Zentralasien hat es kulinarisch noch in den weltweit bekannten Restaurantführer „Guide Michelin“ geschafft. Doch das täuscht. Seit kurzem kann man auch in Almaty Sterneküche genießen.

Der rote Restaurantführer „Guide Michelin“ ist der Inbegriff für Spitzenküche weltweit – ein Michelin-Stern der Ritterschlag für Küchenchefs und Gastronomieeinrichtungen. Im Jahr 1900 hat der Reifenhersteller Michelin erstmals einen Werkstattwegweiser für die seinerzeit weniger als 3000 Autofahrer Frankreichs herausgebracht. Hotel- und Restaurantempfehlungen kamen im Jahr 1923 hinzu und ab 1926 wurden bis zu drei Sterne für herausragende Gastronomie vergeben. Seit 1936 bewertet das Drei-Punkte-System folgende Leistungen: ein Stern – „eine Küche voller Finesse – einen Stopp wert!“; zwei Sterne – „Eine Spitzenküche – einen Umweg wert!“; drei Sterne – „eine einzigartige Küche – eine Reise wert!“. Der automobile Ursprung des Gastronomieführers, der sich ehemals schlicht an Autofahrer wandte, ist bis heute nicht von der Hand zu weisen.

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In den fast einhundert Jahren seiner Existenz hat sich an dem Führer mit seiner charakteristischen roten Farbe gar nicht so viel verändert. Zahlreiche Köche sind bisher hauptsächlich in Europa mit den begehrten Sternen ausgezeichnet worden. Eigene Gastronomieführer für die USA, Australien oder Städte in Südostasien kamen hinzu. Doch damals wie heute kostet Spitzengastronomie Geld. Ein Menü mit Weinverkostung in einem Drei-Sterne-Restaurant werde ich mir wohl nie leisten können. Genießer feiner Speisen bleiben somit unter sich: Oftmals sind die Tische in solchen Restaurants schon für Jahre ausgebucht. Diese Tradition wurde erstmals vor drei Jahren angekratzt, als der „Guide Michelin“ eine Straßenküche in Singapur mit einem Stern auszeichnete. Der Straßenimbiss „Hong Kong Soya Sauce Chicken Rice and Noodles“ mit seinem malaysischen Koch Chan Hon Meng bekam 2016 für sein „Signature Dish“, dem Hühnchen in Sojasoße nach Hong-Kong-Art, den begehrten Michelin-Stern. Seitdem gilt „Hawker Chan“ als die beste Straßenküche der Welt. Hawker werden übrigens die traditionellen Straßenköche in den Fressmeilen Singapurs genannt.

Für Kasachstan und Zentralasien listet der „Guide Michelin“ zwar kein einziges Restaurant, aber ganz richtig ist das nicht. Denn seitdem Koch Chan ausgezeichnet worden ist, ist sein Geschäft explodiert. Er hat kräftig expandiert, immer unter dem Vorsatz, am ursprünglichen Konzept des schnellen und günstigen Straßenimbisses nichts zu ändern. Und, man mag es kaum glauben, seit kurzem kommt man so auch in Almaty in den Genuss von ausgezeichneter Sterneküche. „Hawker Chan“ befindet sich in einem Einkaufszentrum, unscheinbar eingequetscht zwischen den Filialen anderer großer Fastfood-Ketten. Es ist laut, Kinder plärren umher, die grellbunten Plastikstühle lassen kaum vermuten, dass hier eine kleine geschmackliche Sensation schlummert. Ich bestelle das berühmte Hühnchen nach Hong-Kong-Art, das kaum so viel kostet wie ein durchschnittliches Mittagessen in einer einfachen Kantine. Es herrscht Selbstbedienung, und ich suche mir mit dem roten Plastiktablett in der Hand einen Platz. Schon beim ersten Bissen bin ich erstaunt: Es schmeckt wirklich fantastisch. Unter der Jugend Almatys hat sich das allerdings noch nicht herumgesprochen. Während vor den Filialen der beiden bekannten, amerikanischen Burger-Ketten Menschenschlangen warten, ist an dem kleinen Imbiss an diesem Abend kaum Betrieb.

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Die Sterneküche ist ein Fall für sich. Neben viel Geld und Zeit erfordert sie ebenso viel Erfahrung und Geschmack. Kobe-Rind, Austern und jahrzehntealter Rotwein schmecken in Wirklichkeit nur Profizungen. Ich verstehe von alldem nicht viel und habe da persönlich doch bedeutend mehr Freude an gut gemachter Hausmannskost, die nicht mit zu viel Extravaganz aufwartet. Einfaches kann so gut sein. Aber es gibt wohl weit und breit kaum einen einfacheren und günstigeren Weg, in den Genuss von echter Sterneküche zu kommen, als bei „Hawker Chan“, dem besten Straßenimbiss der Welt.

Philipp Dippl

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