Die kasachische Wirtschaft ist nach wie vor sehr stark vom Öl abhängig. Allerdings sinkt gerade der Weltmarktpreis. Prof. Dr. Bodo Lochman ist sich sicher, dass ein zu niedriger Ölpreis auf lange Sicht keine sichere Zukunft verspricht.

Zwar wagt noch niemand es öffentlich auszusprechen, aber Fakt ist, dass Angst in den Ländern umgeht, deren Wirtschaften weitgehend am Öltropf hängen. Das sind neben einigen arabischen Staaten auch Kasachstan und Russland. Diese Angst scheint begründet, denn der Ölpreis ist auf den Weltmärkten in den letzten Wochen rasant gesunken und vorerst auf einer Höhe von etwa 82 Dollar pro Barrel stehengeblieben.

Wie es konkret weitergeht weiß natürlich niemand, weshalb sich nun viele Analysten unterschiedlicher Profile den Kopf zerbrechen, vor allem um die Auswirkungen eines eventuell dauerhaft niedrigen Ölpreises. Zuerst einmal ist klar, dass es für das Absinken desselben von deutlich über 100 Dollar noch zu Jahresmitte um mehr als 20 Dollar erklärbare Gründe gibt. Der einfachste und zugleich auch komplexeste ist, dass das Angebot die Nachfrage übersteigt. Infolge der relativ schwachen Aussichten auf hohes Wirtschaftswachstum sinkt entsprechend auch die Nachfrage nach dem Schmierstoff der Weltwirtschaft.

Auf Angebotsseite kommt hinzu, dass die USA infolge der Nutzbarkeit neuer Technologien schnell ihre eigene Förderung von Öl und Gas erhöhen und so nicht nur weniger importieren, sondern bereits auch den Export vorbereiten.

Auch die zunehmende Nutzung erneuerbarer Energiequellen in einer Reihe von Staaten (darunter Deutschland) beginnt sich nachfragemindernd auszuwirken. Allerdings ist dieser Faktor noch nicht der entscheidende. Wesentlicher ist im Moment wohl, dass sich die Hauptförderländer – das sind die vorwiegend arabischen OPEC-Staaten – nicht auf eine Reduzierung der Fördermengen einigen können oder wollen, sondern im Moment den Preiskampf als Instrument zur Sicherung ihres Absatzes und ihrer Marktanteile möglichen Absprachen über eine Begrenzung der Fördermengen vorziehen. Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass die OPEC als Organisation auch etwas schwerfällig ist, aber auch damit, dass diese Länder durchaus auch noch mit 80 Dollar pro Barrel leben können.

Das sieht für Kasachstan und Russland schon etwas anders aus. Zwar gibt es im Moment keinen unmittelbaren Anlass, sich große Sorgen zu machen, denn trotz des gesunkenen Ölpreises liegt der erzielte Jahresdurchschnittspreis immer noch deutlich über den 90 Dollar pro Barrel, denen alle Planungen zu Grunde liegen. Sollte dieser jedoch dauerhaft unterschritten werden, wird es erst problematisch. Schließlich ist es trotz aller bisherigen Bemühungen zur Diversifizierung – also zur Verbreiterung der Produktionsbasis außerhalb des Ölsektors – vor allem in Kasachstan noch nicht gelungen, sich nennenswert von der Ölabhängigkeit abzukoppeln.

Ein nachhaltiger Rückgang des Ölpreises würde eine Verringerung des Devisenzuflusses nach Kasachstan bedeuten, ebenso wie eine Verminderung der Einnahmen des Staatshaushaltes. Letzterer steht sowieso schon unter Druck, weil die schon ab 2012 geplanten Einnahmen aus dem immer noch nicht lieferfähigen neuen Erdölfeld Kaschagan fehlen.

Um alle geplanten Ausgaben auch realisieren zu können, musste bereits in diesem Jahr die Staatsverschuldung ungeplant kräftig angehoben werden, was allerdings noch keinesfalls eine Krise der Staatsfinanzen bedeutet.

Anders sieht es mit der Aussage des Chefs der hiesigen Nationalbank aus, der vor ein paar Wochen zur Beruhigung der Märkte und des Volkes darüber informierte, dass eine weitere Abwertung der Tenge nur dann Realität werden müsste, wenn der Ölpreis unter 80 Dollar und der Rubelkurs unter 43 für einen Dollar absacken würden. Diese Aussage wurde gemacht, als beide Werte noch ziemlich komfortabel von den genannten Grüßen entfernt waren. Jetzt sind sie jedoch nicht mehr so dramatisch weit davon entfernt, so dass es nicht falsch sein dürfte, sich auf eine eventuelle Abwertung der Tenge um weitere zehn oder zwanzig Prozent vorzubereiten. Damit will ich keinen Panikkäufen von Dollar das Wort reden, sondern eher einer psychologischen Vorbereitung. Tritt die Abwertung dann ein oder nicht – auf jeden Fall ist und bleibt die Wirtschaft Kasachstans auch auf absehbare Zeit noch verwundbar, weil ganz einfach zu stark abhängig von nur einer Ware.

Bodo Lochmann

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