Es sind aufregende Zeiten in Kasachstan. Seit anderthalb Jahren schreibt der Deutsche Philipp Dippl jede Woche über seine Erlebnisse in Almaty. Der Stadt wird er erhalten bleiben, der DAZ leider nicht. Er bricht auf zu neuen Ufern.

Am Freitag geht mein Flieger von Almaty nach Frankfurt. Nein, es ist kein Abschied für immer, ich werde für einen kurzen Sommerurlaub meine Eltern in Deutschland besuchen. Ich bleibe in Kasachstan. Aber dennoch wird nach mehr als 50 Texten dies vorerst mein letzter sein über die kleinen und großen Alltagsgeschichten, die ich erlebt habe, seitdem ich vor anderthalb Jahren nach Kasachstan gekommen bin. Wenn ich im September zurückkomme, wird einiges anders sein. Neue Aufgaben und Veränderungen stehen an, worauf ich mich sehr freue.

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Viel ist passiert in dieser Zeit: viel Aufregendes, Interessantes und Gutes, aber auch Schlechtes und Ärgerliches. Endlose, tagelange Zugfahrten quer durch dieses aufregende Land, berauschende Städte, beeindruckende Natur, riesige Berge, endlose flache Steppe. Und natürlich unglaublich warmherzige Menschen! Ich habe im äußersten Osten Kasachstans einen eisigen Winter bei minus 40 Grad und im Süden, an der Grenze zu Usbekistan einen Sommer mit plus 40 Grad erlebt. Ich habe die kasachische, uighurische und chinesische Küche kennengelernt, Schafsköpfe gegessen, auch mal den einen oder anderen Wodka auf kasachischen Hochzeiten getrunken. Ich habe Stutenmilch probiert, Kamele auf der Straße gesehen und Raketenstarts beobachtet. Ich war Ski fahren, habe in heißen Quellen gebadet und schwarzen Kaviar aus dem Kaspischen Meer gegessen.

Ich habe auch Historisches erlebt, war dabei, als der erste Präsident Kasachstans seinen Rücktritt im Fernsehen bekanntgab und zum ersten Mal in der Geschichte des Landes ein neues Oberhaupt gewählt wurde, als das Internet abgeschaltet wurde und die Immigrationsbehörde bei mir anrief, als in den Städten des Landes Demonstranten verhaftet wurden. Ich musste monatelang um meine Aufenthaltsgenehmigung zittern und in der Volksbank Kasachstans mit rabiaten Großmütterchen um meinen Platz in der Schlange kämpfen. Ich erinnere mich an den Moment, als ein beliebter kasachischer Sportler auf offener Straße sinnlos erstochen wurde. Auf das Oktoberfest der Deutschen Botschaft oder das Festbankett zum Tag der deutschen Einheit wurde ich nie eingeladen. Auch die schlechten, ärgerlichen oder tragischen Momente gehören zum Leben dazu. Eventuell wird man sich dessen erst bewusst, wenn man über den Tellerrand schaut und sich in ein solches Abenteuer stürzt. Ich habe es gemacht, habe hier geheiratet, meine Liebe gefunden und ein neues Leben begonnen.

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Wie alles angefangen hat, das weiß ich nicht mehr. Ich glaube, Borat mit seinem absurden Klamaukstück über ein fiktives Land namens Kasachstan war daran schuld, sicher auch Wladimir Kaminer, der bekannteste Russe Berlins, mit seinen Russendiskos – verrückte Tanzabende mit wilden, exotischen osteuropäischen Rhythmen. Aber mich hat es immer schon in den Osten gezogen. Erst waren es Prag, Belgrad und Warschau, dann kamen Moskau und Sankt Petersburg, es ging nach Murmansk, Nowosibirsk, Irkutsk, Wladiwostok. Aber auch das reichte irgendwann nicht mehr: Ich musste nach Zentralasien, in diese mir bis dahin völlig unbekannte Ecke der Welt. Vor sechs Jahren kam ich für ein Praktikum das erste Mal nach Almaty. Es waren zwei Monate im Winter; ich kam im Januar an. Es war bitterkalt, eine dicke Eisschicht bedeckte die Straßen. Die Stadt wirkte grau, sowjetisch, kalt und nicht gerade einladend. Und doch wusste ich schnell: Ich konnte nicht mehr weg! Und so kam es, dass ich seitdem jedes Jahr mindestens für ein paar Wochen wieder hierherkam. Ich habe mich in diese Stadt, die Garten- und Apfelstadt mit ihren Bergen, verliebt.

Was die Zukunft bringt – wer weiß das schon? Aber für den Moment habe ich mein Plätzchen gefunden. Kasachstan hat mich vom ersten Moment an fasziniert. Aber ich habe noch lange nicht alles gesehen, entdeckt, erlebt, probiert. Manchmal fühle ich mich, als würde es gerade erst losgehen. Kasachstan, dieses ferne, unbekannte Land, hat noch so viele kleine und große Abenteuer zu bieten. Morgen ist ein neuer Tag, und so wie jeden Tag werde ich nach dem Aufstehen auf die Berge blicken und durchatmen. Und dann weiß ich: Es wird ein guter Tag in meiner neuen Heimat Kasachstan!

Philipp Dippl

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