für die Kürzung von Haushaltsmitteln. Dabei, meint Kolumnist Bodo Lochmann, war die Anpassung des Haushalts an die veränderte Wirtschaftslage vollkommen gerechtfertigt.

Der Staatshaushalt – also die Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben des Staates – ist ein ziemlich komplexer und überall in der Welt auch ein ziemlich bürokratisches System. Das ist auch normal, schließlich handelt es hier nicht nur um den größten zentralisierten Finanzfonds eines Landes, der etwa ein Viertel des Bruttoinlandsproduktes in sich aufnimmt und umverteilt, sondern auch um eine Quelle, von deren normalem Funktionieren auch das Leben eines nicht geringen Teiles der Bevölkerung abhängt. Die Prozeduren von Planung und Realisierung des Staatshaushaltes sind prinzipiell auch deshalb ziemlich kompliziert, weil es sich nicht um privates, sondern um öffentliches Geld handelt. Demnach hat die Bevölkerung (prinzipiell auch in Kasachstan) ein Informations- und Mitspracherecht, das bei einer kritischen und interessierten Bevölkerung durchaus die Budgetprozesse verzögern kann.

In den letzten Tagen sind hierzulande auf Kasachstan bezogene Prozesse um den Staatshaushalt für dieses Jahr veröffentlicht worden, die von Teilen der Oppositionspresse als Anlass genommen wurden, den staatlichen Organen Unfähigkeit oder Schlimmeres zu unterstellen. Sachlich scheint das jedoch eher nicht gerechtfertigt. Der Ausgangspunkt war, dass das Parlament vor etwa zwei Wochen sowohl die Ausgaben als auch die Einnahmen des Republikhaushalts verringert und gleichzeitig das Staatshaushaltsdefizit erhöht hat. Der Kritikpunkt der Opposition war, dass diese Korrektur mitten im laufenden Haushaltsjahr passiert ist, also ein Nachtragshaushalt verabschiedet werden musste. Sicher, für eine Reihe von Sachprozessen, die aus dem Haushalt finanziert werden, kann das unangenehm sein, vor allem, wenn die geplanten und bereits zugesagten Mittel gekürzt werden. Doch das ist immer noch ehrlicher, als die Augen davor zu verschließen, dass sich die der Haushaltplanung zugrundeliegenden Faktoren, die ja vor etwa einem Jahr erstellt wurden, geändert haben. Und Fakt ist nun mal, dass die weltweite Nachfrage nach den Produkten, mit denen Kasachstan vor allem seine Einkommen und darunter auch die Steuern verdient, deutlich zurückgegangen ist. In der Folge sinken die Verkaufspreise und damit die Besteuerungsgrundlage. Das Dilemma der Planung des Staatshaushaltes in jedem Land liegt generell ja darin, dass die Ausgaben durch Gesetze (z. B. im Sozialbereich), durch langfristige Projektfinanzierung, durch bestehende staatliche Strukturen (z. B. Armee, Staatsapparat) von vornherein bereits vor dem Beginn des Haushaltjahres weitgehend fixiert sind. Die Steuern dagegen, als Haupteinnahmequelle des Staates, sind variabel, da von der Wirtschaftsleistung, also der Höhe des Bruttoinlandsprodukts (BIP) abhängig. Und Letzteres kann nun mal schwanken und tut das auch ziemlich lustig, was jedoch meist nur schwer vorhersehbar ist. Auch die Tatsache, dass das Plandefizit des hiesigen Staatshaushalts für dieses Jahr auf 2,5 Prozent hochgesetzt werden musste, ist kein so griffiger Kritikpunkt. Nicht nur, weil im Moment Dutzende industriell entwickelter Staaten von solch einem niedrigen Defizit träumen (dort ist das Defizit meist deutlich höher), sondern auch weil die Gesamtverschuldung des kasachischen Staates mit weniger als 20 Prozent zum BIP absolut kein Problem ist. Auch in Deutschland z. B. wird gelegentlich der Staatshaushalt im Verlauf des Haushaltsjahres an die Realitäten angepasst, allerdings eher nicht in Richtung Verringerung der Ausgaben, sondern Erhöhung der Neuverschuldung. Welcher Weg nun der optimale ist – der kasachische oder der deutsche – ist fast schon eine Glaubensfrage.

Gewichtiger für Kasachstan als die Staatsschulden sind im Moment die Auslandsschulden des Landes insgesamt, die sich in Höhe von etwa 70 Prozent des BIP bewegen. Das sind aber keine Schulden des Staates im Sinne der staatlichen Administration, sondern fast ausschließlich Schulden privater Unternehmen, zum Großteil von Tochterunternehmen ausländischer Konzerne. Da aber diese Rückzahlungsverpflichtungen über den Zeitraum von etwa zehn Jahren gestreckt sind und somit nicht an einem Tag fällig werden können, geht hiervon momentan keine Gefahr aus. Die größte aktuelle Belastung für die Gesamtwirtschaft im Geld- und Finanzbereich ist nach wie vor der desolate Zustand des Bankensektors.

Bodo Lochmann

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