Almagul Menlibajewa zählt zu den bekanntesten Künstlerinnen Kasachstans. Nach dem Verlust von Kultur und Traditionen zu Zeiten der Sowjetunion, weist sie den Menschen Zentralasiens in ihren Werken den Weg zu sich selbst. Ihre Ausstellung „My Silkroad to you“ ist noch bis zum 19. Februar in der Galerie Tengri Umai in Almaty zu sehen.

/Bild: Antonie Rietzschel. ‚In der Videoinstallation „Butterflies of Aischa Bibi“ lässt Almagul Menlibajewa eine zentralasiatische Liebesgeschichte aus dem Mittelalter wieder lebendig werden.“/

Es gab nichts mehr, was die schöne Aischa Bibi von ihrem Geliebten, dem Emir von Taras trennte: Nachdem sich ihr Stiefvater gegen deren Vermählung ausgesprochen hatte, floh sie kurzerhand mit ihrer Amme. Doch als sich die beiden auf dem Weg nach Taras an einem Fluss erfrischen wollen, wird Aischa Bibi von einer Schlange gebissen und stirbt. Als der Emir davon erfährt eilt er herbei, um einen letzten Blick auf seine Braut zu werfen. Schließlich lässt er für sie ein Mausoleum errichten, das bis heute an die beiden Liebenden erinnert.

Brutale Realität

In Almagul Menlibajewas Videoinstallation „Butterflies of Aischa Bibi“ wird diese alte Liebesgeschichte aus dem Mittelalter wieder lebendig. Vor den Mauern des Aischa Bibi-Mausoleums und des Mausoleums des Ahmed Jasawi erzeugt sie Bilder, durchwirkt von sagenhafter Schönheit. Mal hüllen sich die Frauen, die Aischa Bibi verkörpern, in malerische Stoffbahnen, dann wieder balancieren sie traditionelle, reich verzierte Kappen auf dem Kopf.
Immer wieder dringt die Realität beinahe brutal in die märchenhafte Szenerie ein: Schaulustige, die mit ihren Handys Fotos machen – das blecherne Geräusch beim Drücken des Auslösers frisst sich unangenehm in die Gehörgänge. Völlige Stille herrscht jedoch als Almagul Menlibajew Mädchen und Frauen zeigt, die das Aischa-Bibi-Mausoleum umrunden. Während ihre Finger an den kunstvoll geschnitzten Terrakottafliesen entlanggleiten, bitten sie um Fruchtbarkeit oder einen Ehemann.

„Seit dem Fall der Sowjetunion sind wir auf der Suche nach unserer Identität“, sagt Almagul Menlibajewa, die derzeit immer wieder zwischen Amsterdam, Berlin und Almaty pendelt. Lange Zeit habe auch sie nicht gewusst, wer sie sei: „Meine Großmutter meinte immer, ich sei Russin, weil ich kein Kasachisch sprechen konnte.“

Wiederauferstehung

In Zeiten, in denen der westliche Lebensstil auch die Kultur Kasachstans stark beeinflusst, zeigt die Künstlerin Traditionen als Last, aber vor allem als Schatz. Sie zeigt Menschen, vorrangig Frauen, die selbstbewusst mit ihrer Vergangenheit umgehen, sie als Teil ihrer Identität zulassen, gleichzeitig aber auch den Blick in die Zukunft richten.

Sie sind Visionen, denn oft genug leiden besonders die zentralasiatischen Frauen unter den Ansprüchen, die an sie gestellt werden und eng mit traditionellen Rollenbildern verknüpft sind. „Es ist nicht einfach, mit einem Kasachen verheiratet zu sein. Die Frau muss sich zu 100 Prozent für die Familie aufopfern. Andererseits soll sie aber auch irgendwie modern sein“, sagt die 41-Jährige. In ihren Malereien, Fotografien und Videoinstallationen will sie ihnen ein Gesicht geben.

So endet die Reise der schönen Aischa Bibi, die sich über den Willen ihres Vaters hinwegsetzte, bei Almagul Menlibajewa nicht mit deren Tod. Gemeinsam mit ihrer Amme steht sie in einem prächtigen Rosenbeet, auf ihrem Kopf ein Turm aus bestickten Kappen, das Gebilde erinnert an die Kopfbedeckung der früheren Perserkönige. Plötzlich setzt elektronische Musik ein, und die beiden Frauen beginnen zu tanzen. Die Kappen purzeln zu Boden. Es ist, als schüttelten die Frauen mit ihren Bewegungen den Staub der Geschichte von sich, um in all ihrer Schönheit und Stärke im Hier und Jetzt wiederaufzuerstehen.

Von Antonie Rietzschel

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