Vor lauter Arbeiten Arbeiten Arbeiten habe ich irgendwie die wichtigen Dinge im Leben vergessen. Ich mache meine Arbeit sehr gern, mit großer Freude stürze ich mich täglich in alte und neue Projekte, um die Arbeitsmarktpolitik auf Vordermann zu bringen. Aber man kann sich darin auch leicht verrennen und verlieren.

Ich muss mal wieder etwas für mich tun, hatte ich mir zuletzt eingetrichtert, und meinte damit Ernährung und Bewegung. Ich weiß ja, dass das wichtig ist und man sich damit Gutes tut. Und angeblich fühlt sich das auch gut an, so sagt man. Stimmt ja auch irgendwie. Aber trotzdem saß ich da in tiefstem Selbstmitleid, als ich lustlos an meiner doofen Karotte knabberte, kiloweise Obst und Gemüse aß, ohne richtig satt zu werden. Schlüpfte lustlos in meine Sportkleidung und brachte unmutig meine doofe Bewegungseinheit hinter mich. Spaßfaktor = 0.

Nun ist mir endlich wieder das schönste aller Dinge in die Sinne und in meine Tagesplanung geraten: die Musik! Wie konnte ich das vergessen und versäumen? Und es ist so effektiv! Man legt eine CD ein, ein schönes Stück erklingt und schon fühlt man sich gut. Man muss nicht erst 30 Minuten schweißtreibend an hundsgemeingefährlichen Hunden, Hundehaltern, Pferden, Golfspielern oder Mücken vorbeijoggen. Und wenn es ein schwungvolleres Stück sein darf, da hat z.B. Herr Mozart viel zu bieten, geht sofort die Küchendisco los – Rock me Amadeus! Oder man legt selbst Hand an und spielt sich ein lustiges Lied auf dem Klavier oder noch viel besser: auf einer Kirchenorgel! Das ist nahrhafter als Trennkost. Und außerdem, so sagt mein Orgellehrer, sei das Leistungssport, ich ergänze: Hochleistungssport. Da ist es nämlich schweißtreibend anstrengend, ein Gliedmaß NICHT zu bewegen (vorzugsweise meine linke Hand kann nicht gut stillhalten und klimpert vor lauter Langeweile und Bewegungsdrang ständig dazwischen).

Somit kann ich das Joggen getrost anderen überlassen. Na bitte!

Auch beim Bilden geht die Musik schneller ins Hirn und Gemüt als andere Grundlagen. Zuletzt dachte ich: Mensch, ich bewege mich täglich in der Welt und weiß so wenig über sie, die Welt. Es ist mir zwar ein wenig peinlich, aber ich kann mir einfach nicht merken, wer sich um wen dreht, die Erde um die Sonne oder war es umgekehrt, und wer dreht sich um den Mond oder bleibt der immer da, wo er ist? Gott sei Dank fragt mich das nie jemand. Mich tröstet, dass das auch der genialschlaue Sherlock nicht weiß. Aber jetzt wollte ich das Problem mal angehen und habe mich in der Stadtbibliothek mit einem Büchlein „Physik“ bewaffnet. Aber der Spaß- und Spannungsfaktor will sich nicht so recht einstellen. Aber wenn mir mein Orgellehrer eine Musikpassage erklärt, dann flirren alle Lebensgeister – dann ist das spannend wie ein Krimi, das ist aufregend und schön! Und damit ist es, von mir höchstpersönlich evaluiert, viel wichtiger als alle anderen Fachbereiche.

Nur muss ich aufpassen, dass ich meine Jobs nicht zu sehr vernachlässige. Wenn ich morgens zum ersten Kaffee mit einem Choral von Bach starte, ist der Tag gelaufen. Dann könnte es von mir aus den ganzen Tag nur noch so weitergehen und im Musikrausch denke ich: Ein Konzept schreiben? Eine neue Richtlinie sichten? Ein Projekt entwickeln? Wie banal! Da man allerdings von einem Notensalat allein nicht satt wird, besinne ich mich auf die zwei anderen wichtigsten Fachbereiche im Leben und denke: Hach, eine schöne Fuge, ein frisches Kölsch und eine große Frikadelle – was will man mehr? Eben!

Julia Siebert

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