Derbes, Efes, Karagandinskoje – welches Bier der Kasachstaner auf der Getränkekarte auch auswählt, meistens kommt der Stoff dazu von einem Ort: Der Malzproduktionsfabrik „Soufflet“ in Tekeli, einer Kleinstadt nahe bei Taldykorgan. Zwischen Bergidylle und Feldern arbeitet hier der junge Franzose Thomas Enguehard: „La bière“ ist seine Leidenschaft. Und er steht auch für eine neue Ära der kasachstanischen Malzproduktion. Denn seit das französische Familienunternehmen „Soufflet“ den jungen Agronomen hierher entsendet hat, weht rund um die Silos ein neuer europäischer Wind.

/Bild: Andrea Rüthel. ‚Bringt französischen Esprit in die kasachsta-nische Malzproduktion: Thomas Enguehard’/

Im Vergleich zu den niedrigen Wohnhäusern wirkt sie fast wie eine Festung: Am Ortseingang von Tekeli thront die Malzfabrik mit ihren grauen Hallen. Auf ihren Eingangspforten prankt tiefblau das Wappen: Das Logo der Firmengruppe „Soufflet”.

„Es ist traurig: Wir haben in Tekeli gesunde junge Leute, aber sie können nirgendwo zupacken. Der einzige Ort, an dem es noch Arbeit gibt, ist die Malzfabrik”, sagt eine blonde junge Frau im Vorübergehen. Sie selbst ist eine der wenigen Russen, die nicht nach Russland abgereist ist. Auch Deutsche habe es in Tekeli früher viele gegeben, sagt sie. „Aber jetzt sind alle weg.”

Entgegen dem allgemeinen Abreisetrend, gibt es allerdings einen, für den das 25.000-Seelen-Städtchen am Rande der Berge geradezu das Paradies ist. Thomas Enguehard meidet Großstädte. Der 24-jährige Franzose kommt aus LaSalle Beauvais – einer Kleinstadt, nur einen Katzensprung entfernt von Paris. Trotzdem kennt er auch die französische Hauptstadt kaum.

Thomas Enguehard ist so etwas wie der neue König der Tekelier Malzfabrik. Seit knapp fünf Monaten ist er das Verbindungsglied zum Hauptsitz der größten privaten Agri-Business-Gruppe in Frankreich: dem Familienunternehmen „Soufflet“. Trotz seines jungen Alters, lastet auf ihm schon eine große Verantwortung: Effektiver soll die Malzfabrik durch Thomas Enguehard werden. Und er hat auch die Aufgabe, die sowjetische Arbeitsweise seines Hofstaats durch französischen Esprit zu ersetzen. „Nicht schlecht für den ersten Job“, schmunzelt der junge Naturliebhaber, der erst im letzten Jahr sein Studium der Agrarwissenschaften beendet hat. Als er sich vergangenes Jahr um den Zwei-Jahres-Job bewarb, wurde ihm erst eine Absage erteilt, denn er sprach kein Wort Russisch. Doch nach drei Monaten klingelte dann das Telefon mit der Zusage – niemand anders hatte nach Kasachstan gewollt.

Malzproduktion en francaise

Um später Bier brauen zu können, muss der Zucker aus der Gerste gelöst werden. Das ist ein langer Prozess, bei dem das Korn unter anderem mehrere Male befeuchtet wird.

Thomas Enguehard steht vor den Silos. In ihnen liegen rund 120.000 Tonnen Gerste. Vom Zeitpunkt des Säens dauert es rund ein Jahr, bis das Malz schließlich an lokale Brauereien weiterverkauft werden kann.

„Eigentlich hat die Malzfabrik in Tekeli die besten Voraussetzungen. Sie hat nicht nur in Kasachstan keine Konkurrenz – in ganz Zentralasien ist sie die einzige ihrer Art“, sagt Thomas Enguehard. Früher einmal sei der Standort sehr effektiv gewesen. Doch als die französische „Soufflet“-Gruppe die Malzfabrik vor rund sechs Jahren von seinem tschechischen Vorgänger aufkaufte, herrschten dort noch dieselben Zustände wie zu Sowjetzeiten. 300 Arbeiter waren hier zwar angestellt – doch viele arbeiteten nicht. Mittlerweile ist die Anzahl auf 83 reduziert.

Die Veränderungen seien tiefgreifend gewesen – aber sie seien mit Rücksicht auf die Mitarbeiter geschehen, sagt Thomas Enguehard. „Mr. Soufflet kennt in Frankreich jeden Mitarbeiter. Die „Soufflet“-Gruppe ist ein Familienunternehmen. Die Menschen sind hier nicht bloß Nummern.“ Tatsächlich beschäftigt sich die „Soufflet“-Gruppe in mehr als zehn Staaten, darunter auch in Russland und der Ukraine, nicht nur mit Getreidehandel und Malzproduktion. Auch die agrarwissenschaftliche Entwicklung der Länder liegt ihr am Herzen. „Die Mitarbeiter der Malzfabrik in Tekeli bekommen zum Beispiel fachsprachlichen Englischunterricht, damit sie sich auch mit den „Soufflet“-Filialen in Serbien oder Tschechien kurzschließen können.“

Das A und O: Das Geschäft mit den lokalen Farmern

Thomas Enguehard schreitet durch die Hallen der Malzfabrik, immer hinter ihm sein Kollege Baurschan Kelgenbajew. Der kasachstanische Agronom arbeitet selbst erst seit anderthalb Jahren für „Soufflet“ Kasachstan – und auch er ist erst 25 Jahre alt. „Das Team ist jung. Das könnte irgendwann noch einmal zum Problem werden“, sagt Thomas Enguehard – besonders wenn die jungen Männer einmal die Woche gemeinsam zu den lokalen Farmern fahren, ihre Felder kontrollieren und mit ihnen Verträge aushandeln. „Bei den Verhandlungen spielt ein seriöses Auftreten eine unheimlich große Rolle. Die Getreidefarmer sind in Kasachstan nicht nur Großgrundbesitzer, sie mischen auch in der Politik mit. Ein gutes Verhältnis zu ihnen ist für uns lebensnotwendig.“

Der Handel mit den Farmern ist genauso riskant wie vielversprechend: Kasachstan hat reiche Schwarzerdeböden – nur das kontinentale Klima stört die Getreidepflanzen beim Gedeihen. Deshalb testet „Soufflet“ auf den Böden der kasachstanischen Farmer auch neue Samen, Herbizide und Dünger. „Wir möchten nicht mehr so stark auf Gerste-Importe angewiesen sein. Die Ernte von 40.000 Hektar Land beziehen wir aus der Region, aber immer noch 30.000 Hektar kommen aus Russland und der Ukraine. Wären wir importfrei, wären das drei Millionen Euro mehr für Kasachstan“, sagt Thomas Enguehard und blickt Baurschan Kalgibajew an.

Haute cuisine auch in Kasachstan

Baurschan Kalgibajew setzt große Hoffnung auf Thomas Enguehard. „Vieles ist schon besser geworden seit Thomas hier ist. Die Atmosphäre ist jetzt eine andere. Bald werden wir ganz auf europäischem Niveau arbeiten“, sagt der junge Agronom mit dem Kurznamen „Bake“. Auch für Thomas hat sich das Kollegium bereits einen Kosenamen einfallen lassen: „Take“. Denn obwohl Thomas Enguehard immer noch nicht alles versteht, hat er sich in Tekeli schnell integriert. Sogar für seine französischen Essensgewohnheiten hat er in Kasachstan bereits eine Lösung gefunden: „Ich esse die kasachstanische Küche, aber auf französische Art: Erst den Salat, dann die Suppe und dann erst das Fleisch, alles streng separat.“

Wohin es ihn nach den zwei Jahren Kasachstan verschlagen wird? Thomas Enguehard zuckt mit den Schultern. „Vielleicht nach Island. Dort ist die Natur so wild wie in Kasachstan“, sagt er. „Und das Oktoberfest in München möchte ich mir anschauen. Ich möchte wissen, ob die Frauen dort tatsächlich fünf Maß in einer Hand halten können.“ Thomas Enguehard hebt lachend sein Bierglas, um mit „Bake“ anzustoßen. Golden schimmert darin eine echte Tekelier Hausmarke. „Wer sät, der erntet“, sagt Thomas Enguehard. Er kann das Sprichwort sogar schmecken.

Von Andrea Rüthel

23/04/10

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