Die Idee grenzt an Größenwahn: Mitten in der kasachischen Steppe, nahe der Hauptstadt Astana, plant ein deutsch-österreichisches Unternehmen den Bau eines alpinen Wintersportzentrums – dort wo die Steppe flach ist wie ein Brett. Insgesamt sollen Trainings- und Wettkampfanlagen mit olympiagerechter Ausstattung für über 50 Sportarten entstehen. Im Zentrum der Anlage befindet sich ein künstlicher Berg. Das kasachstanische Sport- und Tourismusministerium ist der deutsch-österreichischen Idee gegenüber aufgeschlossen, hat aber derzeit andere Sorgen.

/Bild: ATC/

Die Hauptstadt Astana gilt als Inbegriff des neuen Kasachstans: Man zeigt, was man hat, mit protzigen Prestige-Bauten, die der Welt unmissverständlich klar machen sollen: hier ist eine Wirtschaftsmacht auf stetem Erfolgskurs. Gigantismus prägt die Hauptstadt, die sich gern mit großen Namen schmückt. Gerade wird ein von Stararchitekt Sir Norman Foster entworfener 100.000 Quadratmeter großer Vergnügungspark unter einem Glaszelt gebaut. Hier sollen die Hauptstädter auch im Winter bei minus 40 Grad Außentemperatur an künstlichen Seen unter Palmen lustwandeln und in der größten Einkaufspassage des Landes shoppen können. Leider ist das neue Stadtzentrum im Science-Fiction-Look nicht ganz pünktlich zum zehnjährigen Bestehen der Hauptstadt Astana in diesem Jahr fertig geworden. Das Jubiläum im Juli werden die Kasachstaner noch auf einer Baustelle feiern müssen.

Großprojekte im ganzen Land

Das hindert Kasachstan jedoch nicht daran, weitere architektonische Großprojekte in Angriff zu nehmen, so wie den Ausbau der Hafenstadt Aktau am Kaspischen Meer oder die Neuerschaffung einer kompletten Kasino-Stadt in der Nähe von Almaty, die vor allem Gäste aus dem nahen China als Zielpublikum ins Auge fasst.

Jetzt geben ein Deutscher und eine österreichische Firma den kasachstanischen Visionen weiteren Auftrieb. Im Auftrag von Austrian Tourism Consultants ATC, einem Wiener Planungsbüro für Tourismus, hat der Deutsche Lutz Heinrich ein – wie man in Wien hofft – künftiges touristisches Highlight in Astana entwickelt. Heinrich, Diplom-Sportwissenschaftler und selbst leidenschaftlicher Alpinist und Ski-Fahrer, hält Astana genau für den richtigen Ort, um hier ein hochmodernes Wintersportzentrum zu errichten. „So etwas gibt es noch nicht auf der Welt“, ist sich Heinrich sicher.

„Weltpremiere, bisher einmalig“

Zentrum der circa 35 Hektar großen Anlage soll „Mount Astana“ sein, ein künstlich aufgeschütteter Berg – die Steppe in und um Astana herum ist flach wie ein Brett. Darauf will Heinrich eine Ski-Halle errichten, die mit zwei übereinander liegenden, jeweils unterschiedlich geneigten Abfahrt-Pisten ausgestattet sein soll, quasi eine blaue und eine rote Piste im Doppeldecker-Prinzip. „Weltpremiere, bisher einmalig“, preist Heinrich diese Idee an. Etwa 450 Meter lang wäre die Halle – das ist solides Mittelmaß im Vergleich mit den über 60 Indoor-Skipisten, die es bisher weltweit gibt. Die längsten in Schweden und Finnland sind über einen Kilometer lang.

Direkt an die Piste anschließen soll sich eine unterirdische Langlaufloipe, so dass der untere Teil der Piste auch als Übungsstrecke für Anstiege und Abfahrten der Langläufer in Frage kommt. „Bisher gibt es keinen Skitunnel, mit dem man auch Anstiege trainieren kann“, so Heinrich und hofft auf Rückenwind beim Internationalen Ski-Verband FIS.

Skihalle und Skitunnel am „Mount Astana“ sollen sommers wie winters mit Kunstschnee ausgestattet sein und somit ganzjährig fast Originalbedingungen für den Wintersport bieten. Auf dem gesamten Areal will Heinrich Trainingsstätten für insgesamt über 50 Sommer- und Wintersportarten schaffen, darunter Mountain-Biking, Klettern, Golf oder Beach-Volleyball.
Das Loch, das beim Aufschütten des Erdreichs am „Mount Astana“ entsteht, möchte Heinrich gleich in die gesamte Anlage integrieren – als künstlichen See, in dem Schwimm- oder Kanu-Wettkämpfe stattfinden und an dem Freestyle-Snowboarder und -Skifahrer ihre Sprünge auch im Sommer von einer Matten-Schanze ins Wasser üben können.

Und Heinrich hält noch mehr Trümpfe in der Hand. Die Skihalle soll unterirdisch hohl sein und damit Platz für Hotels, Parkhäuser und medizinische Einrichtungen bieten. Insgesamt will der quirlige Sachse ein Mega-Sport-Ressort schaffen, dass sowohl internationalen Wettkampfanforderungen olympischer Disziplinen entspricht als auch den Bedürfnissen von Freizeitsportlern entgegen kommt.

„Kasachstan liegt geographisch günstig“

Denn eines ist Heinrich wichtig. „Ich möchte dem Leistungssport und dem Volks-, Schul- oder Behindertensport gleichermaßen eine Plattform bieten. Denn Sport ist eine der besten Möglichkeiten, wie ein Land zu internationalem Ansehen kommen kann.“ Warum aber gerade Kasachstan, ein bisher eher unbekanntes Land in Sachen Sport? Sieht man einmal vom kasachischen Profiradler Alexander Winokurow und dem Rennstall Astana ab, die durch Doping dem Land Kasachstan in Sachen Prestige eher Schaden zugefügt haben. „Kasachstan liegt geographisch günstig im Verhältnis zu den neuen großen Tourismusmärkten in den arabischen Ländern, in China oder Indien,“ so ATC-Chef Czerny. Natürlich sei die Idee kühn und die Umsetzung sicher nicht leicht, dennoch aber machbar.

Das kasachische Ministerium für Tourismus und Sport zeigt sich der deutsch-österreichischen Idee gegenüber äußerst aufgeschlossen. Der persönliche Kontakt zum Minister ist bereits hergestellt. Momentan gibt man sich von kasachischer Seite jedoch lieber noch bedeckt. Es seien keine Ressourcen für das Projekt frei, heißt es beim Ministerium. Denn zur Zeit stehen noch die Vorbereitungen und der Bau der Anlagen für die Asien-Spiele im Vordergrund. Die finden im Jahr 2011 in Kasachstan statt. Bisher jedoch gibt es kaum Sportstätten, die den Anforderungen internationaler Wettkämpfe genügen. So trainierten beispielsweise die kasachischen Skispringer bisher in Hinterzarten im Schwarzwald, weil es keine ausreichend hohen Skischanzen in Kasachstan gibt.

Olympia 2022 in Kasachstan?

Walther Czerny vom österreichischen Planungsbüro ATC schätzt, dass die Umsetzung des Sport-Ressorts „Mount Astana“ technisch etwa zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen würde, „vorausgesetzt, es finden sich Investoren“. Rund eine bis anderthalb Milliarden Euro müssten die aufbringen, so viel soll das Sport-Ressort kosten.

Ein Argument haben die Planer von ATC schon jetzt auf ihrer Seite. Ihrer Meinung nach würde „Mount Astana“ den Grundstein legen für ein weiteres kasachisches Großprojekt: Bei der Bewerbung für die Olympischen Winterspiele im Jahr 2014 war Kasachstan gescheitert. Sie finden in Sotschi in Russland statt. Wenn der Berg tatsächlich errichtet werden sollte, halten die deutschen und österreichischen Planer Olympia in Kasachstan im Jahr 2022 für möglich.

Von Edda Schlager

23/05/08

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