Junge Leute, die in Kasachstan studieren, werden meist fern der Praxis ausgebildet. Die Journalistikstudentin Osjel Ospanowa hat mit Schibek Mukaschewa über das Bildungssystem in Kasachstan und den Fremdsprachenunterricht gesprochen. Mukaschewa ist Präsidentin des Deutschlehrerverbandes in Almaty und arbeitet an der Al-Farabi-Universität.

Frau Mukaschewa, wie wichtig ist heute die Fremdsprachenausbildung?

In der heutigen Zeit wird die Mehrsprachigkeit zu einer Notwendigkeit, d.h. man muss nicht nur seine Muttersprache, sondern auch zwei oder drei Fremdsprachen beherrschen.  Die zweite Fremdsprache wird schon in den Hochschulen und Universitäten Kasachstans angeboten. Und für uns Deutschlehrer ist es sehr wichtig, Deutsch als zweite Fremdsprache nach Englisch zu etablieren.

Wie gut kennen sich Studenten in Kasachstan bei Fremdsprachen aus?

Der Wissensstand der Studenten unserer Stadt läßt sich schwer beurteilen. Das Niveau könnte als niedrig eingeschätzt werden, das wäre aber ungerecht denen gegenüber, die es doch schafften, Stipendien für das Studium im Ausland zu bekommen. Diese sind in geringer Zahl vorhanden, aber sie sind da, und das belegt die Behauptung, nicht alles sei so schlimm, wie man vermuten könnte. Ich würde sagen, es kommt darauf an, wie man das Bildungssystem in unserem Lande betrachtet. Das Bildungssystem ist bei uns etwas theoretisch, zu verallgemeinernd und nicht praxisorientiert. Die Studenten verfügen über gewisse, oft ziemlich umfangreiche Fachkenntnisse, aber sie verstehen nicht immer, was damit anzufangen ist.

Fehlt aus Ihrer Sicht allen Studenten in Kasachstan die passende Bildung?

Es gibt und gab immer Studenten, deren Bestrebungen hoch, aber realisierbar sind, und die erreichen auch ihre Ziele. Sie sind auf der Suche nach mehr Wissen, sie recherchieren, surfen im Internet, machen selbst „Entdeckungen“, erwerben neue Kenntnisse. Vieles hängt davon ab, wie sich der Student zu seinem Studium verhält, von seiner Einstellung zum Lernen und zum Wissen, von seiner Einstellung zum Leben.

Was muss aus Ihrer Sicht am Bildungssystem in Kasachstan geändert werden?

Um die Absolventen der Hochschulen Kasachstans konkurrenzfähig zu machen, bedarf unser Bildungssystem Reformen. Es muss sich an die internationalen Standards anpassen. Das frühere System der Ausbildung erweist sich für die Anforderungen der heutigen Zeit als nicht konkurrenzfähig, obwohl auch bestimmte hohe Leistungen erzielt werden. Ein Teil der Studierenden ist sich immer noch nicht dessen bewusst, dass Fachleute ohne das nötige Wissen nichts taugen. Sie verlassen sich auf die alten Gewohnheiten und Vorstellungen.

Wie ist die Lage in der Fremdsprachenausbildung?

Inzwischen ist in Kasachstan ein neues Konzept der Fremdsprachenausbildung für das ganze Bildungssystem erarbeitet worden, das entsprechend dem Ausbildungsgesetz Ergänzungen und Änderungen enthält und nach den Beschlüssen von Bologna entwickelt worden ist. Denn das Ministerium für Bildung und Wissenschaft der Republik Kasach-stan betrachtet die Reformen des Bolognaprozesses als besonders wichtig und orientiert sich bei seinen Neugestaltungen daran. Dieses Modell basiert auf den Empfehlungen des „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen“. Diese Richtlinie für die Fremdsprachenausbildung enthält ein System für die Bewertung von Sprachkenntnissen. So wird die Beherrschung der Sprache auf den Niveaus A1 und A2 als „elementare Sprachverwendung“, B1 und B2 als „selbständige“ und C1 und C2 als „kompetente Sprachverwendung“ klassifiziert. In den Hochschulen und Universitäten wird ein System von Kreditpunkten eingeführt, dabei soll die selbständige Arbeit der Studenten mehr gefördert werden. Der Anteil von selbständiger Arbeit und der mit dem Lehrer muß genau festgelegt werden. Das ist ein ziemlich komplizierter und langer Prozess, der von Lehrenden und Lernenden viel Arbeit und Flexibilität verlangt.

Frau Mukaschewa, eine letzte Frage: Wie bilden Sie sich selbst weiter?

Im Sommer 2005 war ich in drei deutschsprachigen Ländern bei einem Deutsch-als-Fremdsprache-Seminar, worüber ich sehr froh bin. Einer der Leiter dieses Seminars war Martin Müller, der zur Autorengruppe des Buches „Profile deutsch, gemeinsamer europäischer Referenzrahmen, Lernzielbestimmungen, Kannbeschreibungen, kommunikative Mittel, Niveau A1–A2–B1–B2“ gehört. Diese Niveaustufen sind, so die Autoren, Orientierungspunkte und Leitplanken für Lernende, Lehrende und Vertreter der Wirtschaft und Gesellschaft in unterschiedlichsten Institutionen. Das Buch hilft auch uns in Kasachstan bei der Entwicklung der Lehrpläne, Lehrbücher und Sprachprüfungen sowie bei der Planung und Durchführung des Unterrichts.

19/05/06

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