Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) gibt es seit mittlerweile fünf Jahren. Die Konrad-Adenauer-Stiftung nahm das zum Anlass für einen runden Tisch zu dem Thema in Almaty. Dabei wurden zwar Erfolge gelobt, aber auch die Probleme der Union beim Namen genannt.

Die Idee für eine Eurasische Wirtschaftsunion kann Kasachstan für sich verbuchen. Bereits 1994 sprach der damalige kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew bei einer Rede in Moskau von einer Union zwischen Ex-Sowjetstaaten nach dem Vorbild der EU. Doch dauerte es noch knapp zwanzig Jahre, bis aus Nasarbajews Vision Wirklichkeit werden sollte und am 1. Januar 2015 die EAWU entstand.

Nach den ersten fünf Jahren lassen sich erste Entwicklungen absehen und es wird klarer, welchen Platz die Union auf dem Weltmarkt einnimmt. Genau darum ging es vergangene Woche bei der Diskussion „Eurasian Economic Union perspectives for the Member States“, die die Konrad-Adenauer-Stiftung in Almaty organisierte.

Fokus auf Wirtschaft und Integration

„Viele sehen die EAWU skeptisch. Jedoch gibt es sie weiterhin und sie hat Erfolge zu verzeichnen”, sagt Asel Aben, Leiterin der Vertretung des kasachischen Instituts für Strategische Studien beim Präsidenten der Republik Kasachstan in Almaty, bei der Eröffnung der Veranstaltung. „Die Wirtschaftsleistung aller Länder ist seit der Gründung der EAWU stark gestiegen”, so Aben. Die Union habe sich bisher auf den Außenhandel mit anderen Staaten fokussiert. Für die Mitgliedstaaten werde es aber wichtiger, die Abhängigkeit von Importen zu verringern. „Es gilt, eigene Produktionen zu fördern und Substitute für importierte Waren zu finden.”

Anders als die Europäische Union ist die EAWU eine reine Wirtschaftsunion. Eine Bildungs-, Wissenschafts- oder gar politische Union standen nicht zur Debatte. Jedoch spielt das Ziel einer vertieften Integration nach innen wie außen eine wichtige Rolle in der EAWU. Sie will nicht nur ein Verbindungsglied zwischen dem asiatischen Markt und der EU werden, sondern auch die eigenen Mitgliedstaaten näher zusammenführen.

Nicht jeder profitiert gleichermaßen

Dabei ist der Handel zwischen den EAWU-Staaten noch spärlich ausgeprägt. Vielmehr bildet Russland einen Knotenpunkt unter den Ländern. Mehr Dynamik gibt es dagegen beim Abschluss von Handelsabkommen mit Drittstaaten, etwa Vietnam und China. Verhandlungen mit weiteren Staaten sind bereits im Gange oder abgeschlossen – beispielsweise mit Indien, Türkei oder Iran. Besonders die kleineren Staaten innerhalb der EAWU werden so Teil von internationalen Handelsabkommen, die sie allein schwer hätten erlangen können.

Doch ist die Ungleichheit innerhalb der EAWU ein Problem. Im Vergleich zu den EU-Mitgliedstaaten weichen die Mitgliedstaaten in ihrer Entwicklung stärker voneinander ab. Vor allem Kirgisistan und Armenien liegen im Entwicklungsindex weit unter den anderen Mitgliedstaaten, erhalten aber trotzdem kaum Unterstützung.

Dagegen ist Russland der dominierende Faktor in der Union. Vier von fünf ihrer Einwohner leben in dem Riesenreich – auf einer Fläche, die fünfmal größer ist als die aller anderen Mitgliedstaaten zusammen. Zudem erbringt Russland über 80 Prozent der Wirtschaftsleistung der EAWU. Ohne einen Ausgleich zwischen den Ländern ist es deshalb kaum möglich, von einer ebenbürtigen Partnerschaft zu sprechen.

Miteinander, aber nicht untereinander

Beim Austausch unter den Staaten gibt es jedoch einige Schwierigkeiten. So beklagt Rosa Turarbekawa, Professorin für Internationale Beziehungen an der staatlichen Universität Belarus, die mangelnde Freizügigkeit zwischen den Mitgliedstaaten. Deren Bürger hätten unter anderem Probleme damit, ihre akademischen Abschlüsse und Ausbildungen in den anderen Ländern anerkennen zu lassen. „Als ich vor der Gründung der EAWU nach Belarus kam, wurde mein kasachischer Abschluss nicht anerkannt, und das hat sich bis heute nicht geändert“, erzählt die Expertin.

Auch andere Prozesse innerhalb der EAWU sind noch sehr schwerfällig. So sollte beispielsweise ein gemeinsamer Markt für Energie schon bis 2019 etabliert werden. Doch verzögert dessen sich der die Umsetzung bis 2025. Ähnlich sieht es bei anderen Projekten aus: Pläne und Konzepte bestehen, doch es fehlt die Umsetzung.

Deutsche Perspektive

„Es hat sich viel getan, aber es ist noch ein weiter Weg“, meint Thomas Helm, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kasachstan. Aus deutscher Sicht hat sich durch die EAWU nur bedingt etwas geändert. „Deutsche Unternehmen haben wenig Interesse daran, mit der EAWU zusammenzuarbeiten. Das Interesse liegt mehr darin, sich den einzelnen Staaten zu nähern“, so Helm. Trotzdem sei Deutschland inzwischen mit dem Zollregime der EAWU-Staaten konfrontiert. Für deutsche Unternehmen ist es dagegen interessanter geworden, innerhalb der EAWU zu produzieren: „In Kasachstan ist es wesentlich billiger, einen VW Polo aus Kaluga in Russland zu kaufen, als einen, der in Deutschland produziert wurde“, so die Einschätzung Helms.

Sein Kollege Jakob Wöllenstein, Leiter des KAS-Büros in Belarus, weist aber auch hier auf Ungleichheiten als Hindernis hin. Als Beispiel nennt er die Stromkosten, die in Russland niedriger seien als in Belarus. „Ein Unternehmen hat deshalb natürlich größeres Interesse, nach Russland zu gehen als nach Belarus. Es lasse sich aber feststellen, „dass sich die anfangs sehr kritische Haltung gegenüber der EAWU deutlich verbessert hat”.

Zwischen Russland und China

Die Zukunft der russisch dominierten Union hängt stark ab von den wirtschaftlichen Entwicklungen in seinem größten Mitgliedstaat. Adil Kaukenow, Direktor des Zentrums für Chinesische Studien in Almaty, sieht das kritisch: „Hört man sich in Amerika um, wird Russland nicht mehr als ein wirtschaftlicher Konkurrent betrachtet“, so Kaukenow.

China dagegen ist sehr einflussreich und wird mit dem Projekt ‚One Belt, One Road’ als eine Bedrohung wahrgenommen“, schildert der Wissenschaftler. Die EAWU spiele deshalb für ihre Mitglieder vor allem eine wichtige strategische Rolle dabei, sich gegen stärkere Wirtschaftsmächte behaupten zu können.

Die Perspektive auf die EAWU hat sich dabei auch für Kasachstan geändert. „Es geht nicht mehr um einen Austritt oder ähnliches. Wir müssen mitschwimmen“, meint Askar Nurscha, Dekan der School of Public Policy and Law in Almaty. „Kasachstan darf sich jedoch nicht ausschließlich auf Russland konzentrieren, sonst macht es sich abhängig.“

“Is it a good or a bad deal?”

Der geistige Vater der EAWU, Nursultan Nasarbajew, hat vergangenes Jahr sein Amt als Präsident Kasachstans abgegeben, nimmt aber weiterhin an den Sitzungen der Union teil. Der neue Präsident Kassym-Schomart Tokajew knüpft an die politische Linie seines Vorgängers an. Ob sich die EAWU für Kasachstan bewährt, wird sich herausstellen. „Is it a good, or a bad deal?“, zitiert Askar Nursha am Ende seines Vortrags den amerikanischen Präsidenten Donald Trump und lässt die Frage offen.

Antonio Prokscha

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Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU, engl. Eurasian Economic Union/EAEU) ist ein Binnenmarkt mit Zollunion, bestehend aus fünf ehemaligen Staaten der Sowjetunion: Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Russland. Die EAWU ging aus der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft hervor und trat mit Wirkung zum 1. Januar 2015 in Kraft. Ursprünglich schlossen sich Belarus, Kasachstan und Russland mit einem Gründungsabkommen am 29. Mai 2014 zusammen, wenig später folgten Armenien (10.10.2014) und Kirgisistan (23.12.2014).
Ziel der Eurasischen Wirtschaftsunion ist es – nach dem Modell der Europäischen Union -, den freien Handel zwischen den Ländern zu erleichtern und die Wirtschaftspolitik zu koordinieren.
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Richtigstellung: In einer früheren Version dieses Textes stand, dass die deutsche Generalkonsulin Christiana Markert auf der Veranstaltung gesprochen habe. Das ist nicht der Fall. Frau Markert hat an der Veranstaltung nicht teilgenommen. Die ihr zugeschriebenen Zitate stammen von Asel Aben, Leiterin der Vertretung des kasachischen Instituts für Strategische Studien beim Präsidenten der Republik Kasachstan in Almaty. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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