Am Himmel erschienen die ersten Strahlen der Sonne. Kaum hatten sie es geschafft, durch die dichten Wolken zu brechen, begannen sie auch schon damit, die saftigen, grünen Wiesen zu beleuchten. Es war warm, und ein frischer Sommerwind wehte. Die Sonne schickte ihre warmen Strahlen immer weiter und weiter, bis sie irgendwo in der Ferne ein schönes Schloss aufleuchten ließen. Das Morgenlicht eröffnete den Blick auf ein prächtiges Königreich.

/Bild: pixelio magicpen. ‚„Manchmal saßen sie einfach im Schatten der hohen blühenden Bäume …“’/

Hier lebte eine kleine Prinzessin, die Lilie hieß. Sie war ein aufgewecktes und sehr wissbegieriges Mädchen. Die Eltern und die Hausangestellten liebten sie sehr. Lilie war einfach nett. Sie war des Königs und der Königin einziges Kind. Das machte Lilie oft sehr traurig, da doch die ganze Zeit einsam vor sich hin zu spielen nicht so lustig war. Aber das Mädchen verzagte nicht. Im Königreich gab es natürlich einen prächtigen Garten, und das Mädchen spazierte und spielte hier oft. Es sang lustige Lieder und sammelte schöne Blumen.
Eines Tages aber ging Lilie schließlich doch zu ihrem Vater und sagte: „Papa, es ist so langweilig, allein zu spielen, vielleicht könnten wir einen Ball veranstalten. Wir haben doch schon ewig kein Fest mehr abgehalten.“ König und Königin berieten und entschieden schließlich, im Schloss ein Kinderfest zu veranstalten.
Und so sah Lilie eines Morgens, dass das Schloss gänzlich mit Blumen, Ballons und bunten Bändern ausgeschmückt war. Gäste versammelten sich, die wunderschöne, festliche Kleider trugen. Als alle Gäste vollzählig waren, begann das Programm: Schauspieler, Zirkusartisten und lustige Clowns traten auf; alle waren bester Stimmung, und überall wurde frohes Kinderlachen gehört.
Lilie saß neben ihren Eltern, dem Königspaar. Ach! Wie gern würde sie mit den einfachen Mädchen und Jungen spielen. Der König erriet den Wunsch der Tochter und erlaubte ihr, mit den anderen Kindern zu spielen. Lilie war sehr glücklich an diesem Tag.
Und was noch besser war: Auf dem Fest lernte sie ein kleines Mädchen kennen, das ihr sehr ähnlich war. Das Mädchen hieß Röschen. Sie waren zusammen sehr glücklich, verstanden einander ohne Worte, und es schien, dass sie sich schon ein Leben lang kennen würden.
Röschen kam seitdem oft zu Lilie. Sie spazierten zusammen im königlichen Garten, pflückten Blumen und sangen fröhliche Lieder. Und manchmal saßen sie einfach in dem Schatten der hohen blühenden Bäume und sprachen stundenlang miteinander.
Unweit vom Schloss befand sich ein großer verzauberter Wald. Verzaubert sagte man, weil dort eine böse Hexe lebte, die Kinder nicht liebte und auf jede Weise versuchte, alle unglücklich zu machen.
Eines Tages, als die beiden Mädchen wie immer zusammen spielten, flog die Hexe vorbei und hörte das fröhliche Lachen der Kinder. Die Hexe war außer sich darüber, dass es ihnen zusammen so gut ging. Und sie begann, Pläne zu schmieden, wie sie diese Freundschaft zerstören könnte.
Am nächsten Tag, als Röschen ins Schloss ging, verwandelte sich die Hexe in eine ganz gewöhnliche Frau und wartete am Wege neben einem hohen, schattenspendenden Baum. Als Röschen sich ihr genähert hatte, ließ die Hexe einen Korb mit Äpfeln auf die Erde fallen, und jammerte, das Mädchen möge ihr helfen, die Früchte, die überall verstreut umherlagen, wieder einzusammeln. Selbstverständlich ließ sich Röschen nicht lumpen und half. Als alle Äpfel im Korb waren, bedankte sich die Hexe bei dem Mädchen und schenkte ihm eine schöne silberne Haarspange. Diese Haarspange gefiel Röschen außerordentlich, und sie befestigte sie sofort in ihrem Haar. Aber die Spange war nicht nur schön, sondern auch verwunschen, und Röschen verwandelte sich mit ihr im Haar in ein grobes, böses und unhöfliches Mädchen.
Als sie bei Lilie ankam, beleidigte sie sie mit kränkenden Worten und benahm sich grob und ungehobelt. Lilie war überrascht und sehr verärgert, doch Röschen war immerhin ihre Freundin.
Als die Königin, die von dem unanständigen Benehmen Röschens Kunde bekam, Lilie empfahl, Röschen zu vergessen, antwortete Lilie, dass sie ihre Freundin nicht einfach fallen lassen würde. Es sei ja wohl klar, dass irgendetwas mit Röschen nicht stimmte und dass man seiner Freundin doch helfen müsse!
Als Röschen am nächsten Tag wieder ins Schloss kam, bemerkte Lilie die seltsame Haarspange. Sie fragte Röschen, woher die wohl stamme, und als die von der netten Frau mit den heruntergefallenen Äpfeln erzählte, schwante Lilie, dass hier eine Hexe ihre Hände im Spiel haben müsse. Sie bat Röschen, doch die Haarspange abzunehmen und siehe da: Kaum war die herunter, änderte sich alles in den Gesichtszügen und im Wesen der Freundin, und sie war mit einem Schlag wieder das lustige und nette Mädchen von früher.
Seit dieser Zeit stritten die Mädchen nicht mehr und lebten einträchtig und glücklich. Und die Moral von der Geschichte: Wenn Eure Freunde sich einmal seltsam verhalten sollten, lasst sie nicht gleich im Stich. Möglicherweise hat ja eine Hexe die Hand im Spiel.

Die Autorin studiert Übersetzung am Geisteswissenschaftlich-Ökonomischen Institut Almaty (AGEI).

23/01/09

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