Die deutsche Minderheit hat ein Problem – ihr fehlt es an Führungskräften. Um das zu ändern, gibt es seit 2007 die Elitenförderung der Wiedergeburt, die Studenten mit deutschen Wurzeln finanziell unterstützt. Im Gegenzug engagieren die sich bei der deutschen Minderheit.

/ Bild: Nadjezhda Burlutzkaja. ‚Aufnahmeprüfung in der DKU 2008 – ein wahrer Marathon.’/

Nadeschda Burlutzkaja ist für die Elitenförderung verantwortlich.

„Die deutsche Minderheit hat ihre Elite im Krieg verloren. In der Folgezeit kam das Wort „deutsch“ im Pass quasi einem Ausschluss von höherer Bildung gleich. Daher gibt es fast keine Ärzte oder Ingenieure mit deutschen Wurzeln“, sagt Nadeschda Burlutzkaja. Sie ist verantwortlich für die Jugend- und Eliteförderung der deutschen Minderheit in Kasachstan, Usbekistan und Kirgisistan.

Bereits seit dem Zerfall der Sowjetunion unterstützt die Bundesrepublik Deutschland die deutschen Minderheiten in den ehemaligen Teilrepubliken. 16 Jahre später kam das Bundesministerium des Inneren (BMI) zu der Einsicht, dass die Förderung der deutschen Minderheiten in den Bereichen Jugend, Sprache und Soziales nicht ausreiche, um nachhaltig die kulturelle Emanzipation und die authentische Überlieferung von Erfahrungen sowie Werten zu gewährleisten. Daher erarbeitete eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der deutschen Minderheiten und Mitarbeitern der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein Konzept zur Herausbildung von Führungs- und Nachwuchskräften. Die Konzeption sieht als Ziel insbesondere die Schaffung einer Wertelite vor, die zum einen Vorbildcharakter für nachfolgende Generationen hat und deren Bestand sichern soll. Zum anderen sollen sie die Selbstorganisation der Minderheit vorantreiben und deren Belange nach außen vertreten. Seit Beginn der Elitenförderung vor drei Jahren, unterstützt die Wiedergeburt insgesamt zwölf Studenten mit deutschen Wurzeln, die an der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) studieren.

Vom Grashüpfer zur Elite

Jekaterina Salasgorskaja ist eine von ihnen. Die 20-Jährige kommt ursprünglich aus Karaganda und studiert heute im dritten Semester Management an der DKU in Almaty. Bereits als Jugendliche war sie im zu der deutschen Minderheit in Karaganda gehörenden Jugendclub „Grashüpfer“ aktiv. Außerdem engagierte sie sich im Jugendzweig des Wissenschaftlichen Vereins der Deutschen. Als sie dann ihre Ausbildung zur Übersetzerin und Sekretärin mit „sehr gut“ abschloss und in der Deutschen Allgemeinen Zeitung von der Eliteförderung erfuhr, kam eines zum anderen. „Ich habe alles, was man braucht, nach Almaty geschickt: meinen Lebenslauf, ein Anschreiben, eine Empfehlung von der Wiedergeburt in Karaganda und einen Aufsatz mit dem Thema ‚Was kann ich für die Deutschen in Kasachstan tun?‘. Dann wurde ich zum Auswahltag in die DKU eingeladen“, erzählt die Studentin.

Extreme Entlastung

Der Auswahltag gleicht einem Marathon aus schriftlichen und mündlichen Prüfungen in den Fächern Russisch, Mathematik, Englisch, Deutsch und Geschichte. Außerdem müssen sich die Bewerber einer Jury, bestehend aus Vertretern der DKU und der Wiedergeburt, stellen und ihre Motivation und Zukunftspläne darlegen. Das letzte Wort über die endgültige Auswahl der Stipendiaten hat die DKU. 2009 entschied sie sich unter anderem für Jekaterina Salasgorskaja. Für die Dauer ihres Bachelor-Studiums erhält sie monatlich 42.000 Tenge, dreimal soviel wie bei einem staatlichen Stipendium. Studiengebühren muss sie auch nicht entrichten. „Das Stipendium von der Wiedergeburt stellt für mich eine extreme Entlastung dar, weil ich nicht jedes Jahr um eine Förderung seitens der DKU kämpfen muss. Da herrscht wirklich ein krasser Konkurrenzkampf“, sagt Jekaterina Salasgorskaja.

Gute Bewerbungsunterlagen und ein erfolgreich gemeisterter Auswahltag reichen jedoch nicht, um das Stipendium zu erhalten. „Die Studenten müssen kontinuierlich gute Leistungen erbringen. Wenn sie dies nicht tun oder ihr Studium abbrechen, so scheiden sie aus dem Programm aus“, erklärt Nadeschda Burlutzkaja. Der Vertrag, den die Stipendiaten mit der Wiedergeburt eingehen, verlangt von ihnen auch soziales Engagement bei der deutschen Minderheit. „Die zukünftige Elite soll wissen, dass Geld nicht vom Himmel fällt“, sagt sie. Die Geförderten sollen so mit der eigenen kulturellen Identität vertraut werden, um die ethnischen Werte später authentisch weitergeben und die Arbeit der Minderheit weiterentwickeln zu können. Jekaterina Salasgorskaja betreut beispielsweise jeden Sonntag eine Kindergruppe, mit der sie bastelt, singt und spielt. „Ich werde auch noch mindestens drei Jahre lang nach meinem Studienabschluss in der Wiedergeburt aktiv sein – das ist so vertraglich geregelt“, sagt sie.

Ungewisse Zukunft

Ob sie allerdings nach diesen drei Jahren weiterhin für die deutsche Minderheit arbeitet, bleibt abzuwarten. „Im nächsten Jahr wird der erste Jahrgang des Förderprogrammes das Studium beenden. Ob sie zu uns „Tschüß“ sagen oder dabeibleiben, wissen wir noch nicht“, sagt Nadeschda Burlutzkaja. Man müsse deren Entwicklung beobachten und evaluieren – erst dann könne man sich Gedanken machen, wie das Programm in Zukunft aussehen wird.
An dieser Zukunft muss zweifelsohne gearbeitet werden. „Von den zwölf Stipendiaten stammt nur eine aus Kirgisistan, aus Usbekistan gibt es niemanden. Das liegt vor allem daran, dass die Zeugnisse schwer vergleichbar sind – die Usbeken haben natürlich nicht das Fach „Geschichte Kasachstans“, das bei der Aufnahmeprüfung auch geprüft wird“, erläutert Burlutzkaja.

Zudem habe das Programm mit fehlenden Geldern und logistischen Problemen zu kämpfen. Das Stipendium sei zwar aus finanzieller Sicht hoch, aber für viele Familien, die ihr Kind durch ganz Kasachstan nach Almaty schicken müssten, eindeutig zu wenig. Daher sind derzeit Förderungen deutschstämmiger Studenten an anderen kasachstanischen Universitäten beim BMI im Gespräch. Auch könnten nicht allen Studienabgängern ein Arbeitsplatz bei der Wiedergeburt gewährleistet werden.

Probleme hin oder her, Jekaterina Salazgorskaja hat schon eigene Pläne für die Zukunft: „Ich möchte nach meinem Bachelor einen Master in Deutschland machen.“

Von Vinzenz Greiner

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