Die Mode im nationalen Kolorit rückt in den Vordergrund. Traditionelle mittelasiatische Ornamente und Muster kann man jetzt nicht nur beim Handwerksmeister vor Ort treffen, sondern auch auf den Laufstegen von Paris, Mailand und New York. Die 22-jährige Designerin aus Kasachstan Aja Bapani ist die Tochter der berühmten kasachischen Filzhandwerker Bapanow, die für ihre handgemachten Teppiche und Gobelins gerühmt werden. Im Jahr 2010 nahm Aja das erste Mal an der „Fashion Week“ in Kasachstan teil und stellte ihre Debütkollektion den Modenarren von Almaty zur Schau.

Auf der „Fashion Week“ in Kasachstan stellte Aja Sachen aus Filz mit nationalen kasachischen Ornamenten vor. Die zweite Kollektion mit dem Namen „Verbindungsfäden der Zeiten“ sorgte auf der im April 2012 stattfindenden Modewoche in Kasachstan für die Herbst-Winter-Saison 2012/2013 für Furore. Die Zuschauer applaudierten fünf Minuten lang, was auf solchen Vorführungen nicht oft passiert.

Fenster nach Europa

Die Kollektion stellt eine originelle Verbindung zwischen historischen Traditionen der Vergangenheit und zeitgenössischem Werk dar. Der erste Teil wurde anhand von Kleidern vorgestellt, die aus dünnen kasachischen Wandteppichen mit Handstickereien und usbekischen eingestickten Wandbildern bestanden. Der zweite Teil war aus Filz, dem Lieblingsmaterial der Designerin, das aus weicher und seidiger Merinowolle gemacht wird. „Das ist keine Haute Couture, denn angesichts unseres stark kontinentalen Klimas sinkt die Chance in solchen Trachten im Winter zu erfrieren praktisch gen Null“, lacht die Designerin.
Vor kurzem wurde Aja Bapani von italienischen Organisatoren zur Teilnahme an der Mailänder Modewoche eingeladen.

London sehen und erobern

Genau das hat die 27-jährige usbekische Designerin Saida Amir verblüfft. 2013 beginnt sie ihr Studium an einer Prestige-Universität für Mode in London, wo sie vorhat, sich weiterzubilden. „Ohne europäische Ausbildung nimmt man dort keinen Designer ernst“, meint Saida.

Saida kann sich mit einer eindrucksvollen Liste von Diplomen und Auszeichnungen rühmen: Sie absolvierte einige Lehranstalten in Taschkent, machte in London beim British Council ein Praktikum, nahm am „Silk Road“-Festival in den USA, der Ausstellung „Generation Mode“ in Deutschland und „Maîtres der angewandten Kunst Usbekistans“ in Paris teil und kam ins Finale des internationalen Wettbewerbs für Modeschöpfer „Couturier des Jahres“ in Moskau…

In der jüngsten Kollektion der Designerin, „Leidenschaften des Ostens“, werden vorwiegend ethnische Motive vorgestellt. Nach der Präsentation verlieh die Presse Saida den Tittel „Ethnodesignerin“. Als Inspiration für die Erschaffung solch weiblicher Bilder von östlichen Schönheiten diente der altertümliche Morgenrock des 19. Jahrhunderts. „Mich inspirieren unsere Kultur und unsere Traditionen immer“, bestätigt Saida. „Dieser Morgenmantel mit der überhöhten Taille gefiel mir. Als ich ihn sah, kamen mir sofort einige Bilder von bereits fertigen Erzeugnissen in den Kopf. Es kam eine östliche Kollektion heraus mit einem leichten Hauch an Eleganz, deshalb wurde für die „Lookbook“-Aufnahmen eine Medresse (eine islamische Schule, Anm. d. Aut.) in Taschkent ausgesucht.“

Entlehnte Traditionen

Im Altertum wurde usbekische Seide sehr hoch geschätzt und galt als ein echter Luxus. Danach drängte der Fortschritt diese Handweberei in den Hintergrund, lange Zeit geriet diese Technik ins Vergessen. Allerdings hat während der letzten zehn Jahre eine ganze Reihe von Designern usbekische Seide in Kleidern, Accessoires und sogar in Einrichtungsgegenständen verwendet und stellenweise hat man sie auch als Grundstoff benutzt.

In Usbekistan basiert die Leichtindustrie im Unterschied zu Kasachstan auf Fließbändern und ist besser entwickelt: In Margilon im Ferghanatal gibt es die Fabrik „Jodgorlik“, wo Seide und Baumwolle verarbeitet werden. Genau hier bestellt Saida Amir auch den Stoff für ihre umwerfende Kollektion: „Adras“. „Adras“ stellt eine Mischung aus Seide und Baumwolle dar, der Stoff wird durch die Technik des „Ikat“ hergestellt. Der „Ikat“ (von indonesisch „mengikat“- binden, Anm. d Über.) ist wiederum ein bereits in der ganzen Welt bekanntes Verfahren der Weberei, das eine stufenweise Färbung der Fadenbündel in bestimmten Farben darstellt. Für die Anfertigung des Musters sind Fäden von verschiedenem Umfang und Festigkeit nötig, wodurch ein schönes und gleichzeitig ein durch Farbe zusammengesetztes Muster entsteht. Als Grundlage können dafür alte Legenden, Lieder, Helden aus Volksmärchen, Liebesgeschichten und vieles mehr dienen.

Bis heute schreiben die Völker Zentralasiens dem „Ikat“ eine magische Kraft zu. Früher beherrschten auf Grund der Schwierigkeit und der Dauer der Anfertigung nur Auserwählte die Kunst, auf diese Art zu weben. Deshalb ist es kein Wunder, dass die „Ikat“-Stoffe Macht, Reichtum und Wohlstand symbolisierten.

Als erster verwendete der bekannte amerikanische Modeschöpfer aus der Dominikanischen Republik Oscar de la Renta den „Ikat“ als Hauptthema in seinen Kollektionen der Jahre 2005 und 2008. Danach erreichte diese Idee auch andere nicht weniger bekannte Designer und Marken: Die Marke „Thakoon“, Proenza Schouler, John Galliano und die britische Designerin Jenny Packham, ein Stammgast auf der russischen Fashion Week. Letztere machte die leuchtenden Muster der usbekischen Seidentücher und Kleider, die vollständig mit verschiedenfarbigen Pailletten bedeckt sind und ein mittelasiatisches Ornament ergeben, zum Trend in Großbritannien.

Der Trend zum Ornament ging auch nicht an solch angesehen Modehäusern wie „Missioni“ und „Gucci“ vorbei. Tatsächlich kann man bei letzterem nicht die eigentliche „Ikat“-Technik sehen, sondern nur Prints mit zahlreichen usbekischen Mustern, die einen unvergesslichen Eindruck auf die Pariserinnen gemacht haben. Wenn ihr also in Paris seid, dann geht nicht voller Verwunderung an den Vertreterinnen des schönen Geschlechts vorbei, die Kleider mit Ornamenten tragen, die jedem gewöhnlichen Einwohner von Taschkent bekannt sind.

Übersetzung aus dem Russischen: Fabian Erlenmaier. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Internetportals to4ka-treff. Der Artikel erschien ursprünglich unter http://www.goethe.de/ins/ru/lp/prj/drj/top/asi/de10241519.htm

Von Jewgeni Owtschinnikow

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