Früher war es kompliziert, Informationen zu bekommen. In heutiger Zeit sind sie mittels des Internets leicht zugänglich. Schwierigkeiten bereitet jetzt der Erwerb von richtigen und objektiven Informationen.

 

Im Jahrhundert moderner Technologien, digitaler Medien und zahlreicher weiterer Kommunikationsmittel ist fast jede gewünschte Information innerhalb kurzer Zeit zugänglich. Man muss nicht unbedingt Journalist sein, um Informationen zu verbreiten. Mittels Handykamera kann jeder über die aktuellsten Ereignisse der ganzen Welt berichten. Dieser „Trend“, alles für YouTube, Facebook und Instagram aufzunehmen, bringt mit sich aber auch eine negative psychologische Tendenz. Die Sucht nach neuen Themen führt dazu, dass viele Menschen die Fähigkeit zur objektiven Wahrnehmung der Realität verlieren. Sie greifen zu ihren supermodernen Handys, egal ob sie ein Autounfall mit einem Opfer oder eine Naturkatastrophe mit hunderten menschlichen Opfern beobachten. Diese Beobachter verlieren ihren Instinkt für die Gefährlichkeit der Situation ebenso wie den Impuls zur Hilfe.
Vor 25 Jahren konnte sich Tim Arlott, Wirtschaftsanalytiker der Nachrichtenagentur „Reuters“, sogar nicht vorstellen, dass der Journalismus solche Änderungen erfahren wird. Seinerzeit musste Arlott als Nachrichtenredakteur in London den besten Kameramann, Filmproduzenten sowie Flugzeug bestellen, um beispielsweise einen Film über Tsunamis zu drehen. „Wir waren so eingestellt, dass allein wir die nötigen technischen Mittel haben, deshalb durfte unsere Aufgabe nicht scheitern“, erzählt der ehemalige Nachrichtenredakteur. Heute sei auch jeder Mensch, der mit dem Journalismus gar nichts zu tun hat, eine lebendige Informationsquelle. Wie Arlott berichtet, wurden diese Informationsquellen während der Tsunamikatastrophe in Sri Lanka bereits oft genutzt.
Eine andere Art von Informationsquellen sind die sozialen Netzwerke. Hier werden Informationen sehr rasch durch die Berichte von Bloggern sowie Kommentaren von Nutzern bzw. Lesern verbreitet. Experten seufzen, die Netzwerke schafften oft einen künstlichen Rummel um ein Ereignis. Dennoch sind sie sozusagen die Stimme des Volkes. Im Netz kann jeder schreiben, was er meint. Auch wenn die offiziellen journalistischen Quellen wie Fernsehen, Zeitungen und Radios oft zensiert werden – im Netz gibt es keine Zensur. Der russische Schauspieler und Regisseur Iwan Ochlobystin empört sich hierüber: „Verantwortungslosigkeit und Anonymität entziehen dem Netz seine Konstruktivität“.
So würde die Geschichte um den Minister für soziale Sicherheit und Arbeit Serik Abdenow nie eine große Resonanz in der Öffentlichkeit bekommen haben, wenn nicht jemand ein Youtube-Video des Ministers bei Facebook verbreitet hätte. Das Fragment mit der berühmten Antwort von Abdenow „weil… weil… weil“ auf die Frage einer Dame, warum das Rentenalter erhöht werden muss, bekam mittels der Hilfe von sozialen Netzwerken mehr als 144.050 Klicks innerhalb von zwei Wochen. Der Minister beklagt sich in Interviews, das Fragment sei von Journalisten aus dem Zusammenhang gerissen worden. Jetzt ist es aber ziemlich schwer zu beweisen, wer in dieser Situation objektiver ist: Abdenow, der angeblich einen Scherz machen wollte, oder Journalisten, die seinen Scherz möglicherweise falsch verstanden haben?
Immerhin wurde bei Facebook sogar eine Fanseite unter dem Namen „Weil“ angelegt. Die Aufmerksamkeit erringt in diesem Fall nicht der Rummel um den Minister, sondern die Aktivität der Menschen aus diesem Anlass. Wenn man früher Angst hatte, Regierungsvertreter zu kritisieren, zeigt diese Geschichte, dass sich die Situation damit ein bisschen verändert hat. Obwohl die ganze Online-Aktion sowie die allgemeine öffentliche Kritik letztlich keine Rolle bei der Entscheidung über eine Erhöhung des Renteneintrittsalters für Frauen gespielt hat, begeistert die Tatsache, dass die Menschen endlich für ihre gesellschaftliche Position eintreten. Und sie tun dies durch die ihnen zugänglichen Medien.

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