Künstler aus Almaty kommen in diesem Sommer an einem außergewöhnlichen Ort zusammen. In der spektakulären Bergkulisse des Nationalparks Ile-Alatau stellen sie ihre Werke moderner Kunst aus. Die Besucher der Freiluftaustellung „Achter Fluss“ sind gleichzeitig zu einem Natur– wie Kulturerlebnis eingeladen.

Der Weg ist das Ziel, heißt es. Das gilt besonders, wenn sich das Ziel irgendwo in den Bergen befindet. In langsamem Tempo verlässt der Bus Nr. 28 die Stadt und passiert den Eingang zum Nationalpark Ile-Alatau. Im Bus sitzt ein Mädchen: bunter Lidstrich, kunstvoll zerfetzte Jeans und gelbes Top. An der Endhaltestelle steigt Arina Rachimowa aus. Sie ist eine 18-jährige Kunststudentin, die ebenfalls dem Gerücht gefolgt ist: Hier soll heute eine Kunstaustellung eröffnet werden. Ein Wegweiser zeigt an: 11km sind es bis zum Ziel: die Austellung befindet sich neben dem Hotel Alpenrose, 2300 m über dem Meeresspiegel. Die Stadtspaziergänger gehen dann mal los. Die Korksandalen mit Absatz klackern beim Spaziergang entlang der betonierten Bergstraße. Das Schuhwerk ist fehlplatziert, aber die Luft ist frisch, und das Bergpanorama gefällt. Die Sonne knallt. Nur gut, dass es in Bergen etwas kühler ist als in der Stadt. Entlang des Weges verlaufen eine Handvoll Flüsse. Die Almatiner knapsen sich hier Wasser in ihre Kanister ab. Andere kommen hierher, um sich am Ufer eines Bergflusses vom Großstadtgewirbel zu erholen.

Die Kunst des Achten Flusses

Nach einer halben Stunde wird die kunstbegeisterte Wandertruppe mitgenommen. Auf der Straße zum Großen Almatysee geht es immer höher ins Gebirge hinein. Wir befinden uns im Gebiet der sieben Flüsse. „Dieser Name ist als eine Metapher zu betrachten: für das Leben, für die Seele, für die Menschen und ihre Ideen“, sagt Jana Malinowskaja, die Kuratorin der Ausstellung. Mit dieser Idee im Kopf rief sie das Projekt „Achter Fluss“ ins Leben. Zehn junge Künstler aus Almaty stellen ihre Kunstwerke unter freiem Himmel aus. Diese sind entlang eines Weges platziert. Es bildet sich ein Fluss, indem die Kunstwerke Teil ihrer natürlichen Umgebung werden.

Die Besuchergruppe schlängelt sich den Pfad entlang. Sie betrachtet, wie Natur und Kultur eine Art Symbiose eingehen: Das Harz an den Bäumen ist zu Dreiecken geformt. Der Künstler Sirlibek Bekbotajew hat der Natur gleich ein Denkmal gesetzt. Wer das Denkmal betrachtet, kommt nicht umhin, dass dahinterliegende Bergpanorama mitzubewundern. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich die interaktive Installation der Künstlerin Jekaterina Nikanorowa.

Bei Eintritt in den Freiluft-“Spiegelsaal“ ist der Besucher Spiegelungen der Natur und des Selbst ausgesetzt. Der Titel des Werkes: Imitation der Natur.

Malinkowskaja war es wichtig, dass die Künstler keine Angst vor der übermächtigen Bergkulisse hätten. Am Ende stechen ihre Werke auch nicht heraus. Sie fügen sich in ihre Umgebung ein. Ein gutes Beispiel dafür ist die Arbeit Alexej Schindins. Sie greift in der Natur vorfindbare Motive auf: Stein, Wassertropfen und die unterschiedliche Höhe der Berge. Der Titel seiner Arbeit: Der Fluss der Zeit.

Ein paar Schulkinder haben weiter oben das „Freiluftkino“ Suinbike Suleimenowas entdeckt. Auf dem Bildschirm, ebenfalls ein Spiegel, können die Schulkinder den Nationalpark Ile-Alatau betrachten. Natur wird inszeniert, auch akustisch. Digitales Vogelgezwitscher rundet das mulitmediale Erleben der Kulturlandschaft ab.

In diesem Gebiet finden schon immer Menschen ihren Platz, die unterschiedlichen Nationalitäten und Konfessionen angehören und andere Sprachen sprechen, erklärt Malinowskaja. Letzteres greift die Künstlerin Asel Kadyrchanowa auf: Ihre „Holzwürfel des Lebens“ platziert sie an einem Hang. Darauf sind Buchstaben in drei verschiedenen Sprachen zu sehen.

Jetzt erklimmen die Besucher noch den letzten Hang. Am Ende der Austellung stehen sie vor dem roten Triumphbogen. Die Kunststudentin Arina hat es bereits eilig, den Heimweg zu suchen. Die Frage drängt: Wie kommen die Kunstbegeisterten wieder zurück in die Stadt? Die Künstler selbst hatten dieses Problem nicht. In der dreiwöchgen Aufbauphase der Austellung lebten sie – wie bereits viele Künstler, Musiker, Schriftsteller, Gelehrte und Ingenieure vor ihnen – an diesem Ort. „Heute sind sie die neuen Leute des achten Flusses“, zieht Malinowskaja Fazit.

Das Kasachische Nationalkomitee der UNESCO „Mensch und Biospähre“ organisiert die Austellung. Die Soros Stiftung Kasachtan, die Nationalförderation der UNESCO Klubs in Kasachstan, das UNESCO Cluster Büro in Almaty, das Kulurministerium in Almaty und das internationale Festival zeitgenösischer Kunst „Artbat Fest-2015“ unterstützt sie dabei. Bis Ende des Sommers ist die Freiluftaustellung noch zu sehen.

Der Eintritt ist kostenlos.

Alexandra Reinig

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