Der Schriftsteller Jaroslav Hašek verbrachte einen Teil seines Lebens in Kasachstan. Dort begann er wahrscheinlich auch, an seinem Hauptwerk zu arbeiten. Erinnerungen an einen Tschechen in Kasachstan.

Ein großer Krug Pilsener Urquell steht vor mir, der Schaum ist über die Maße dick und kremig. Genauso, wie es in den alten Prager Bierkellern gezapft wird. Mit galantem Schwung kommt ein Teller böhmisches Biergulasch mit Serviettenknödeln angeflogen. Aber ich bin nicht in Böhmen. Ich bin in Kasachstan, in einem tschechischen Restaurant.

„Wenn der Krieg vorbei sein wird, so komm mich besuchen. Du findest mich jeden Abend ab sechs Uhr im Kelch!“ So brüllt es der brave Soldat Josef Schwejk seinem Trinkkumpanen Woditschka hinterher, als beide, irgendwo im tschechischen Teil des Habsburger Reiches zu verschiedenen Fronten des ersten Weltkrieges abfahren. Diese wohl berühmteste Verabredung zweier Saufbrüder in der Weltliteratur stammt aus dem gleichnamigen Buch des braven Soldaten Schwejk des tschechischen Schriftstellers Jaroslav Hašek.

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Hašek, 1883 geboren, war ein fauler Lümmel. Nachdem er frühe Anstellungen in der Drogerie Kokoška oder in der Prager Bank „Slavia“ wegen wiederholten unentschuldigten Fernbleibens verloren hatte, widmete er sich bald nur noch dem Schreiben von Humoresken. Als Redakteur für eine Tierzeitschrift erfand er Artikel über die Entdeckung von Urzeitflöhen oder sich bis zur Bewusstlosigkeit betrinkende Papageien. Auch diese Position verlor er, als er es schließlich mit dem Schabernack gänzlich übertrieb. Von da an zog Hašek bald nur noch durch die Bierstuben der Prager Altstadt und hielt sich mit dem Handel von gestohlenen Hunden mitsamt gefälschten Stammbäumen über dem grauen Wasser der Moldau.

So wie viele Nichtsnutze in dieser frühen Phase des ersten Weltkriegs sah auch Jaroslav Hašek sein Glück in der freiwilligen Verpflichtung für das böhmische K.u.K.-Infanterieregiment Nr. 91 in Budweis. Und so marschierte er zur Ostfront ab. Er ließ sich ohne Gegenwehr von den Russen überrennen und geriet in russische Kriegsgefangenschaft. Hašek wechselte die Seiten, ging in die Rote Armee und wurde später politischer Kommissar in der Kommunistischen Partei Russlands. An dieser Stelle beginnt das gänzlich unbekannte kasachische Kapitel im Leben des Taugenichts Jaroslav Hašek.

Hašek bezog einen Arbeitsplatz im ehemaligen Haus des Kaufmanns Smolin in Petropawlowsk in Nordkasachstan, seinerzeit ein Politbüro der Roten Armee. Vermutlich begann er bereits hier, irgendwann zwischen 1918 und 1920, die Arbeit an seinem Hauptwerk „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk während des Weltkriegs“. Auch in Kostanai hat der Autor einige Zeit verbracht. Er schreibt in seinen Memoiren vom „Land der Kamele“; danach verlieren sich die wenigen Spuren dieser Periode, bevor er 1920 wieder nach Prag zurückkehrte.

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Hašek genoss zeitlebens in seiner Heimat kaum Anerkennung als Schriftsteller. Er war als Provokateur mit schlimmster Vulgärsprache verschrien, seine Texte galten als Gossenliteratur. Noch bevor er den Text zu Schwejk beenden konnte, starb Hašek 1923 mit nur 39 Jahren aufgrund einer kriegsbedingten Tuberkulose, außerdem aufgedunsen und schwer alkoholkrank. Das in weiten Teilen autobiografische Lebenswerk vom Infanteristen Schwejk ist bis heute Antikriegsschrift und satirische Kritik an der bedingungslosen Kaisertreue in der Donaumonarchie Österreich-Ungarn. Daneben sind die Geschichten des unbedarften, rundlichen und immer arglos lächelnden Schwejk, der es mit Bauernschläue und stoischer Geduld durch die Schrecken des Ersten Weltkrieges schafft, nicht nur in Tschechien selbst Kulturgut, sondern weltweit in zahllosen Übersetzungen beliebt.

Bevor Schwejk und Woditschka die Viehwaggons zur Front besteigen, ruft er dem Schwejk hinterher: „Schwejk, Schwejk, was für Bier ham sie im Kelch?“ Er ruft zurück: Großpopowitzer!“ Schwejk und sein Freund Woditschka schaffen es tatsächlich rechtzeitig aus dem Krieg und treffen sich im Kelch wieder. Auch die Großpopowitzer Ziege, das Velikopopovicky Kozel wird in Almaty ausgeschenkt. Selbst die Vertreter der tschechischen Botschaft kommen öfter in dem Restaurant vorbei. Ich trinke noch einen Krug auf den braven Soldaten Josef Schwejk und denke mir, Tschechien und Kasachstan haben mehr gemeinsam, als man glaubt.

Philipp Dippl

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