Im Tschüi-Tal in Kirgisistan leben etwa 90 ethnische Deutsche. Artur Ditenbier ist Student an der Kirgisischen Staatlichen Universität für Bau-und Transportwesen. Er hat einen Ausflug nach Rot-Front gemacht und berichtet über die Geschichte dieses deutschen Dorfes in Kirgisistan.

In Rot-Front, einem kleinen Dorf im Tschüi-Tal zwischen Kant und Tokmok an den Bergen gelegen, wohnen zurzeit noch etwa 90 ethnische Deutsche. 1927 kamen die ersten Siedler aus dem Talas-Gebiet und nannten den Ort Bergtal. Die meisten von ihnen waren Mennoniten und arbeiteten in landwirtschaftlichen Berufen. Heute leben sie in einer kleinen Gemeinde, die sich selbst organisiert. Die Dorfbewohner helfen sich untereinander.

Insgesamt leben ca. 8.000 ethnische Deutsche in Kirgisistan. Eine der letzten Volkszählungen der Sowjetunion ermittelte 1985, dass mehr als 200.000 Angehörige der deutschen Minderheit in Kirgisistan lebten. Wie kam es dazu, dass so viele Deutsche nach Kirgisistan kamen? Die Antwort auf diese Frage wurde während einer Exkursion zum Dorf Rot-Front erläutert:

Die deutsche Dorfgemeinschaft von Rot-Front | Bild: Autor

Wie auch der Koran, verbietet die Bibel grundsätzlich das Töten von Menschen. Im 18. Jahrhundert hob der preußische König Friedrich Wilhelm II die privilegierte Stellung der Mennoniten in seinem Hoheitsgebiet auf. Zuvor hatte Friedrich II. den Anhängern der evangelischen Freikirche ihnen Religionsfreiheit garantiert. Die Mennoniten lehnten die Wehrpflicht ab und waren unter Friedrich II. davon befreit. Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. machte dieses Privileg wieder rückgängig. Zur gleichen Zeit hatte die russische Zarin Katharina die Große weite Teile des osmanischen Reiches erobert. Sie suchte Siedler für diese Gebiete und versprach ihnen Ackerland, Steuer- und Religionsfreiheit sowie Befreiung vom Militärdienst. Hiervon fühlten sich unter anderem die Mennoniten angesprochen. Im Jahr 1871 forderte Zar Alexander II. jedoch die allgemeine Wehrpflicht von seinem Volk. Deshalb siedelten viele Deutschstämmige mit Erlaubnis des Zarenhofes in die neu eroberten Gebiete Mittelasiens, um die Wehrpflicht zu umgehen. 1882 entstanden die ersten deutschen Siedlungen im Talas-Gebiet. Wegen des günstigen Klimas und der fruchtbaren Böden zogen zum Beginn des vorigen Jahrhunderts weitere Familien ins Tschüi-Tal.

Die Deutschstämmigen arbeiteten an der Entwicklung der Gemeinde. Noch heute leben in den Dörfern Kirgisistans Angehörige der deutschen Minderheit. Eines der Siedlungen ist Rot-Front. Erst nach der Wiedervereinigung sind viele ethnische Deutsche in die Bundesrepublik umgezogen.

Ihr zurückgelassenes Hab und Gut war bei den Einheimischen sehr beliebt. Die jahrzehntelang genutzten Häuser, von den deutschen Familie selbst erbaut, gepflegt, ausgebaut, hübsch renoviert und sauber gehalten, wurden an neue Besitzer übergeben. Doch nicht alle fanden ihr Glück in der neuen Heimat. Einige Aussiedler sind wieder nach Rot-Front zurückgekehrt, weil sie die Dorfgemeinschaft und das Familienleben in Bergtal besser finden.

Artur Ditenbier ist Student an der Kirgisischen Staatlichen Universität für Bau-und Transportwesen und Architektur. Er selbst ist Angehöriger der deutschen Minderheit Kirgisistans, nimmt Unterricht im Sprachlernzentrum vom Goethe-Institut und beschäftigt sich mit der Geschichte seiner Vorfahren.

Von Artur Ditenbier

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