München, Berlin, Almaty, Astana: So lauten die Stationen des interkulturellen Lyrikprojekts, welches das Goethe–Institut Almaty mit den Dichtern Gert Heidenreich (Deutschland) und Iran Gayip (Kasachstan) entwickelt hat. Beide Autoren stellten nun in Astana in der Kasachischen Nationalen Akademischen Bibliothek ihre Arbeit vor. Gleichzeitig wurde das deutsche Informations- und Lesezentrum des Goethe-Instituts Almaty eingeweiht.

Die Kasachische Nationale Akademische Bibliothek ist selbst noch eine junge Einrichtung. Eröffnet am 10. September, ist sie seit dem 15. September um eine Erweiterung reicher. Der Leiter des Goethe-Instituts Almaty, Richard Künzel und Rosa Berdigalijewa, Direktorin der Kasachischen Nationalen Akademischen Bibliothek, weihten an diesem Tag das deutsche Informations- und Lesezentrum des Goethe-Instituts Almaty ein.

Zu den anwesenden Gästen zählten u.a. der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Gebhard Weiß, und Vertreter der Firma Shell – die Sponsoren der Veranstaltung und des Lyrikprojekts. Die Veranstaltung wurde musikalisch untermalt von Studenten der Musikakademie Astana.

Wichtigkeit der Bildung

Richard Künzel betonte in seiner Eröffnungsrede besonders die Relevanz der Kooperation zwischen deutschen und kasachischen Bibliotheken. Das Goethe-Institut Almaty, seit 11 Jahren in Kasachstan tätig, beteilige sich seitdem am Ausbau des gemeinsamen Bibliothekenwesens und fördere zudem die Ausbildung des Personals des deutschen Lesesaals. Der  momentan noch kleine Bestand des Informations- und Lesezentrums könne durch die Unterstützung des Goethe-Instituts zu einem großen Zentrum an klassischer wie zeitgenössischer deutscher Literatur werden, so Künzel. Denn der Besitz von Bildung sei wichtiger als der Besitz materieller Güter.

Als ein praktisches Beispiel für den Austausch von Bildung führte Richard Künzel das zeitgenössische deutsch-kasachische Lyrikprojekt des Goethe-Instituts Almaty an.
Dieses interkulturelle Autorenprojekt wurde im Jahr 2001 ins Leben gerufen. In Almaty kam es zu einem ersten Treffen zwischen Gert Heidenreich und Iran Gayip. Da weder Heidenreich noch Gayip die Sprache des anderen verstehen konnten, entstand die Idee, die Gedichte durch eine Nachübersetzung in die deutsche  bzw. kasachische Sprache beiden Dichtern zugänglich zu machen. Die Übersetzung ermöglichte einen Zugang in die neue und fremde Sprach- und Gedankenwelt des anderen. Schyryngul Suchai, Mitarbeiterin des Goethe-Instituts Almaty, übernahm die Aufgabe der Mittlerin zwischen den beiden Autoren.

Keine Grenzen für die Sprache

Trotz des Sprachunterschiedes fanden Heidenreich und Gayip Parallelen auf schriftstellerischer wie privater Ebene. Beide Autoren waren und sind kritische Zeitgenossen,  besonders vergegenwärtigt in dem Gedicht „Vor einer irakischen Mauer“, das an diesem Abend vorgetragen wurde. Die Verbindung zwischen Gert Heidenreich und Iran Gayip, so stellte sich im Laufe der gemeinsamen Jahre heraus, besaß eine weitere, tragische Gemeinsamkeit: Beide Schriftsteller verloren einen Sohn. Die gemeinsame Arbeit kann somit auch als eine Form der Trauerbewältigung gesehen werden.

Der klagende Klang der Lyrik erzeugte eine nachdenkliche Atmosphäre, die ihre Wirkung auf die Zuhörer nicht verfehlte. Dennoch endete der Abend mit einem heiteren Schlusssatz, denn Iran Gayip stellte die ehrenwerte Regel auf, „niemals eine Frau nach ihrem Alter zu fragen“. Und wie Gert Heidenreich, langjähriger Vorsitzender des PEN-Klubs Deutschland, am Ende richtig betonte, konnte an diesem Abend „die internationale Sprache der Poesie“ ihre Wirkung voll entfalten.

Begleitet wurde die Lesung, die gleichzeitig auch der Abschluss des Projekts war, von einer Großprojektion des von Michael Unland programmierten Internetauftritts.

In Buchform sind die Gedichte ab dem kommenden Jahr erhältlich. Live zu erleben sind beide Autoren auf ihrer gemeinsamen Lesereise durch Berlin, Hamburg und München im Dezember 2005. Genauere Angaben über das interkulturelle Lyrikprojekt sind in ca. zwei Wochen auf der Website des GI Almaty erhältlich.

30/09/05

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