Eine Anstellungsverhältnis einzugehen hat sich Kolumnistin Julia Siebert bisher immer geweigert. Nachdem es aber keine anderen Möglichkeiten mehr gab, wagte sie es und zu ihrer großen Überraschung entdeckt sie nun die Vorteile davon.

Ich bin jetzt fast fest angestellt, hier mit einem Mini-Job, dort in Teilzeit, beides befristet, also faktisch gar nicht so fest, wie es klingt. Und es ist auch gar nicht so schlimm, wie ich dachte.
Ich bin seit Jahren selbstständig, und das so richtig gerne. Die Tücken der Selbstständigkeit, das Jonglieren mit kleinen und großen Ungewissheiten, haben mich auch immer mal betroffen, aber nicht wirklich gestört, da kölsches Blut in mir fließt. Was nicht immer gut ist, da ab und zu vor lauter Heiterkeit, Frohsinn und Unbekümmertheit auch mal Stützpfeiler wegbrechen, vorzugsweise bei einem Stadtarchiv oder auch bei einem Institut. Kein Unternehmen ist vor Krisen gefeit, auch ich nicht. Darauf muss man eingestellt sein, fast alle sind das, nur ich nicht. Da stand ich nun vor meinem Auftragsloch und guckte in die Röhre. Da mir jedoch attraktive und lukrative Sachen in Aussicht gestellt waren, musste ich diese Phase „nur“ aushalten, nervlich und finanziell – was mir selbst besser gelang als meinem Umfeld. Die Einflüsterungen wurden täglich lauter, ob die Selbstständigkeit das Richtige für mich sei und ich nicht doch besser eine feste Anstellung… Ich war empört, der Aufschrei groß: Eine feste Anstellung? Ich? Die mir heilige Selbstständigkeit aufgeben? Seid ihr wahnsinnig? Hier sei verraten, insgeheim habe ich das Stellen-Modell trotzdem (oder eher trotzig mit spitzen Fingern) aufgegriffen, um meinem Potenzialberatungsansatz gerecht zu werden, ALLE Möglichkeiten auszuloten, die irgendwie dabei helfen könnten, ein Problem zu lösen.

Es war wie verhext: Je mehr ich mich sträubte, desto mehr feste Stellen kamen angerückt. Da die Märchen meine Bibel sind, fragte ich mich: Worin besteht die Prüfung? Soll ich mich nicht verlocken lassen, sondern stoisch meinen selbstständigen Weg gehen? Oder ließ ich wertvolle Chancen sausen? Mir fiel der Prinz ein, der als Bettler verkleidet an die Tür pocht, von der Prinzessin nicht erkannt und verschmäht wird, Prinz ist futsch, ätsch! Aber ich glaube auch an mein Bauchgefühl, das einen Prinzen sonst wo, sonst wie erkennen würde, ob er sich nun im Wolfspelz, Mönchskostüm oder hinter einer festen Stelle versteckt. Wenn dat Dingen (der Job, Prinz, die Yacht oder Limousine) zu einem passt, erkennt man es sofort und dann krittelt man auch nicht mehr an den Details rum.

So folgte ich meinem Bauchgefühl und ließ auf der Suche nach dem richtigen Beschäftigungsmodell manches zu, anderes sein und blicke heute auf ein wunderschönes Mosaik aus selbstständigen Aufträgen in altem und neuem Gewässer und zwei tollen Stellen in altem-neuem Gewässer. Und entdecke viele neue Sachen: Ich darf Weihnachtsfeiern besuchen, „richtigen“ Urlaub machen, offiziell krank sein, an Teamtreffen teilnehmen. Ich habe Spaß an den Umgangs-Codizes (Bei der einen Stelle, wo konsequent gesiezt wird, wurde ich mal beim Duzen erwischt und mit einem kollegialen Rat zurückgepfiffen. Im anderen Fall wird von oben bis unten durchgeduzt) und bei meinen Dienstreisen darf ich laut Formular eine „Mitnahmeentschädigung“ für jemanden oder etwas geltend machen. Ich habe mich schon nach einer klitzekleinen Bude in Nähe meiner Dienststellen umgesehen und! ein klitzekleines Turmzimmer in einem Schloss mit Schlossgarten und Blick auf Weinberge gefunden (kein Witz!). Wenn ich das bekomme (ich warte voller Ungeduld auf die Antwort des Vermieters), bin ich restlos aus dem Häuschen. Warum noch mal hatte ich mich mit dem Angestellt-Sein so angestellt?

Julia Siebert

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