Der neue Geschäftsführer der Deutsch-Kasachstanischen Assoziation der Unternehmer (DKAU), Andreas Hein, ist Werbefachmann aus Leidenschaft. Und einer der wenigen, der es als russlanddeutscher Unternehmer sowie in seiner Heimat Kasachstan geschafft hat, wo er seit 2006 eine Full-Service-Werbeagentur leitet, als auch in Deutschland, wo er erfolgreich Ethnomarketing für die russischsprachige Zielgruppe einführte. Im Gespräch mit der DAZ berichtet er über seine Pläne zur strategischen Neuausrichtung der DKAU, seine russlanddeutschen Wurzeln sowie die Unterschiede des deutschen und kasachischen Werbemarktes.

/Bild: privat. ‚Dreharbeiten der kasachischen Agentur von Andreas Hein für einen TV-Spot in Südafrika.’/

Der neue Geschäftsführer der Deutsch-Kasachstanischen Assoziation der Unternehmer (DKAU), Andreas Hein, ist Werbefachmann aus Leidenschaft.

Herr Hein, seit Dezember letzten Jahres sind Sie der neue Geschäftsführer der Deutsch-Kasachstanischen Assoziation der Unternehmer (DKAU). Ein Ehrenamt mit viel Gestaltungspotenzial. Wo möchten Sie Schwerpunkte setzen?

Ich möchte die DKAU strategisch neu ausrichten, um sie für Ihre Mitglieder attraktiver zu machen. Eine von mir in Auftrag gegebene Studie hat ergeben, dass die Mitglieder der DKAU sich eine Interessensvertretung auf zwei Ebenen wünschen, der geschäftlichen und der politischen Ebene. Neben Networking und neuen Kontakten sind die Mitglieder auch an der Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen interessiert. Der direkte Draht zur Regierung ist unser Alleinstellungsmerkmal. Da wir uns alleine über die Mitgliedsbeiträge nicht finanzieren können, möchten wir auch mit Servicedienstleistungen Geld verdienen, beispielsweise gibt es zur Zeit keine Broschüre „Wer liefert was?“ in Kasachstan. So etwas könnten wir in Kooperation mit Verlagen erstellen.

Hauptberuflich leiten Sie seit 2006 eine Full-Service-Werbeagentur in Almaty. Unter welchen Umständen sind Sie als Unternehmer wieder zurück in Ihre Heimatstadt gegangen?

Das war nicht geplant und ist zufällig so gekommen. Ich habe in Deutschland meine eigene Agentur geleitet und zur selben Zeit zwei ähnliche Aufträge von Unternehmen bekommen: Die einen wollten Dachziegel und die anderen Fertighäuser in Kasachstan vertreiben. Die Dynamik hat mich mitgerissen. Kurz darauf hatte ich schon Daimler Benz als Kunden in Kasachstan gewonnen. Dank meiner hervorragenden Ausbildung in Deutschland und meiner Erfahrung kann ich mich bis heute in Kasachstan durchsetzen. Meine Konkurrenz besteht vor allem aus Moskauer Agenturen, die westliche Kampagnen für den kasachischen Markt kopieren.

Worin unterscheidet sich der deutsche vom kasachischen Werbemarkt?

In Kasachstan wird noch viel mit direkten Ansprachen gearbeitet. Ich sage immer, der Wurm muss dem Fisch schmecken, aber hier ist jeder Angler ein Fisch, das bedeutet, es wird viel Werbung gemacht, die den Auftraggebern gefällt. In Deutschland gab es in den 20er Jahren auch direkte Ansprachen in der Werbung, wie „Kauft schwarze Schuhcreme“. Heute arbeitet man verstärkt mit indirekten Botschaften und Gefühlen.

Können Sie eine kasachische und eine deutsche Werbung nennen, die Ihnen gefällt?

Als Bespiel für eine gelungene Werbekampagne in Kasachstan nehme ich einen Videoclip, den ich für die ATF Bank produziert habe. Eine Braut steht vor dem Altar, als ihre drei unehelichen Kinder auftauchen. Der Slogan lautet „Ein Sparbuch von ATF. Ohne Überraschungen.“ In Deutschland ist Jung von Matt die Nummer 1, wie zum Beispiel die Kampagne für den Autovermieter Sixt zeigt: Im Bild ein Mercedes Lkw, beladen mit Müll, und dazu der Slogan: „Selbst Ihr Müll fährt Mercedes, und warum Sie nicht“.

Den Einstieg in die Werbebranche möchten viele junge Leute schaffen. Wie sah Ihr Weg in die Werbung aus, und was raten Sie Nachwuchskräften?

Man soll sich nicht selbst überschätzen, aber auch nicht einschüchtern lassen. In Kommunikationsberufen muss man täglich beweisen, dass man aus nichts etwas schaffen kann. Die Idee muss mit dem Kopf befreundet sein. Die handwerklichen Fähigkeiten kann man lernen. Ich habe politische Ökonomie in Almaty studiert. Der Abschluss wurde in Deutschland nicht anerkannt, und so habe ich an der Fachhochschule Würzung ein BWL-Studium mit Schwerpunkt Marketing abgeschlossen. 2003 habe ich meine Karriere als Creative Director einer japanischen Firma beendet und mich mit dem Schwerpunkt Ethnomarketing selbständig gemacht.

Ethomarketing für Russischsprachige in Deutschland?

Ja, allen Vorurteilen zum Trotz ist die Gruppe der Russischsprachigen noch vor den Türken die größte Migrantengruppe in Deutschland. Zu den 4,2 bis 4,5 Millionen Russischensprachigen in Deutschland zählen die Russlanddeutschen, die Kontingentflüchtlinge jüdischer Abstammung, die eigentlichen Migranten, die zum Beispiel nach Deutschland eingeheiratet haben, und Flüchtlinge wie zum Beispiel aus dem Kaukasus.

Womit überzeugt man die russischsprachige Bevölkerung in Deutschland?

Indem man ihre Sprache spricht. Wir haben eine Kampagne für ein russisches Fernsehpaket gemacht. Ältere Aussiedler kann man nicht mit jugendlicher Sprache, moderner Technologie und sonstigen Hypes ansprechen. Das lehnen sie zu 100 Prozent ab, auch unbewusst. Wir haben ein Wortspiel als Slogan eingeführt: Wir wünschen euch zu Sylvester ein blaues Feuer! Mit Feuer feiern, dass bedeutet laut und blau, weil es eine traditionelle Sendung gibt, die Blaue Flamme heißt. Die Kampagne war erfolgreich.

Hätten Sie sich auch einen anderen Beruf als Werber vorstellen können?

An der Werbung faszinieren mich die Vielfältigkeit und die Möglichkeit, schöpferisch tätig zu sein. Bei der Gestaltung von Werbespots kann man schon ein bisschen Francis Coppola spielen. Eigentlich wollte ich Chirurg werden. Nach meinem exzellenten Abitur habe ich alle drei Zugangsprüfungen mit sehr gut bestanden, doch wegen meiner russlanddeutschen Abstammung ist mir der Zugang zum Medizinstudium nicht möglich gewesen.

Mit wieviel Jahren waren Sie sich zum ersten Mal bewusst, dass Sie deutscher Abstammung sind?

Meiner Herkunft war ich mir zum ersten Mal mit zehn Jahren bewusst. Ich habe meine Oma in Kirgisistan besucht, die konnte kaum Russisch. Mit ihr habe ich Weihnachten, Ostern, Allerheiligen gefeiert – eigentlich alle deutschen Feiertage bis auf den Tag der deutschen Einheit.

Wie weit können Sie Ihre Familiengeschichte zurückverfolgen?

Meine Vorfahren sind wohl Mitte des 19. Jahrhunderts aus Schwaben in die Ukraine gekommen, wo sie bei Odessa die Siedlung Schwedendorf gründeten. Ein großes Bauerndorf der Heins. Vor dem ersten Weltkrieg sind sie nach Sibirien vertrieben worden, dann wieder zurückgekommen und 1936 dann in Viehwaggons nach Nordrussland gebracht worden, wo die Familie zerfiel, da die männlichen und weiblichen Angehörigen in unterschiedliche Lager kamen. Meine Eltern waren als Kinder beide krank und sind nicht im Krankenhaus behandelt worden, so dass sie beide schwere Schäden zurückbehalten haben. Beide sind taubstumm und haben sich in einem Internat in Kirgisistan kennengelernt. Sie haben dann in Almaty gearbeitet, mein Vater als Schweißer und meine Mutter in einer Fabrik. Sie leben heute glücklich in Deutschland, wo mein Vater bis zu seiner Rente in einer Druckerei gearbeitet hat.

Ihr erster Eindruck von Deutschland?

Ich habe 1989 meine Tante und meinen Onkel in Deutschland besucht, und es entsprach meinen Vorstellungen von einem Land, wo die Menschen in Harmonie und Ordnung miteinander leben.

Und 20 Jahre später?

Habe ich gelernt, dass auch in Deutschland das Geld regiert.

Das Gespräch führte Christine Karmann.

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