In dieser Woche stimmen die SPD-Parteimitglieder über den Koalitionsvertrag ab. Diese Mitgliederbefragung der SPD-Basis hat Diskussionen ausgelöst. Kritiker versuchten das demokratische Vorgehen der Partei zu diskreditieren.

Gerade stimmen die SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag ab, den die Parteichefs der CDU, CSU und SPD Ende November geschlossen haben. Die Regierungsbildung ist damit noch nicht abgeschlossen. Wenn alles glatt geht, könnte Angela Merkel am 17. Dezember als Kanzlerin eines schwarz-roten Kabinetts wiedergewählt werden. Doch ob Regierung zustande kommt und die Abgeordneten die Kanzlerin in ihrem Amt bestätigen können, darüber bestimmen die SPD-Mitglieder, welche durch einen Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag noch nie dagewesene Macht besitzen. Kritische Stimmen bemängeln, es gäbe Wähler erster und zweiter Klasse. Doch der Koalitionsvertrag ist auf der anderen Seite nicht weisungsgebend für die Abgeordneten.

Befragung sei verfassungswidrig

Dementsprechend ist eine Diskussion über dieses ungewöhnliche Vorgehen entfacht. Es geht darum, inwieweit ein solcher Mitgliederentscheid überhaupt rechtlich erlaubt sei. Diese Frage warf das „Handelsblatt“ auf, das den Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart zu Wort kommen lässt. Degenhart befürchtet, dass die SPD-Mitglieder die Abgeordneten zu stark beeinflussen würden.

Er ist der Meinung, dass in diesem Fall das freie Mandat der Abgeordneten, welche per Grundsetz festgelegt ist, gefährdet sei, weil es in diesem Fall einem imperativen Mandat gleichkäme. Bei einem imperativen Mandat besteht ein Bindungszwang des Delegierten an den Willen des Bürgers und umgekehrt.

Degenhart kritisiert die politische Macht, welche die Abstimmung einzelnem SPD-Mitglied nun in die Hände gibt. Auch wenn es rein verfassungsrechtlich nicht möglich ist, dass Parteien auch über die Wahl der Kanzlerin entscheiden, gefällt ihm dieses Vorgehen nicht.

An der Frage nach dem Recht und Unrecht des SPD-Mitgliederentscheids über den Koalitionsvertrag scheiden sich die Geister. Was passiert eigentlich gerade? Der Koalitionsvertrag ist unterzeichnet und gibt eigentlich den Weg frei für die Regierung, wenn die Parteien der Großen Koalition zugestimmt haben. Dafür haben CDU und CSU Parteitage einberufen, zu denen eine ausgewählte Anzahl an Delegierten erschien.

Macht der Mitglieder

Bei der SPD sollte jedoch nicht nur die verhältnismäßig kleinere Runde, sondern alle Mitglieder über die Bildung einer schwarz-roten Regierung entscheiden. Entgegen der Kritiker dieses Entscheides, loben die Befürworter diesen Schritt als demokratisch. In der Tat haben nun 474.820 Menschen Einfluss auf die Regierungsbildung. Im Gegensatz dazu stimmten in der CDU und CSU verhältnismäßig weniger Mitgliedern über den Koalitionsvertrag ab, nämlich auf einem Parteitag oder während einer Vorstandssitzung. Damit hat die SPD zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik viel Macht bekommen, die Regierungsbildung mitzubestimmen.

Befragungen sind im Trend

Der emeritierte Politikwissenschaftler Peter Löscher wertet dies in einem Interview in der „Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung“ als Fortschritt und politischen Trend: „Auf jeden Fall werden solche Mitgliederbefragungen zunehmen. Bei der CDU zum Beispiel ist das je nach Landesverband unterschiedlich geregelt, mit einer Urwahl wurde zum Beispiel der Spitzenkandidat in NRW gewählt. Der Druck nach mehr Partizipation der Parteimitglieder und der Bürger nimmt zu: Erst im Sommer wurden die Spitzenkandidaten der Grünen von allen Parteimitgliedern gewählt.“

Mitte dieser Woche soll das Ergebnis der Mitgliederbefragung feststehen. Viele werden sich bis zur Abstimmung auch Gedanken über die Kosten der Regierungsvorhaben gemacht haben. Es soll ja auch in der Sache entschieden werden, heißt es. So spekulieren die deutschen Leitmedien nach wie vor über die Verteilung der Ministerposten unter den Koalitionspartnern. Dieses Geheimnis soll erst gelüftet werden, wenn die Abstimmung abgeschlossen ist.

Von Dominik Vorhölter

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