Im Zentralasien-Seminar der Humboldt-Universität gibt es seit vier Jahren die Möglichkeit Kasachisch zu lernen. Dort arbeitet Gulsum Massowka als Dozentin. Die Kasachin war bei der Gründung des Lehrstuhls dabei.

Das Büro von Gulsum Massakowa befindet sich in einem der Gebäude der Humboldt-Universität in der Invalidenstraße in Berlin-Mitte. Ihr Büro, ein geräumiges Zimmer, dient gleichzeitig als Unterrichtsraum. Darin stehen Büromöbel, an der Wand hängt eine kleine Tafel, in der Mitte steht ein großer Tisch, umgeben von ein paar Stühlen. In der Ecke steht der Schreibtisch von Gulsum, drauf ihr Computer. Das ganze Zimmer ist geschmückt mit kasachischen Souvenirs, darunter eine Dombra und ein reich bestickter Tschapan.
Gulsum Massakowa ist eine junge Frau mit klassischen kasachischen Gesichtszügen und einer Kurzhaarfrisur. Sie ist Dozentin für Kasachisch im Zentralasien-Seminar des Instituts für Asien– und Afrikastudien an der Humboldt-Universität.

Traum von der Welt im kasachischen Dorf

Gulsum selbst hätte sich nie erträumt, einmal als Dozentin im fernen Berlin zu arbeiten und die Sprache und Geschichte ihres Heimatlandes deutschen Studenten beizubringen. Obwohl ihre Mutter bereits vor einigen Jahren vorausgesagt habe, dass ihre jüngste Tochter ein interessantes Schicksal erwarte. Massakowa erzählt, dass sie aus einer großen kasachischen Großfamilie kommt und in einem abgelegenen Aul unweit der kasachisch-chinesischen Grenze aufgewachsen ist. „Als Kind habe ich immer gedacht, nach der Schule zu meiner älteren Schwester in den benachbarten Aul zu ziehen und dort in der Landwirtschaft zu arbeiten“, erzählt sie. Ihr Schicksal sollte ein anderes werden.

Ihr Weg aus dem kleinen verlorenen kasachischen Dorf Altynschoky in den Bergen, das übersetzt „goldener Gipfel“ heißt, begann mit ihrer Immatrikulation an der Abylai-Chan-Weltsprachenuniversität in Almaty. Nachdem sie ihr Studium erfolgreich beendet hatte, blieb sie im akademischen Bereich, arbeitete als Dozentin für Deutsch an ihrer Universität und unterrichtete auch in der Schule.

Gulsum Massakowa erhielt vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) ein sechsmonatiges Forschungspraktikum, um Material für ihre Doktorarbeit zu sammeln. So kam sie 2004 zum ersten Mal nach Hamburg. Damals war ihr wissenschaftlicher Betreuer interessiert an der Erforschung der kasachischen Sprache und schlug ihr vor, an der Graduiertenschule zum Thema „Mehrsprachigkeit in einem multinationalen Umfeld“ teilzunehmen. „ Das war ein wirklicher Glücksfall“, erinnert sich Massakowa.

Brücke nach Kasachstan steht

Also fing sie dank der Unterstützung des DAAD, als Doktorandin am Institut für Turkologie der Fakultät für Geschichte und Kultur der Universität Hamburg an. Das Leben in der Hansestadt gefiel ihr sehr. Neben ihrer Forschungsarbeit lehrte sie Kasachisch an der Universität. Das Stipendium bekam Massakowa aus ihrer Heimat. Das Programm „Bolaschak“ fördert den akademischen Austausch und arbeitet unter anderem mit dem DAAD zusammen. So ist der DAAD für Gulsum Massakowa zur symbolischen Brücke aus Kasachstan nach Deutschland geworden.

Bis heute der einzige Lehrstuhl für kasachisch

Dann wurde 2010 der Lehrstuhl für kasachische Sprache im Zentralasien-Seminar der Humboldt-Universität eröffnet. Dieses bedeutende Ereignis wurde zwei Jahre vorher von der kasachischen Botschaft vorbereitet. Es war das Ergebnis eines intensiven Kulturaustausches. 2009 wurde in Deutschland zum Jahr Kasachstans erklärt, während 2010 in Kasachstan das Deutschlandjahr ausgerufen wurde. Hauptinitiator der Eröffnung des kasachischen Lehrstuhls war der Botschafter der Republik Kasachstan Dr. Nurlan Onschanow.

Erfolgreiches Pilotprojekt in Berlin

Die allererste kasachische Fakultät sollte zunächst für drei Jahre eröffnet werden. Es war ein Pilotprojekt, das für weitere zwei Jahre verlängert wurde. Derzeit werden gerade Verhandlungen um den weiteren Betrieb der kasachischen Fakultät geführt. Sie wird zur jeweils Hälfte aus Mitteln des kasachischen Staates und des DAAD finanziert.

In diesen Jahren ihres Bestehens hat der Lehrstuhl für Kasachisch bewiesen, deutsche Studenten erfolgreich auf ihre akademischen Aktivitäten in Kasachstan vorzubereiten. Nur hier haben deutsche Studenten die einmalige Möglichkeit, die kasachische Sprache von null auf zu erlernen. Attraktiv sind auch die Sommerschulen.

Seit 2012 haben die Studenten die Möglichkeit, an einer Sprachschulung in Kasachstan teilzunehmen. Im vergangenen Jahr fand diese Sommerschule am Pädagogischen Institut in Schymkent statt.

Mit jedem Jahr wächst die Zahl der Studenten, die sich am Zentralasien-Seminar einschreiben. Vor allem durch die Sprachvermittlung entdecken sie die Geographie, Kultur und Geschichte Zentralasiens. Nach jedem Semester müssen die Studenten eine Prüfung ablegen und ihre Sprachfähigkeiten schriftlich und mündlich beweisen.

Neben Bildungsaktivitäten und der Weiterbildung von Lehrern und Studenten, arbeitet die Fakultät eng mit der Botschaft der Republik Kasachstan in Berlin zusammen. Zum Beispiel engagieren sich die Studenten bei kulturellen und wissenschaftlichen Aktivitäten in Berlin, die mit Kasachstan eng verbunden sind. So beteiligten sie sich zum Beispiel an dem Nouruz-Fest, das auch in Berlin gefeiert wurde.

Außerdem wurde vor kurzem ein Wirtschafts– und Kulturzentrum der Botschaft Kasachstans in der Bundesrepublik Deutschland gegründet. Anlässlich der Eröffnung gab es einen Vortrag über das Leben und Werk des berühmten kasachischen Dichter Mukagali Makatajew. Dazu trugen auch die Studenten des Kasachstan-Lehrstuhls mit einem Kulturprogramm bei. Sie lasen Gedichte des Dichters und sangen traditionelle Lieder.

Außerdem werden am Zentralasien-Seminar der Humboldt-Universität neben Kasachisch und Geographie auch andere Turksprachen wie Mongolisch, Tibetisch und Tadschikisch gelehrt. Leider wird Kirgisisch nicht angeboten. Kirgisistan ist eines der offensten Länder in Zentralasien. Ausländer können frei nach Kirgisistan reisen und verschiedene Aspekte des Lebens der Kirgisen erforschen. Warum setzt sich das Außenministerium und das Bildungsministerium der Republik Kirgisistan nicht für eine ähnliche Initiative ein und eröffnet eine Fakultät für Kirgisisch? Genügend Interessenten würde es schon geben, wenn man bedenkt, dass in den Berliner Universitäten eine Menge Studenten und Doktoranden aus Kirgisistan lernen und forschen.

Lernen mit veralteten Wörterbüchern

Selbst angesichts des Erfolges des kasachischen Lehrstuhls gibt es auch Schwierigkeiten. „Dazu gehört vor allem akuter Mangel an modernen Unterrichtsmaterialien, also Kasachisch-Lehrbüchern für deutschsprachiges Publikum“, sagt Gulsum Massakowa. „Die Schüler sind gezwungen, veraltete kasachisch-deutsche Wörterbucher aus dem Jahr 1992 zu verwenden.“

Noch gibt es kein aktualisiertes deutsch-kasachisches und kasachisch-deutsches Wörterbuch. Gulsum Massakowa hat kaum Zeit, diesen Zustand zu verbessern, denn sie kümmert sich auch um die akademischen Kontakte zwischen Berlin und Kasachstan. Sie ist verantwortlich für die Kontaktpflege zwischen ihren kasachischen Kollegen und der deutschen akademischen Sphäre. Sie hilft ihren Kollegen, die Bibliotheken zu nutzen und ihre Publikationen zu veröffentlichen. Dabei wird sie einerseits unterstützt von der kasachischen Regierung, aber auch vom DAAD. „Obwohl Kasachstan und ich sehr an der Fortsetzung der Arbeit interessiert sind, arbeite ich allein. Leider gibt es im Moment keine finanziellen Mittel, um eine studentische Hilfskraft einzustellen“, bedauert Massakowa. Derzeit unterrichtet sie acht Studenten – eine optimale Anzahl für effektiven Unterricht.

Übersetzung Dominik Vorhölter

Von Chinara Harjehusen

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